Ich habe Recht vs. Jeder hat seine Wahrheit
Individualität wird in der heutigen Zeit großgeschrieben. Jeder Mensch ist individuell – jeder möchte sich individualisieren.
Das ist auch richtig so, allerdings muss dies auch von allen anderen akzeptiert werden, und das fängt schon beim direkten Gegenüber an:
Angenommen, Du befindest Dich in einem Meeting mit drei weiteren Personen und diskutierst über die Zukunft. Alle sind grundverschieden und vertreten unterschiedliche Standpunkte – da hat natürlich jeder Recht, auf seine Art und Weise. Wir Menschen fokussieren uns zunächst auf unser persönliches Wohl. Was ist für mich selbst am besten?
Die eigene Realität setzt sich aus vielen Eindrücken und Bildern zusammen, welche wir auf Grund der ständigen Reizüberflutung zuvor selbst selektieren. Emotionen beeinflussen diesen Vorgang. Das Ergebnis ist eine subjektive, personenbezogene und für andere unverbindliche Wahrnehmung. Allerdings sind Realität und Wahrnehmung nicht immer gleichzusetzen, oftmals spielt uns bei diesem Vorgang unser Gehirn einen kleinen Streich.
Dem Denker- und Beweisführer-Prinzip nach, passen wir unsere Realitätswahrnehmung automatisch unseren Gedanken an. Davon ausgehend, dass das menschliche Gehirn in zwei Hälften unterteilt ist, erläutert Hans Wagner dieses Phänomen wie folgt:
„Und zwar in den Denker, der komplizierteste Zusammenhänge und Vorstellungen erdenken kann und den Beweisführer, der die Aufgabe hat das vom Denker Gedachte zu beweisen.“ Vereinfacht gesagt, sehen wir das, was wir sehen wollen.
Die ichbezogene Formulierung verdeutlicht, dass auch hier der Egoismus eine nicht allzu unbedeutende Rolle spielt. Natürlich gibt es Situationen, die entweder schwarz oder weiß sind. Situationen, in denen das Glas voll oder leer ist und einer Recht besitzt. In einem Meeting ist dies jedoch häufig anders. Viele Charaktere, Hierarchien und Meinungen treffen aufeinander und jeder besitzt es – das Recht.
Dabei kann Recht genau so wenig besessen werden wie eine Idee. Vielmehr hat jeder seine eigene Wahrheit, seine eigene Perspektive. Beachtet werden müssen dabei die verschiedenen Sichtweisen. Denn bei 40.000 bis 60.000 menschlichen Gedanken täglich kann nicht jeder der Richtige sein.
Wird ein Satz mit „Aus meiner Perspektive…“ begonnen, klingt er nicht so spitz wie „Ich habe Recht!“. Die Folge aus dem Recht-Szenario ist, dass eine oder mehrere andere Personen Unrecht besitzen. Daraus wiederum folgt Angst.
Eine Perspektive legt die Situation offener dar und lädt zu mehreren Perspektiven ein, zum Gemeinsamen. Der Ausdruck „Recht-Haben“ bietet diese Möglichkeiten nicht. Er setzt vielmehr ein Ultimatum: Ich habe Recht – Ihr habt Unrecht!“.
Um ein gesundes, Erfolg bringendes Meeting abhalten zu können, sollten daher neue Denkmuster geschaffen werden. Am besten funktioniert dies, wenn der persönliche Fokus verändert wird und sich jeder Teilnehmer einmal in sein Gegenüber hineinversetzt und versucht, dessen Standpunkt zu verstehen.
Final muss ein Ergebnis nicht immer eindeutig sein, es kann auch ein „sowohl-als-auch“ bieten. Die rechthaberische Ader wird oftmals von einem weiteren Problem begleitet. Jeder redet, denkt und redet wieder. Du hattest sicherlich auch schon einmal das Gefühl, dass Dir keiner wirklich zuhört oder? Lebe es am besten vor, höre aktiv zu und sei ein gutes Beispiel. Wie das genau funktioniert, erläutern wir im nächsten Teil dieser Blogreihe.
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