Diese 4 Anwendungen zeigen das Potenzial von Big Data und Medizin

Potenzial von Big Data

Big-Data-Technologien erlauben es, aus enormen Datenbergen in kürzester Zeit neueste Erkenntnisse zu gewinnen. Lesen Sie weiters, welche Vorteile Big Data spezifisch in der Medizin bietet.  Erfahren Sie anhand von 4 Beispielen mehr über das riesige Potenzial von Big Data.

„Wir ordnen Patienten in Kategorien ein, statt sie individuell zu betrachten“, kritisiert Marc Dewey. Der Professor für Radiologie an der Berliner Universitätsklinik Charité bemerkte bei einer Start-Up-Veranstaltung im Herbst 2017, dass sich die Medizin bei der Untersuchung von Patienten noch immer an Jahrzehnte alte, pauschalisierte Verfahren klammere. Ein präziser Blick auf jeden Einzelnen würde indes unterbleiben. Gleichzeitig präsentierte der Radiologe vor Wissenschaftern, Gesundheitsexperten und Investoren eine von ihm und seinem Team entwickelte App, die einen Arzt Schritt für Schritt an die wahrscheinlichste Ursache für die Beschwerden des Patienten heranführt. Die für jeden Einzelnen berechnete Diagnose fußt auf Daten von vielen tausenden ähnlich gelagerten Fällen aus der Vergangenheit. Die App, für die Dewey noch Geldgeber sucht gibt einen guten Eindruck davon, was alles durch das Verbinden von Big Data und Medizin möglich ist. Die Kombination der beiden Bereiche bietet einige Vorteile:

  1. Das Sammeln und Auswerten von riesigen Datenbeständen sorgt bereits im Marketing dafür, dass für Konsumenten Werbung ausgespielt wird, die die individuellen Interessen und Bedürfnisse recht genau treffen. In der Medizin kann Big Daten den Weg zur personalisierten Medizin Damit ist es möglich, die Wirkung von Medikamenten besser vorherzusagen. Den Patienten bleibt damit eine unwirksame Behandlung samt unangenehmer Nebenwirkungen erspart. Allein in Österreich sterben jährlich 50 Menschen an Nebenwirkungen von Arzneien.
  2. Big Data ermöglicht es, große Personengruppen zu analysieren und daraus bisher unbekannte Zusammenhänge finden. Wie Alexandra Kautzky-Willer. Professorin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien und Österreichische Wissenschafterin des Jahres 2016, im Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“ erläutert, habe man herausgefunden, dass Unterernährung während einer Schwangerschaft das Diabetes-Risiko des Kindes erheblich erhöht.
  3. Die Qualität der medizinischen Versorgung in ländlichen Gebieten lässt sich durch Big Data bzw. die Erkenntnisse daraus, erheblich steigern. Am Land gibt es für bestimmte Krankheiten nur geringe Fallzahlen. Bekämen die dort niedergelassenen Mediziner Zugang zu großen Datenmengen, könnten sie präzisiere Diagnosen stellen und wirkungsvollere Therapien einsetzen.
  4. Durch Big Data wird die Prognose der Größe, Geschwindigkeit und Ausbreitungswegen von Epidemien oder Pandemien präziser. Zwar scheiterte das bis dato prominenteste Beispiel dafür: „Google Flu Trends“, vermochte es nicht, die Grippewellen durch die Auswertung von Suchanfragen vorherzusagen. Aber bekanntlich ist der Lerneffekt aus Fehlern besonders groß.

 

Mit synthetischen Daten die DSGVO-Hürde überwinden

Ungeachtet dieser und wohl noch vieler weiterer Vorteile, sind die Vorbehalte gegen Big Data in der Medizin enorm groß, weil wir alle gesundheitsbezogene Daten als besonders schützenswert erachten. Die ab Mai 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird diese Hürde wohl noch erhöhen. Denn die DSGVO untersagt grundsätzlich alle Arten des Umgangs mit persönlichen Informationen – ausgenommen der Gesetzgeber erlaubt sie explizit oder der Betroffene willigt ausdrücklich ein. Ungeachtet der Auswirkungen der DSGVO wird auch an diesem Problem  gearbeitet. So hat ein Berliner Startup ein System entwickelt, das so genannte „synthetische“ Daten generiert, die nicht mehr auf einen Patienten schließen lassen. Wie vielfältig die möglichen Use Cases von Big Data in der Medizin sein können, zeigen diese 4 Beispiele:

 

1) Kinder vor Gewalt und Verwahrlosung schützen

Der Analytics-Spezialist SAS und Mindshare Technologie nutzen Daten, um Kinder besser vor Misshandlungen zu schützen. Die Technologie erlaubt es, Sozialarbeiter beinahe in Echtzeit darüber zu informieren, wie gefährdet ein betroffenes Kind ist. Grob gesagt basiert der Ansatz auf dem Anzapfen von Datenquellen, die notorisch unter Zeitdruck stehende Sozialarbeiter selbst nicht oder zumindest nicht so leicht nutzen können. Will Jones, Experte für Human Services und Child Well-Being bei SAS, beschreibt die Lösung: „Wir unterstützen sie (die Sozialarbeiter, Anmerkung) mit einem Dashboard, dass ihnen permanent die neuesten Informationen zu jedem ihrer Fälle anzeigt.“ Die Sozialarbeiter würden sofort alarmiert werden, wenn die Gefahr für das Wohlbefinden eines ‚ihrer‘ Kinder sprunghaft steigt. „Der Mensch hat natürlich immer die Entscheidungshoheit, aber das System kann seine Arbeit viel effizienter machen – zum Wohle der Kinder“, ergänzt Jones.

 

2) Simulation einer Herzoperation weist den besten Weg für den Eingriff

Bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin in Mannheim 2016 demonstrierte Ryozo Nagai von der Jichi Medical University, wie sich Big Data auf den einzelnen Patienten anwenden lässt. Ein Supercomputer baut ein dreidimensionales Modell eines kranken Herzens. Der Rechner setzt auf Basis von Messungen und Daten von Patienten dabei etwa zwanzig Millionen virtuelle Zellen zu einem virtuellen Bild zusammen. Bevor die Ärzte nun mit dem Eingriff beginnen, können Sie anhand dieses Modells simulieren, welche Art und Weise den Eingriffs der Herzpatient am besten verträgt.

 

3) Ein Atlas soll beim Kampf gegen den Krebs helfen

Ein Forscherteam der Königlich Technischen Hochschule Stockholm hat mithilfe eines Supercomputers 17 verschiedene Krebsarten aus etwa 8.000 Proben genauestens untersucht. Wie der Projektleiter Mathias Uhlen gegenüber der Technology Review zu Protokoll gab, habe man sich bei der Analyse auf ganzheitliche Veränderungen – als über das die Mutation auslösende Genom hinaus – konzentriert. Dabei entdeckten die Forscher etwa 200 Gene, die die individuellen Überlebenschancen beeinflussen. Ihre Wirkung hängt allerdings sowohl von der Lage des Tumors als auch vom Krebstyp ab. Die Forscher haben nun einen frei verfügbaren Krebsatlas publiziert, der Erkenntnisse über neue Therapieansätze liefern könnte.

 

4) Künstliche Intelligenz prognostiziert Todeszeitpunkt

Wissenschafter der Stanford-Universität haben ein Deep-Learning-Modell realisiert, das den wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt von Patienten prognostizieren kann. Was zunächst äußerst makaber wirkt, hat aber einen hohen Nutzen. Denn die Forscher hatten das Ziel, dass todkranke Personen möglichst selbstbestimmt über ihre letzten Tage verfügen können. Denn anstatt in Intensivstationen zu versuchen, die Patienten so lange wie möglich am Leben zu halten, kann ihnen das Sterben in einer Palliativ-Versorgung so angenehm wie möglich gemacht werden. Wenn der wahrscheinliche Todeszeitpunkt bekannt ist, müssen die Patienten also nicht in einem anonymen Krankenhaus sterben. Sie können im Kreise der eigenen Familie oder einer kleineren Palliativstation dahinscheiden.

 

Diese 4 Anwendungen zeigen das Potenzial von Big Data und Medizin

Schon seit jeher war die Medizin so wie jede Wissenschaft auch auf Erfahrungen und Daten aus der Vergangenheit angewiesen. Big-Data-Technologien erlauben es nun, neue Informationsquellen automatisiert anzuzapfen, Unmengen an Daten zu sammeln und daraus in kürzester Zeit wertvolle Erkenntnisse zu ziehen. Trotz dieses enormen Potentials sollte man aber auch nicht auf den Schutz dieser Daten vergessen. Denn der Missbrauch von gesundheitsrelevanten Daten kann massive negative Folgen für jeden Einzelnen von uns nach sich ziehen. Innovationen, die ein maximales  Schutzniveau dieses Schatzes garantieren, sind also gefragt. Ebenso wie Novitäten aus der Kombination von Big Data und Medizin.

 

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