Gefühl & Gender: Geschlechtskombination beeinflusst Psychotherapie – bis zur Erotisierung

 

Aktuelle Forschungsergebnisse der Karl Landsteiner Privatuniversität Krems Teil des Studienangebots

 

Krems, 05. Juni 2018 – Psychotherapeutische Behandlungen sind nicht frei von Gender-Einfluss. Das zeigen aktuelle Analysen und die langjährige Forschung der Leiterin des Studiengangs „Psychotherapie- und Beratungswissenschaften“ an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems (KL Krems). Geschlechtsidentität beeinflusst demnach die Gefühle sowohl der behandelten Personen als auch von Therapeutinnen und Therapeuten. Dies kann in der therapeutischen Beziehung zu speziellen Dynamiken etwa bezüglich Macht bis hin zu sexualisierten Atmosphären führen. Wie solche Entwicklungen in der Behandlung entstehen können, beschreibt eine aktuelle Publikation aus Sicht des Praxisalltags.

 

Psychotherapie ist emotional. Auch für Therapeutinnen und Therapeuten. Sie müssen mit den Gefühlen ihrer Patientinnen und Patienten „mitschwingen“  und reagieren mit ihren eigenen Emotionen. Was das für den Alltag des Praxisbetriebs bedeuten kann, beschreibt Prof. Brigitte Schigl, Leiterin des Studiengangs Psychotherapie- und Beratungswissenschaften an der Karl Landsteiner Privatuniversität (KL Krems), in einem aktuellen Beitrag für „Psychotherapie im Dialog“ des Thieme Verlags.

 

Doing Gender

Grundlage ihrer Überlegungen ist eine als „Doing Gender“ bezeichnete Theorie, die in den letzten Jahrzehnten wichtiger Baustein sozialwissenschaftlichen Denkens wurde. Diese besagt, dass wir Geschlechtsidentitäten – also das Frau- oder Mannsein bzw. eine andere Geschlechtsidentität – immer im Austausch mit anderen Menschen herstellen. Das ist meist ein unbewusster Prozess, der unser Verhalten stark beeinflusst. Die Zuordnung unseres Gegenübers z.B. als „weiblich“ oder „männlich“ gibt uns Hinweise, wie wir uns verhalten sollen – auch in einem therapeutischen Prozess.

Dazu Prof. Schigl: „Therapeutinnen und Therapeuten reagieren auch emotional auf Patientinnen und Patienten – und umgekehrt. Dieses Aufeinander-Reagieren unter dem Aspekt des Doing Gender zu betrachten, hilft den Verlauf eines Therapieprozesses besser zu verstehen.“ Tatsächlich beschreibt Prof. Schigl in ihrer jetzt veröffentlichten Analyse beispielhaft – Situationen, die mögliche Problematiken aufzeigen, die auf Basis von Doing Gender erklärt werden können.

Männliche Therapeuten können z.B. auf emotionalen Widerstand bei männlichen Patienten treffen, wenn sie sich – aus Sicht des Patienten – zu emotional, also zu „weiblich“, verhalten. Das passt dann nicht zum „Männerbild“ und kann sogar als bedrohlich empfunden werden. In einer rein weiblichen Therapiesituation hingegen treffen zwei auf Gefühlssensibilität sozialisierte Individuen aufeinander. Das kann große Vertrautheit schaffen, aber auch den Blick verstellen oder Konfrontationen, Dagegenhalten und Ablösung schwierig machen.

 

Erotik & Psychotherapie

„In gemischtgeschlechtlichen Situationen – aber nicht ausschließlich dort – können dann auch erotische bzw. sexualisierte Atmosphären eine Rolle spielen,“ erläutert Prof. Schigl eine andere Problematik des Doing Gender. „Therapeutinnen berichten oftmals von Herausforderungen, die sie mit flirtenden männlichen Patienten haben. Sie empfinden das als unangenehm und manche fühlen sich hilflos.“ Männliche Therapeuten hingegen bewerten flirtende weibliche Patientinnen meist weniger problematisch. Tatsächlich herrscht in diesem Setting auch das höchsten Risiko für sexuelle Übergriffe, wie Prof. Schigl in ihrer aktuellen Publikation zitiert.

Die aktuellen Forschungsergebnisse sowie die Erkenntnisse ihrer jahrelangen Analysen von Gender-und Diversity-Aspekten hat Prof. Schigl auch soeben in der 2. Auflage des als Standardwerks geltenden Buchs: Psychotherapie und Gender. Konzepte. Forschung. Praxis. (Springer Verlag. 2. Aktualisierte Auflage 2018) veröffentlichen können. Dieses Wissen auch in das laufende Studium an der KL Krems einfließen zu lassen, ist Prof. Schigl dabei ein besonderes Anliegen. So bietet die Privatuniversität den Bachelor-Studiengang „Psychotherapie- und Beratungswissenschaften“ an, der einen besonderen Schwerpunkt mit dem Bereich Gender- and Diversity-Health setzt und insbesondere die Gendersensibilität und wissenschaftliche Kompetenz der Absolventinnen und Absolventen fördert.

 

Originalpublikation:Ko-respondenz macht Gefühle … und Gender färbt sie ein. Der Einfluss von Gender auf Emotionen in der psychotherapeutischen Beziehung.B. Schigl. PiD – Psychotherapie im Dialog 2018; 19: 56–60. DOI 10.1055/s-0043-123294

 

Hinweis zum Bachelorstudium Psychotherapie- und Beratungswissenschaften: https://www.kl.ac.at/studium/bachelorstudium-psychotherapie-und-beratungswissenschaften

 

Über die Karl Landsteiner Privatuniversität Krems

Die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) ist Wegbereiterin und Katalysatorin für zukunftsorientierte, gesellschaftlich relevante Lehr- und Forschungsbereiche in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften. In diesem Sinne fokussiert sie auf ein fächerübergreifendes, international ausgerichtetes Studienprogramm, das eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen Ausbildungsangebot der öffentlichen Universitäten darstellt. Mit ihrem europaweit anerkannten Bachelor-Master-System stellt die KL eine flexible Bildungseinrichtung dar, die auf die Bedürfnisse der Studierenden und Anforderungen des Arbeitsmarkts abgestimmt ist. In der Forschung konzentriert sich die KL gezielt auf Nischenfelder in gesundheitspolitisch relevanten Brückendisziplinen wie der Medizintechnik, der Psychodynamik und Psychologie sowie dem Thema Wasserqualität und den damit verbundenen gesundheitlichen Aspekten. Die KL wurde 2013 gegründet und von der Österreichischen Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung (AQ Austria) akkreditiert.

 

Rückfragehinweis:

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