Ferkelproduktion: ab 31.12. 2018 – Verbot der betäubungslosen Kastration

Politik, bitte bewahrt die männlichen Ferkel vor unnötigem Leiden und verschiebt den Termin 1.1.2019 – Die Ferkel danken es Euch!!

…Am Anfang war die gemeinsame Erklärung zur Ferkelkastration, die so genannte Düsseldorfer Erklärung vom 29. Sept. 2008, die das Ziel verfolgtFerkelproduktion: ab 31.12. 2018 – Verbot der betäubungslosen Kastration
Politik, bitte bewahrt die männlichen Ferkel vor unnötigem Leiden und verschiebt den Termin 1.1.2019 – Die Ferkel danken es Euch!! Der Deutsche Bauernverband (DBV), der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) haben sich für dieses gemeinsame Vorgehen entschieden.
In der Düsseldorfer Erklärung von 2018, die vom Deutschen Bauernverband (DBV), dem Verband der Fleischwirtschaft (VDF) und dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) verfasst wurden steht, dass neben Verbraucherschutz auch Tierschutz zu gewährleisten ist. Man wolle die Entwicklung eines alternativen Verfahrens zur üblichen Kastrationsmethode unterstützen, um jegliches Risiko für Verbraucher und Tiere auszuschließen, um gänzlich auf die Kastration zu verzichten. Weiterhin bietet man in der Düsseldorfer Erklärung dem Tierschutzbund an, sich an der Überprüfung und Weiterentwicklung geeigneter Methoden mit zu beteiligen.

Was hat man bisher „erreicht“? 4 Möglichkeiten der Ferkelkastration werden diskutiert: Methode 1: Die „Ebermast“. Eberfleisch stinkt!! Zwar merken das z.B. die Spanier gar nicht, und die Engländer nur wenig, aber wir Deutschen haben sehr empfindliche Nasen diesbezüglich. Dazu gibt es Untersuchungen. Ein Nachteil der Ebermast sind „hyperaktive“ Jungeber, die Buchtengenossen massiv durch z.B. Aufspringen belästigen: Kampfspuren mit massiven Hautverletzungen und Penisverletzungen treten gehäuft auf. Tierschutz: kann nicht gewährleistet werden.  Der zweite Weg ist die „Isoflurannarkose“ als Möglichkeit zur Schmerzlinderung (-ausschaltung). Weit gefehlt. Auch hier hat das „arme“ männliche Ferkel mehr Stress und „Pein“. Nicht nur der Autor möchte diese Methode nicht und wundert sich, warum Isofluran, z.B. in Biobetrieben, überhaupt zur Anwendung kommen darf. Ist dies nicht eine Umwidmung, die fachlich nicht gerechtfertigt ist? Was sagt die Veterinäraufsicht dazu?
Die 3. Methode, die zweimalige Injektion der Mastschweine mit einem Arzneimittel namens Improvac, wird bereits seit vielen Jahren z.B. in Australien angewandt. Dadurch wird die Hodenentwicklung aufgrund einer Antikörperbildung gehemmt, was den unangenehmen Ebergeruch ausschaltet. Dieser Impfstoff regt das Immunsystem des Schweines zur Bildung spezifischer Antikörper gegen den Gonadotropin-Releasing-Faktor (GnRF) an (vereinfacht ausgedrückt=Eberimpfung).
Die Lokalanästhesie, als „4. Weg“, wird von der Landwirtschaft als der ideale Weg favorisiert. Der Bayerische Bauernverband (BBV) hat Ende Juni 2018 die bayerischen Schweinehalter angeschrieben und u. a. das Unverständnis der Ablehnung des „4. Weges“ der Ferkelkastration thematisiert – denn „die Landwirtschaft“ will den „4. Weg“ mit aller Macht durchsetzen. Er ist nun mal der billigste Weg für die Landwirtschaft. Der Landwirt führt diese Operation ohne den Tierarzt durch und spart dadurch eine Menge Geld. Für die lokale Injektionsnarkose braucht man allerdings letztendlich 5 Injektionen, wie es in einer landwirtschaftlichen Zeitschrift veröffentlich wurde. Zwei Spritzen pro Hoden und eine Schmerzspritze. Mir graut bei dieser Methode. Das ist für jedes Ferkel sehr schmerzhaft, wie Untersuchungen mittels Kortisolmessungen zeigten; viel schmerzhafter als eine betäubungslose Kastration!!! Universitäten, Tierarztverbände, wie der bpt und die BTK, ebenso Fachtierärzte für Schweine und viele andere Fachleute haben sich vehement gegen diesen „4.Weg“ ausgesprochen. Mit Tierschutz habe das nichts zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Allerdings übergehen viele Bauernverbände die ablehnende Haltung tierärztlicher Gremien (BTK, bpt) und IUniversitäten, die sich eindeutig aus Tierschutz- und rechtlichen Gründen gegen den „4. Weg“ der betäubungslosen Ferkelkastration ausgesprochen haben. Darf man die Frage stellen, ob Tierärzte und besonders Fachtierärzte für Schweine dem BBV „untergeordnet“ sind? Sind die vielen Fachtierarztmeinungen und universitären Stellungnahmen zum 4. Weg für den BBV nicht gültig? Ist der Bauernverband auch ein tierärztliches Gremium mit tierärztlicher Ausbildung und tierärztlicher Fachkompetenz? Wie kann dieser sich so einfach über die tierärztliche Kompetenz hinwegsetzen? Haben Tierärzte denn jegliche Lobby verloren? Interessiert den Bauernverband nicht das Wissen und die begründet kritischen Aussagen der Schweinefachtierärzte? Nimmt der Bauernverband die Fachtierärzte für Schweine überhaupt nicht ernst? Stehen andere Interessen vor dem Tierschutz? Vielen Fragen ergeben sich daraus. Auch der Bauern- und Winzerverband in Rheinland-Pfalz fordert den „4. Weg“. Jedoch widerspricht die rheinland-pfälzische Agrarministerin, Ulrike Höfken, und nennt den „4.Weg“ bei der Ferkelkastration eine Scheinlösung, die den Bauern nicht helfe. Sie sagt weiter, dass es für den „4. Weg“ kein dafür zugelassenes Tierarzneimittel auf dem deutschen Markt gäbe. Die letzten Jahre hätte man in RP nutzen sollen, um tierschutzkonforme Lösungen vorzubereiten und zu etablieren. Rechtliche und praktische Voraussetzungen für den „4. Weg“ würde es in Deutschland nicht geben, so die Aussage der Ministerin in einer Presseerklärung ihres Ministeriums am 6. Juli 2018.
Fakt ist, die Politik lässt Tierärzte und Landwirte in dieser Sache allein. Wissenschaftliche Untersuchungen aller Universitäten kommen zu dem Ergebnis, dass bei der Ferkelkastration mit Procain keine ausreichende Schmerzausschaltung bei dem „vierten Weg“ erreicht wird. Damit erfüllt dieses Verfahren eindeutig nicht die Vorgaben des Tierschutzgesetzes. Ein Arzneimittel, das diesen hohen Anforderungen der lokalen Anästhesie bei der Kastration genügt, existiert derzeit noch nicht. Die zusätzlich zugefügten Schmerzen und das zusätzliche Leiden der Ferkel wurden bereits angesprochen. Wir brauchen Forschungen und Forschungsergebnisse, die neue und tiergerechte Möglichkeiten der Ferkelkastration aufzeigen. Und dafür brauchen wir die Politik, die Forschungsaufträge vergibt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Termin des Verbots zum 1.1.2019 nach hinten zu schieben.
POLITIK: Bitte bitte tut etwas und schiebt den Termin 31.12. 2018 nach hinten!!!. So lange, bis wissenschaftlich begründete Kastrationsmethoden entwickelt sind, die dem Sinn des Gesetzes, nämlich aktiver Tierschutz, gerecht werden. Alles andere ist Makulatur und hat nichts mit Tierschutz zu tun. Im Gegenteil – das Leid der männlichen Ferkel wird schlimmer. Leider haben Verantwortliche die Selbstverpflichtungen der Düsseldorfer Erklärung von 2008 erst mal (seit nahezu 10 Jahren) „auf Eis“ gestellt

Die Meinung des Autors, Fachtierarzt für Schweine, Agrarwissenschaftler, Gründer und Leiter einer Fortbildungsakademie für Tierärzte und Landwirte ist eindeutig: „Die Ferkelkastration innerhalb der ersten drei Lebenstage mit gleichzeitiger „Schmerzspritze“ ist nach seinem Dafürhalten (und vielen anderen Fachleuten der Veterinärmedizin) momentan die geeignetste Methode, die den Vorgaben „Tierschutz“ am nächsten kommt (so lange bis geeignete praktische Alternativen zur Verfügung stehen). Zur Erinnerung: früher wurde ohne Betäubung nicht unter einem Ferkelalter von sechs Wochen kastriert (betäubungslos!). Das war Quälerei für Tier und Mensch.
Ernst-Günther Hellwig, Fachtierarzt für Schweine und Agrarwissenschaftler

Zur Information: Die AVA ist eine Fortbildungsgesellschaft mit dem Ziel der Aus- und Weiterbildung und der Verteilung von Informationen für den landwirtschaftlichen und tiermedizinischen Bereich. Gleichzeitig ist die AVA ein Forum für Landwirte und Tierärzte, das die Herausforderungen der Produktion gesunder Nahrungsmittel in den nächsten Jahrzehnten in den Blick nimmt.

»Ziel der Agrar- und Veterinär-Akademie ist es, die Probleme der modernen, nachhaltigen Landwirtschaft und Tierhaltung zu erörtern. Wir wollen gemeinsam Wege finden, um tiergerecht, praxisbezogen und verbraucherorientiert zu arbeiten« Ernst-Günther Hellwig, Gründer und Leiter der AVA, Steinfurt, Burgsteinfurt
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