Workshopreihe Einschnitte – Einblicke, Thema „Extremitäten, Bewegungsapparat“
(Stuttgart/Tübingen) – Die Workshop-Reihe „Einschnitte – Einblicke: Medizintechniker und Ärzte. Im Dialog. In der Anatomie.“ wurde im Februar 2019 mit dem Thema „Extremitäten, Bewegungsapparat“ fortgesetzt. In Live-OP-Übertragungen sowie praktischen Übungen im OP des Instituts für Klinische Anatomie und Zellanalytik erhielten Medizintechniker die Gelegenheit, mit Ärztlichen Direktoren und Oberärzten zu diskutieren und gemeinsam neue Ideen für Instrumente und Verfahren zu entwickeln. Der aktuelle Workshop zeigte unter anderem die Herausforderung, Gelenk- und Knochendefekte bei älteren Menschen zu operieren. Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung, allein in Deutschland sind über 17 Millionen Menschen über 65 Jahre alt, gaben die Mediziner den Medizintechnikern einige Hausaufgaben mit.
„Dies ist eine Einladung! Diskutieren Sie mit uns! Wir müssen hier nicht zeigen, wie gut wir sind. Wir zeigen hier, welche Defizite und Schwierigkeiten es gibt. Damit Sie Vorschläge machen, um es Patienten zukünftig leichter zu machen.“ Prof. Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Urologie Tübingen sowie Leiter des Interuniversitären Zentrums für Medizinische Technologien Stuttgart – Tübingen (IZST) begrüßte die Ingenieure und Entwickler aus der Medizintechnikbranche mit klaren Worten. Gemeinsam mit dem Gastgeber Prof. Dr. Bernhard Hirt, Ärztlicher Direktor des Instituts für Klinische Anatomie und Zellanalytik, führte er die Teilnehmer durch einen Nachmittag mit höchst spannenden Einschnitten und Einblicken.
Beim fünften Workshop stand das Thema „Extremitäten, Bewegungsapparat“ auf der Agenda. An den OP-Tischen in der Anatomie waren mehrere typische Fälle aus der Praxis vorbereitet: Arthrose im Knie, Riss des Handgelenkbandes (SL-Band) sowie Endoprothesen (Implantat) für das Knie. Während Ärzte aus den verschiedenen Fachrichtungen am OP-Tisch die Eingriffe – und die damit verbundenen Schwierigkeiten – vorführten, diskutierten die Ärztlichen Direktoren live mit den Teilnehmern vor Ort sowie mit den via Live-Stream Zugeschalteten. Mit Prof. Dr. Christian Bahrs, Leitender Oberarzt der Traumatologie und Rekonstruktiven Chirurgie, Prof. Dr. Stephan Clasen, Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie, Prof. Dr. Adrien Daigeler, Ärztlicher Direktor der BG-Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie und Prof. Dr. Nikolaus Wülker, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Orthopädie, war die Runde wieder hochkarätig mit Spezialisten der Universitätsklinik Tübingen besetzt.
Individuelle Knochenhebel
Eine Knie-Arthrose kann durch Fehlstellung der Gelenkwinkel oder durch eine übermäßige Belastung der Gelenke entstehen. Die Chirurgen demonstrierten live, wie die Achse im Knie verändert werden kann, um den Knorpel zu entlasten. Für diesen Eingriff wird vorab, anhand von Röntgenaufnahmen, die Achsabweichung exakt vermessen und die Winkelkorrektur berechnet. Im OP muss der Chirurg dann zunächst mit Hilfe eines Raspatoriums vorsichtig das Weichteilgewebe vom Knochen abschaben und das Periost, die Knochenhaut, zur Seite schieben, um das Operationsfeld freizulegen. Mit Hilfe eines Hohmann-Knochenhebels wird der Knochen aufgehebelt, um anschließend mit einem „Angelwing“ den Winkel festzulegen, indem Schienbein oder Oberschenkelknochen mit einer Knochensäge durchtrennt werden. Schließlich wird der Knochen mit einer Platte und Schrauben neu fixiert. Die Operateure demonstrierten dabei sehr eindrucksvoll, dass zwar im Vorfeld des Eingriffs alle relevanten Größen millimetergenau ermittelt werden, dass es dann am OP-Tisch letztlich doch vor allem auf die Erfahrung und die Intuition des Chirurgen ankommt, der diese Ergebnisse auf den Patienten anwendet. Daher streben die diskutierenden Fachärzte an, die Erkenntnisse aus der präoperativen Diagnostik künftig mithilfe von Robotertechnologie und digitaler Navigation an den Operationstisch zu übertragen. Außerdem bestand Konsens in der Runde, dass einerseits die verwendeten Instrumente, die teilweise schon vor Jahrzehnten entwickelt wurden, gut etabliert und funktionabel sind, andererseits aber die individuelle Anpassung von Knochenhebeln und Platten an den Patienten höchst wünschenswert wäre.
Die Behandlung einer Läsion des SL-Bandes im Handgelenk zeigte wieder einmal die Notwendigkeit der Miniaturisierung und Flexibilisierung von Instrumenten. Die Chirurgen müssen sich bei der Arthroskopie mit Instrumenten und Kamera in einem winzigen, sehr unübersichtlichen Bereich der Hand orientieren. Intensives Training der Operateure mit den Instrumenten ist daher enorm wichtig.
Stärkere Verbindungen
Als besondere Herausforderung gilt das Alter der Patienten: Je älter ein Patient ist, desto dünner ist die Haut, die sich nach einer Operation entsprechend schwer über der Wunde vernähen lässt. Bei der Osteosynthese, also dem Zusammenfügen der Knochen z. B. nach einer Sprunggelenksverletzung, erweisen sich die Knochen hoch betagter Patienten häufig als morsch und brüchig. Zangen anzusetzen oder Schrauben und Platten zu fixieren, gelingt dann nicht immer zufriedenstellend. Instrumente, die für junge und gesunde Knochen entwickelt wurden, sollten daher beispielsweise mit breiteren Auflageflächen produziert werden, damit der punktuelle Druck nicht zu hoch wird. Neben solchen Anforderungen an die Medizintechnik-Entwickler, zeigten die Ärzte in der Diskussion auch die Grenzen der Technik auf: Letztlich müssen Lösungen gefunden werden, um die Gelenke und Knochen vor den Auswirkungen von Arthrose und Osteoporose bereits im Vorfeld zu schützen, damit sie operabel bleiben. Dies gilt auch für Endoprothesen in Knie oder Hüfte, die sich im Laufe der Jahre im Körper weniger abnutzen als sich lockern, weil die Knochen nicht mehr ausreichend Halt bieten.
Die BioRegio STERN Management GmbH veranstaltete auch diesen Workshop gemeinsam mit dem Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik in Kooperation mit dem Interuniversitären Zentrum für Medizinische Technologien Stuttgart – Tübingen (IZST) und dem Verein zur Förderung der Biotechnologie und Medizintechnik e. V. „Extremitäten, Bewegungsapparat“ war bereits die fünfte Veranstaltung der erfolgreichen Reihe, die inzwischen für viele Medizintechnikunternehmen aus der Region zum Pflichttermin geworden ist. „Die Teilnehmer bestätigen uns immer wieder, dass sie hier außergewöhnliche Einblicke erhalten und die Möglichkeit, über den Tellerrand hinaus zu schauen“, erklärte Dr. Klaus Eichenberg. Der Mitveranstalter und Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH kündigte nicht nur zwei weitere reguläre Workshoptermine an, er konnte außerdem berichten, dass im September im Rahmen des EU-Förderprojektes S3martMed eine internationale Ausgabe des Formats veranstaltet wird.
Save-the-Date! Die nächsten Workshop-Termine von Einschnitte – Einblicke:
Intelligente Dauerimplantate: 3. Juli 2019
S3martMed: Einschnitte – Einblicke International: 19. September 2019
Endoskopie, Robotik in Diagnostik, Chirurgie: 5. Februar 2020
Rumpf, Wirbelsäule, Spinales Segment: 1. Juli 2020
Über die BioRegio STERN Management GmbH:
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Die BioRegion STERN zählt zu den großen und erfolgreichen BioRegionen in Deutschland. Alleinstellungsmerkmale sind die bundesweit einzigartige Mischung aus Biotechnologie- und Medizintechnikunternehmen sowie die regionalen Cluster der Automatisierungstechnik, des Maschinen- und Anlagenbaus.
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Bildquelle: Michael Latz/BioRegio STERN