Ernährungsforschung ohne Substanz

Studien taugen nicht für Empfehlungen

sup.- Fast täglich wird die Menschheit mit Studien zur Ernährung und darauf aufbauenden Empfehlungen traktiert. Dazu stellt Prof. Dr. John Ioannidis fest: „Es gibt etwa eine Million Ernährungsstudien, zehntausende Forscher arbeiten auf diesem Gebiet und veröffentlichen wie verrückt. Fast jeden Tag erscheint ein neues Paper, das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht stimmt.“ Prof. Ioannidis ist ein international renommierter Experte für Metaresearch, also die Bewertung der Qualität von Forschung. Er kritisiert zweifelhafte Messmethoden, die falsche Interpretation von schlichten Beobachtungsstudien und Fragestellungen, mit denen komplexe Zusammenhänge unzulässig vereinfacht werden. Aus seiner Sicht sind rund 85 Prozent der jährlich in die Gesundheitsforschung investierten Gelder schlicht verschwendet.

Eine ähnlich kritische Position hat Prof. Dr. Peter Stehle, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Er stellt fest, dass die Ernährungsforschung nicht genügend wissenschaftliche Evidenz liefern kann. Formulierungen wie gesund und ungesund, so Stehle, seien falsch, weil sie den Eindruck erwecken würden, das eine darf ich, das andere nicht. In der Ernährungsforschung, so führt er aus, dürfe es kein schwarz und weiß geben, auch wenn viele das gerne hätten. Und zum Einfluss der Ernährung auf die Verfassung des Menschen stellt er unmissverständlich fest: „Das lässt sich nicht quantifizieren. Niemand weiß das.“ Auch zum Thema Körpergewicht hat Prof. Stehle eine überzeugende Empfehlung: „Wenn ich weniger Energie verbrauche, muss ich dann halt weniger essen.“

In seinem Buch „Schluss mit Essverboten“ (Plassen-Verlag) fordert deshalb der Wissenschaftsjournalist Detlef Brendel eine neue Qualität der Gesundheitsdiskussion. Er kritisiert die Inflation von angeblich gesunden Ernährungsempfehlungen ohne wissenschaftlich solide Basis, die Verteufelung einzelner Nahrungsmittel und sogar einzelner Bausteine von Nahrungsmitteln sowie die gezielten Manipulationen von denjenigen, die mit der Ernährungs-Hysterie ihre Geschäfte machen.

Gesundheit wird primär durch den gesamten individuellen Lebensstil und durch genetische Disposition geprägt. Die Ernährung ist dabei nur ein Segment des Lebensstils. Sie setzt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Nahrungsmittel zusammen. Diese wiederum bestehen aus einem breiten Spektrum von Inhaltsstoffen. Einen einzelnen dieser Inhaltsstoffe isoliert als verantwortlich für die Gesundheit zu definieren, so Brendel, macht schon allein nach den Grundsätzen der Logik keinen Sinn. Die Reglementierung der Ernährung, bei der die Inhaltsstoffe Zucker, Fett und Salz im Fokus stehen, kann deshalb die Komplexität des Lebensstils nicht lösen. Besonders trifft dies auf die Diskussion des Übergewichts zu, bei der beispielsweise das relevante Thema Bewegung gezielt ausgegrenzt wird. So wird die Komplexität des Lebensstils unzulässig vereinfacht, um zu den gewünschten Empfehlungen zu kommen. Nach den Kriterien von Prof. Ioannidis gehören solche Studien in den Müll.

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