Das Finanz-Casino schließen! Erklärung des Attac-Ratschlags am 12. Oktober 2008

© Gerd Altmann / PIXELIO

(BSOZD.com-NEWS) Düsseldorf. Seit mehr als einem Jahr tobt die Krise an den Finanzmärkten. Wann immer es heißt, das Schlimmste sei überstanden, folgt kurze Zeit später der nächste Bank-Kollaps, die nächste verzweifelte Rettungsaktion durch eine Zentralbank, der nächste Börsen-Absturz. Diese Krise ist die schwerste Krise des Kapitalismus seit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Es handelt sich nicht um eine reine Finanzkrise – wir stehen mittlerweile vor einer schweren Weltwirtschaftskrise und mitten in einer tiefen sozialen und gesellschaftlichen Krise. Aktuell zeigt sich das krisenhafte kapitalistische System wieder einmal als unbeherrschbar. Diese Krise ist keine Naturkatastrophe. Vordergründig ist sie die Folge des Platzens der Immobilienblase in den USA und des Zusammenbruchs der Kreditpyramide, die die Banken in den letzten Jahren aufgebaut haben. Doch ist sie eben auch das Ergebnis eines Systems, in dem der gesellschaftliche Reichtum in Form von Kapital auf der Jagd nach Rendite um die Welt zirkuliert. Sie ist Folge der globalen Ungleichgewichte, die sich in den letzten Jahren immer weiter verschärft haben. Sie ist begründet in einer Politik, die bewusst die Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte vorangetrieben hat. Und sie ist die Folge der Umverteilung von unten nach oben, die überhaupt erst diese Art der Konzentration von Vermögen ermöglicht hat. 

Über eine Billion Dollar mussten von den Banken bereits abgeschrieben werden, die Investmentbanken sind vom Erdboden verschwunden, das restliche Bankensystem ist tief erschüttert. Weltweit fallen die Aktienkurse. Aber die wahren Betroffenen sind andere. Es sind unzählige AmerikanerInnen, die ihre Häuser oder Renten verloren haben. Es sind Millionen ArbeitnehmerInnen auf der ganzen Welt, die ihren Job verlieren werden. Es sind die Menschen in den Entwicklungsländern, die durch die drohende Weltwirtschaftskrise besonders hart getroffen werden. Und es ist die ganze Gesellschaft, die gigantische Summen in die Rettung von Banken stecken muss, während für das öffentlich Notwendige weiter das Geld fehlen wird.

Das endgültige Ausmaß der Krise ist noch immer nicht klar. Aber schon jetzt ist klar: Die Zeit ist reif für einen Systemwechsel. Wir dürfen die Politik nicht damit davon kommen lassen, die Akteure des Finanzmarktkapitalismus in einen Zustand zu versetzen, das Spiel von neuem zu beginnen. Technische Reparaturen reichen nicht. Es ist Zeit für eine Wende. Die Menschen sind nicht länger bereit, den Irrsinn eines Systems zu ertragen, in dem steigender gesellschaftlicher Reichtum destruktive Krisen auslöst. Die Chance ist jetzt da, den Finanzmarktkapitalismus zu Grabe zu tragen! Dafür wird Attac mit allen Bündnispartnern für eine gesellschaftliche Bewegung mobilisieren.

Wir fordern:

Die Verursacher müssen zahlen!

Überall werfen derzeit die Regierungen das Geld der Steuerzahler den Banken in den Rachen, um den Kollaps des Bankensystems abzuwenden. Wir werden nicht akzeptieren, dass die Rettungsaktionen nun zu Lasten der sozial Benachteiligten oder der sozialen Infrastruktur gehen. Die Verursacher müssen zahlen. Wir fordern daher eine einmalige Sonderabgabe auf große Vermögen, um die Kosten der Krise zu finanzieren. Banken, denen der Staat mit öffentlichem Geld hilft, müssen durch eine Verstaatlichung auch unter öffentliche Kontrolle gestellt werden.

Die Banken entmachten!

Die Banken haben sich auf der Suche nach immer höheren Renditen von einer Dienstleistungsrolle für die Realwirtschaft gelöst und mit ihren Geschäften den Kollaps des ganzen Finanzsystems riskiert. Als Schlüsselbranche im Kapitalismus gehören sie unter öffentliche Kontrolle. Dabei geht es nicht darum, nur bankrotte Banken zu verstaatlichen, sondern gerade darum, finanzstarken Instituten demokratische Kontrollmechanismen aufzuzwingen. Daneben muss das öffentliche und genossenschaftliche Bankensystem gestärkt werden. Finanzmärkte kontrollieren – ihre Macht brechen Die Politik der letzten Dekaden hat bewusst zugelassen, dass sich große Teile der Finanzmärkte fernab jeglicher Kontrolle entfalten konnten. Die Entstehung eines Schattenbankensystems wurde nicht verhindert, der Entstehung neuer, gefährlicher Finanzinstrumente tatenlos zugesehen. Attac fordert, das Schattenbankensystem aus Hedge-Fonds, Zweckgesellschaften und anderen unregulierten Finanzakteuren muss verboten werden. Ein Finanzmarkt-TÜV muss eingerichtet werden, der neue Finanzinstrumente standardisiert und prüft, bevor diese gehandelt werden dürfen. Mit der Besteuerung aller Arten von Finanztransaktionen (inklusive von Devisentransaktionen) wollen wir Spekulation reduzieren und die Kurzfristorientierung der Finanzmärkte schwächen. Neben diesen Maßnahmen müssen die Finanzmärkte durch eine radikale Umverteilung geschrumpft werden.

Steueroasen schließen

Die Steueroasen spielen nicht nur bei der Steuerhinterziehung eine wichtige Rolle, sondern sind auch zentral für das Funktionieren des globalen Finanzmarkt-Casinos. Hier wurden unter Umgehung nationaler Regulierung Fonds aufgesetzt oder Zweckgesellschaften der Banken gegründet. Die Steueroasen müssen endlich geschlossen werden. Das Öffentliche den Finanzmärkten entziehen! Wer diese Krise ernst nimmt, kann nur die Konsequenz ziehen: Die öffentliche Daseinsvorsorge muss der Willkür und dem irrationalen Herdentrieb privater Investoren entzogen werden, und allein aus Gemeinwohlinteresse betrieben werden. Darum darf es keine weiteren Privatisierungen geben. Die Privatisierung der Bahn muss endgültig vom Tisch, der Gesundheitsfond und die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme zurückgenommen werden. Insbesondere die Riester-Rente, die mit zur Aufblähung der Finanzmärkte beigeträgt, muss durch eine solidarische Bürgerversicherung ersetzt werden.

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Die Krise sozial bewältigen!

Unzählige Menschen werden in der kommenden Zeit von Arbeitslosigkeit und sozialer Verunsicherung betroffen sein. Während die Politik den Banken hilft, bleibt sie tatenlos, was die Folgen der Krisen für die Menschen betrifft. Wir fordern ein energisches Eingreifen, ein ökologisches Umbauprogramm und massive Investitionen in die soziale Infrastruktur, um die konjunkturellen Folgen sozial abzufedern.

Es ist deutlicher als je zuvor, dass wir grundsätzliche Alternativen zum derzeitigen Wirtschaftssystem brauchen. Diese Forderungen sind deshalb nur einen Anfang – ein Startschuss für einen offenen Prozess, in dem wir solche Alternativen im Dialog mit allen progressiven Kräften entwickeln wollen.

In den nächsten Wochen und Monaten wollen wir die Öffentlichkeit für eine andere Politik mobilisieren. Zum Auftakt ruft Attac zu einer Protestkundgebung vor dem Bundesfinanzministerium am 30. Oktober um 17 Uhr auf. Unter dem Motto „Die Verursacher sollen selbst zahlen, holt das Geld von den Reichen“ werden wir Steinbrück auf die Pelle rücken.

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Frauke Distelrath
Pressesprecherin Attac Deutschland
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