Urteile zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr sind teils unsauber
(Düsseldorf/Frankfurt, 19. Februar 2010) Bei einer Anklage oder einem Urteil wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr kann sich eine besonders kritische Prüfung lohnen. Nicht selten lässt die Justiz hier die erforderliche Genauigkeit vermissen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob jetzt wieder ein Urteil auf, weil das Merkmal des Beinahe-Unfalls von der Vorinstanz unzureichend gewürdigt wurde. Darauf weist das Verkehrsrechtsportal straffrei-mobil.de hin.
„Wenn ich dich fahren sehe, fahre ich drauf zu, auch wenn wir beide in den Himmel kommen“, hatte ein Mann seiner ehemaligen Lebensgefährtin angekündigt. Tatsächlich lenkte er seinen Wagen auf die Gegenfahrbahn, als er den Wagen seiner Verflossenen erkannte. Das Landgericht verurteilte ihn wegen eines vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Strafgesetzbuch (StGB).
Die Bundesrichter hoben das Urteil auf und bemängelten, das Landgericht habe nicht genügend dargelegt, dass es zu einer kritischen Situation im Sinne eines Beinahe-Unfalls gekommen sei. Die Feststellung, dass sich beide Fahrzeuge in enger räumlicher Nähe befunden haben, reiche dafür allein nicht aus. Der nach der herrschenden Rechtsprechung für eine Verurteilung notwendige Beinahe-Unfall setze eine Situation voraus, die so kritisch sei, dass es aus der Sicht eines unbeteiligten Beobachters nur vom Zufall abhängt, dass es nicht zum Unfall kommt. Dies sei aber nicht der Fall, wenn das Opfer noch ohne Weiteres ausweichen konnte. Zwar kommt dann immer noch eine Bestrafung wegen versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr infrage, doch muss dazu der Täter bei seinem Handeln die schwere Unfallfolge bewusst in Kauf nehmen. Das war im vorliegenden Fall nicht so, denn der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung glaubhaft erklärt, dass er keinen konkreten Unfall mit schwerwiegenden Folgen verursachen wollte (Az.: 4 StR 373/09).
Im Jahr 2005 hatte der BGH in einer „Grundsatzentscheidung“ speziell für Vorgänge im fließenden Verkehr ausgeführt, dass es für die Annahme eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht ausreiche, wenn der Täter lediglich mit Gefährdungsvorsatz auf eine Person – hier handelte es sich sogar um einen Polizeibeamten – zufahre. Hinzu kommen müsse der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs in verkehrswidriger Absicht, sodass der Wagen mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz als Waffe missbraucht werde (Az.: 4 StR 292/05).
Ein Ansatz für die Verteidigung in vergleichbaren Fällen wäre außerdem darin zu sehen, dass der Angeklagte, der auf ein anderes Fahrzeug zuhält, dann aber noch durch Ausweichen eine Kollision beider Fahrzeuge verhindert, mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch der Tat zurückgetreten ist. Übrig bliebe dann noch eine mögliche Strafbarkeit wegen Nötigung.
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