AG Finanzen

Berlin (pressrelations) –

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Fortsetzung der Klientelpolitik statt Umsetzung von EU-Recht

Zur heutigen abschliessenden Beratung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Aenderung steuerlicher Vorschriften erklaert die zustaendige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion Sabine Baetzing:

Der unspektakulaere Titel verdeckt die Tragweite des Artikelgesetzes, mit dem sich CDU/CSU und FDP – wie schon bei der Umsatzsteuerermaessigung fuer Beherbergungsleistungen – ueber gravierende Bedenken der Sachverstaendigen ebenso hinwegsetzen wie ueber zahlreiche Aenderungsvorschlaege der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat.

Die Einschraenkung der Umsatzsteuerfreiheit von Post-Universaldienstleistungen wird einschneidende negative Konsequenzen fuer den deutschen Postmarkt haben. Die steuerliche Foerderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen, die durch Entgeltumwandlung finanziert werden, schwaecht den dringend notwendigen Aufbau der betrieblichen Altersversorgung. Und die Ruecknahme weiterer Massnahmen zur Gegenfinanzierung der Unternehmenssteuerreform 2008 beschert Bund, Laendern und Gemeinden zusaetzliche Steuerausfaelle in Hoehe von
1,7 Milliarden Euro/Jahr.

Nach der Liberalisierung des deutschen Postmarktes besteht unstreitig gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Bereich des
Post- wie des Steuerrechts. Die Ausdehnung der geltenden Umsatzsteuerbefreiung auf alle Unternehmer, die sich verpflichten, die Gesamtheit oder Teile des Post-Universaldienstes in Deutschland flaechendeckend anzubieten, ist europarechtlich zwingend und deshalb uneingeschraenkt zu begruessen. Allerdings wurde spaetestens in der Anhoerung des Finanzausschusses erkennbar, dass die im Wettbewerb mit der Deutsche Post AG stehenden Anbieter weder an einer Erbringung des Universaldienstes noch an der dafuer gewaehrten Steuerfreiheit interessiert sind. Ihr offen formuliertes Ziel ist, die Umsatzsteuerfreiheit in einem ersten nationalen Schritt auf die Privatkundenpost zu beschraenken.
Anschliessend soll die schwarz-gelbe Bundesregierung in Bruessel auf eine Aenderung der europaeischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie dringen, um kuenftig saemtliche Postdienstleistungen umsatzsteuerpflichtig zu machen.

Nicht verwundern kann es daher, dass CDU/CSU und FDP den Umfang der Steuerfreiheit in zweifacher Hinsicht einschraenken, was die Sachverstaendigen fast einhellig als gemeinschaftsrechtswidrig ablehnten. Fuer Universaldienstleistungen, die der deutsche Gesetzgeber ueber das nach EU-Postrecht zwingende Mindestangebot hinaus festlegt, soll die Steuerbefreiung entfallen. Dies betrifft beispielsweise den Versand von Paketen zwischen zehn und zwanzig Kilogramm. Andererseits soll die Steuerfreiheit auf Universaldienstleistungen begrenzt werden, die „fuer den durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushalts bestimmt sind“, wodurch insbesondere Massensendungen steuerpflichtig werden. Die Koalition ignoriert damit die Notwendigkeit einer leistungsfaehigen flaechendeckenden Postinfrastruktur fuer die postalische Grundversorgung aller Nutzer, also auch der Unternehmen, Behoerden und gemeinnuetzigen Koerperschaften.
Gerade letztgenannte Absender, die regelmaessig auf eine bundesweite Zustellung angewiesen sind, werden zum Juli 2010 mit drastischen Preissteigerungen konfrontiert werden.

Wie die Bundesregierung unter diesen steuerlichen Rahmenbedingungen kuenftig den Post-Universaldienst in Deutschland im Sinne auch des Artikel 87f des Grundgesetzes gewaehrleistet kann, bleibt das Geheimnis von CDU/CSU und FDP.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird jedenfalls genau beobachten, ob den Einschraenkungen der steuerlichen Foerderung als naechster – quasi folgerichtiger – Schritt ein Versuch der schwarz-gelben Koalition folgen wird, die Qualitaetsanforderungen der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) auf das Privatkundensegment zu begrenzen.

Im Uebrigen setzt die Union ihre Taktik fort, missliebige Teile der in der Grossen Koalition gemeinsam mit der SPD beschlossenen Unternehmenssteuerreform 2008 wieder rueckgaengig zu machen.
Dies betrifft erwartungsgemaess die Massnahmen zur Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und damit die Gegenfinanzierung der damaligen Senkung des Koerperschaftsteuersatzes. Mit dem vorliegenden Gesetz werden die Unternehmen im Umfang von jaehrlich 1,7 Milliarden Euro entlastet, wovon mehr als 650 Millionen Euro/Jahr Mindereinahmen auf die kommunalen Haushalte entfallen. Allerdings bestreitet die schwarz-gelbe Koalition vehement die Aufkommenswirkung ihrer Neuregelungen der Besteuerung der Funktionsverlagerung und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei Leasing und Factoring und erklaert die kommunalen Spitzenverbaende damit insoweit fuer unglaubwuerdig.

Die Vertreter der Regierungsfraktionen hatten keine Bedenken, diese Rechtsaenderungen erst zur Anhoerung des Finanzausschusses in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Im Gegensatz dazu verwies man die SPD-Bundestagsfaktion hinsichtlich ihrer – vom Bundesrat unterstuetzten – Forderung nach einer Rechtsaenderung zur Umsatzsteuerbetrugsbekaempfung im Schrott- und Altmetallhandel sowie im Gebaeudereinigungshandwerk auf ein spaeteres Gesetzgebungsvorhaben.

Nur erwaehnt sei abschliessend noch, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung in Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH die Abziehbarkeit von Spenden an gemeinnuetzige Einrichtungen in anderen EU-Mitgliedstaaten regelt. Allerdings nur materiell, wie sie auf nachdrueckliche Kritik des Bundesrates an der fehlenden „Praxistauglichkeit“ zugab und auf kommende Eroerterungen mit den Landesfinanzbehoerden ueber Verfahrensregelungen verwies.

Serioese Gesetzgebung sieht anders aus.

2010 SPD-Bundestagsfraktion – Internet: http://www.spdfraktion.de