Zur aeusserst engen Zeitplanung von der Leyens bei der Umsetzung
des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu den Regelsaetzen
erklaeren die arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion Anette Kramme und die zustaendige
Berichterstatterin Gabriele Hiller-Ohm:
Der Zeitplan von der Leyens fuer das Gesetzesvorhaben ist eine
Farce. Offenbar hat sie zu viel Zeit mit Namensfindung und
Chipkartentraeumen verschwendet. Die Mitwirkungsrechte des
Parlaments werden Makulatur, die avisierte Expertenanhoerung
eine Posse.
Seit dem 9. Februar gibt es ein Urteil. Zum 1. Januar 2011 muss
zwingend eine neue Regelung gelten. Erst in der letzten
Oktoberwoche soll die 1. Lesung des Gesetzes im Bundestag
kommen, dann eine Anhoerung der Verbaende und Sachverstaendigen
am 29. November. Bereits zwei Tage spaeter soll die Beratung im
zustaendigen Ausschuss fuer Arbeit und Soziales beendet sein,
damit der Bundestag am 3. Dezember das Gesetz mit der
Abnick-Mehrheit von Union und FDP in 2./3. Lesung passieren
laesst. Inwiefern die Hinweise und Vorschlaege der Experten
innerhalb von zwei Tagen zwischen Anhoerung und Abschluss
sinnvoll aufgegriffen werden sollen, bleibt schleierhaft. Ganz
offensichtlich geht es Ministerin von der Leyen weniger um
Erkenntnisse, sondern nur um Bekenntnisse. Zudem koennen die
Sachverstaendigen bisher auch keine konkrete Expertise
entwickeln, weil bis heute nicht klar ist, welche Daten Frau von
der Leyen ueberhaupt fuer die kuenftige Regelsatzberechnung
verwenden will.
Mit seiner Entscheidung vom 9. Februar hat das BVerfG nicht nur
inhaltliche Anforderungen an die Regelsaetze definiert, sondern
auch eindeutige Auftraege hinsichtlich des Verfahrens erteilt:
„Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle
existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem
transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem
tatsaechlichen Bedarf, also realitaetsgerecht, zu bemessen“
(Randnummer 139 des Urteils). Damit das Parlament diesen Auftrag
umsetzen kann, muss das BMAS fuer eine transparente Datenlage
sorgen. Zudem duerfen durch die Auftraege an das Statistische
Bundesamt zur EVS 2008 keine Vorentscheidungen getroffen werden,
sondern es muessen im Gesetzgebungsverfahren unterschiedliche
Entscheidungen (Welche Haushalte werden aus der Datenbasis
heraus gerechnet? Welche Referenzgruppe wird als Massstab fuer
existenzsichernde Verbrauchsausgaben gewaehlt?) aufgrund der zur
Verfuegung stehenden Daten moeglich sein. Das Gleiche gilt fuer
Sachverstaendige und Verbaende: Auch diese muessen in der Lage
sein, auf Grundlage der ermittelten Daten eine Bewertung des
Gesetzentwurfes vornehmen zu koennen, um sinnvolle Vorschlaege
zur Umsetzung machen zu koennen.
Wenn dies nicht moeglich ist, genuegt bereits das Verfahren
nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG –
geschweige denn das inhaltliche Ergebnis. Anders formuliert: Von
der Leyen handelt bereits durch die Art des Verfahrens
verfassungswidrig. Die SPD-Bundestagsfraktion wird es sich
vorbehalten, dies mit einer Klage vor dem
Bundesverfassungsgericht festzustellen. Frau Bundesministerin
von der Leyen koennte so den zweifelhaften Ruf erwerben, binnen
eines Jahres zweimal zum gleichen Thema von den Karlsruher
Richtern in die Schranken gewiesen zu werden.
Im Interesse derjenigen, die auf die Leistungen nach dem SGB II
angewiesen sind, fordern wir Frau von der Leyen auf, endlich die
Daten offen zu legen und eine serioese Gesetzesbehandlung zu
ermoeglichen, damit eine verfassungskonforme Regelung zum 1.
Januar 2011 moeglich ist.
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