Schulz: Merkels Vorschläge für europäische Wirtschaftsregierung gehen in die falsche Richtung
Zu den zuletzt öffentlich gewordenen Plänen von Bundeskanzlerin Merkel zu einem „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ in Europa erklärt der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Schulz, zuständig im SPD-Präsidium für Europapolitik:
Viel zu lange haben Frau Merkel und die deutsche Bundesregierung in der Finanz- und Eurokrise taktiert und sich treiben lassen: bei den Hilfen für Griechenland ebenso wie beim Europäischen Rettungsfonds. Bis zuletzt hat sich Frau Merkel auch gegen die Forderung gestellt, als zentrale Schlussfolgerung aus der Krise des Euro die europäische Wirtschafts- und Währungsunion durch eine handlungsstarke europäische Wirtschaftsregierung zu ergänzen.
Dass Frau Merkel jetzt ihren Kurs korrigiert und die von den europäischen Sozialdemokraten bereits seit langem erhobene Forderung nach einer europäischen Wirtschaftsregierung aufgreift, ist immerhin ein Fortschritt. Entscheidend kommt es aber darauf an, wie diese europäische Wirtschaftsregierung praktisch ausgestaltet wird. Die jetzt öffentlich gewordenen Vorschläge bleiben hier jedoch lückenhaft und weisen in eine falsche Richtung.
Die Vorschläge von Frau Merkel greifen deutlich zu kurz, wenn sie lediglich eine Schuldenbremse für Europa fordern, ohne zugleich auch Instrumente zu benennen, wie zusätzliche Einnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten für notwendige Zukunftsinvestitionen generiert werden können. Unsere zentrale sozialdemokratische Forderung ist in diesem Zusammenhang klar: Wir wollen und brauchen dringend eine Finanztransaktionssteuer in Europa, die die Verursacher der Krise an ihren Kosten beteiligt. Diese muss im Zentrum einer weiterentwickelten europäischen Steuer- und Finanzpolitik stehen.
In der Initiative von Frau Merkel fehlen zudem vollständig Vorschläge dazu, wie Innovation, Forschung und Entwicklung gemeinsam in Europa vorangebracht werden können und eine zukunftsgerichtete europäische Industriepolitik verwirklicht werden kann, die auf Innovation und grünes Wachstum gerichtet ist. Eine Strategie für Wettbewerbsfähigkeit in Europa, die ihren Namen verdient, darf diese Zukunftsfelder auf keinen Fall aussparen.
Die darüber hinaus von Frau Merkel vorgeschlagenen Koordinierungsschritte in der Fiskal-, Sozial- und Bildungspolitik bleiben ebenfalls deutlich hinter den notwendigen Reformschritten zurück. Die Bekämpfung von Steuerdumping in Europa ist richtig und notwendig. Hier brauchen wir aber nicht nur eine gemeinsame Bemessungsgrundlage, sondern auch einen Korridor für Mindestsätze bei den Unternehmenssteuern. Und anstatt in der Sozialpolitik den Schwerpunkt auf eine Anpassung des Renteneintrittsalters zu legen, sollte Frau Merkel lieber klare und verbindliche Maßnahmen vorschlagen, um Lohndumping in Europa wirksam zu unterbinden. Hierzu sind vor allem Vereinbarungen über existenzsichernde Mindestlöhne in Europa erforderlich. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegenüber den neuen EU-Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa, die in diesem Jahr eingeführt wird, ist dies ein dringend notwendiger Schritt.
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