Naturstoffe unter wissenschaftlicher Beobachtung

Frankfurt/Main (pressrelations) –

Mykotoxine, Botulinum-Toxine und Arsenverbindungen

Naturstoffe unter wissenschaftlicher Beobachtung

Etwa 150 Lebensmittelchemikerinnen und ?chemiker werden am 23. März zur Regionalverbandstagung Nordrhein-Westfalen der Lebensmittelchemischen Gesellschaft an der Bergischen Universität Wuppertal erwartet. Im Zentrum der Vorträge stehen in diesem Jahr Naturstoffe in Lebensmitteln, und zwar auch solche, die eine Gefahr für den Menschen darstellen, wie Mykotoxine, Arsenverbindungen und Botulinum-Toxine.

Mykotoxine sind natürlich vorkommende Schimmelpilzgifte, zu denen auch das Aflatoxin B1 gehört. 50 Jahre ist es her, seit es von Wissenschaftlern entdeckt wurde. Mittlerweile sind über 200 unterschiedliche Mykotoxine bekannt. Aflatoxin B1 ist das für den Verbraucherschutz bedeutendste; es gehört zu den 12 europaweit regulierten Mykotoxinen. Wie Dr. Jörg Stroka vom „European Union Reference Laboratory (EU-RL) for Mycotoxins“ am Institute for Reference Materials and Measurements des Joint Research Centre der Europäischen Kommission in Brüssel auf der Wuppertaler Tagung mitteilt, wird sich die Zahl der regulierten Mykotoxine in naher Zukunft erhöhen. Für jedes dieser Mykotoxine seien allgemein akzeptierte und entsprechend validierte Bestimmungsmethoden notwendig, um einen freien Warenverkehr innerhalb Europas zu gewährleisten, wie er vor 16 Jahren im erweiterten Schengener Abkommen vereinbart wurde. Darüber hinaus hat die EU ein umfassendes Regelwerk erlassen, um die Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts überprüfen zu können, und Netzwerke von nationalen Referenzlaboratorien ins Leben gerufen. Stroka wird in Wuppertal über weitere bislang erreichte Ziele und künftige Herausforderungen berichten.

Zu den schwerwiegendsten Erkrankungen, die durch Lebensmittel verursacht werden können, zählt der Botulismus. Das Nervensystem angreifende Botulinum-Toxin kann in proteinreichen Lebensmitteln wie Fisch oder Fleisch vorkommen. Allerdings spielte Botulismus in Deutschland keine Rolle mehr, bis vor kurzem im Zuständigkeitsbereich des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes (CVUA) Rhein-Ruhr-Wupper zwei Botulismus-Fälle registriert wurden. Die lebensmittelüberwachende Behörde wurde durch einen Krankenhausarzt auf den Verdachtsfall bei einem männlichen Patienten aufmerksam gemacht, der über Übelkeit, Herz-Kreislauf- und Atmungsprobleme klagte. Die notfallmedizinische Diagnostik konnte Botulinum-Toxin A im Serum des Patienten nachweisen. Einige Stunden später musste seine Frau mit gleichen Symptomen sowie dem typisch Doppeltsehen notfallmedizinisch versorgt werden.

In Kooperation mit dem Robert-Koch-Institut in Berlin versuchte das CVUA, die Ursache für den Ausbruch des Botulismus zu finden. Man stellte fest, dass sich in der Küche große Mengen Bakteriensporen fanden, und auch in einem Lebensmittel im Kühlschrank konnte Clostridium botulinum nachgewiesen werden. Aus der dramatischen Situation für die Patienten habe man gelernt, dass eine sofortige Zusammenarbeit aller relevanten Institutionen vonnöten und sinnvoll ist. Zunehmend bedeutsam werde, eine schnelle und zielgerichtete Analytik von Toxinen zu etablieren, sagt Dr. Olivier Aust Lebensmittelchemiker am CVUA Rhein-Ruhr-Wupper.

Larissa Leffers, Institut für Lebensmittelchemie der Universität Münster, beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit mit der Toxikologie des Arsens in zellulären Systemen. Auf der Wuppertaler Tagung versucht sie die Frage zu beantworten, wie toxisch neue Arsenverbindungen sind und meint damit insbesondere die vor nicht langer Zeit publizierte Entdeckung der Arsenozucker in vielen marinen Lebensmitteln. Für Arsenozucker ist wegen fehlender Studien bislang keine Risikobewertung möglich. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA fordert sie dringend. Eine solche Studie wird in Münster durchgeführt. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Arsenozucker in lebensmittelüblichen Konzentrationen keine Zelltoxizität zeigen. Das Stoffwechselprodukt der Arsenozucker, Thio-Dimethyarsinsäure (Thio-DMA), ist jedoch im nano- bis mikromolekularen Konzentrationsbereich deutlich zelltoxisch. Darüber hinaus stellte man fest, dass Thio-DMA in menschlichen Zellen reaktive Sauerstoffspezies bildet und vermutlich in dessen Folge oxidative DNA-Schäden verursachen kann.

Der Mensch nimmt Arsen in vielen chemischen Formen durch die Nahrung auf, beispielsweise als anorganisches Arsenit und Arsenat über das Trinkwasser oder organisches Arsenobetain über den Verzehr von Fischen. Von Arsenobetain geht keine Gefahr aus. Arsenit und Arsenat sind allerdings als Humankanzerogene mit den Zielorganen Blase, Lunge und Haut eingestuft.

Zum Abschluss der Wuppertaler Tagung wird ein öffentlicher Abendvortrag angeboten. Hierin stellt Professor Dr. Georg Schwedt, Bonn, die Experimentierküche SCOLAB des Hamburger Großmarktes vor. In Workshops wie „Die tolle Knolle“ oder „Gemüse querbeet“ werden hier Verbraucherinformationen über Obst und Gemüse vermittelt. Insbesondere wird über wertgebende Inhaltsstoffe im Kontext zu gesunder Ernährung und Lebensmittelqualität und ?sicherheit informiert. U.a. geht es um Vorkommen, Gehalte und Bedeutung von Inhaltsstoffen wie Pflanzenfarbstoffe, reduzierende Zucker, Ascorbinsäure, Pflanzenphenole und ?phenolcarbonsäuren, Fruchtsäuren, Eiweiß- und Mineralstoffe. Die Theorie wird mit Experimenten verbunden, und Experimentiersets für Schulen gibt es bereits zum Apfel, zur Kartoffel und zur Banane.

Die Tagungen der Regionalverbände der Lebensmittelchemischen Gesellschaft, der größten Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), sollen Lebensmittelchemiker auf den neuesten Stand des Wissens bringen und den Gedankenaustausch fördern. Die GDCh gehört mit fast 30.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 27 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Lebensmittelchemische Gesellschaft mit über 2.700 Mitgliedern.

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