FHAHN-Interview für das „Darmstädter Echo“ (06.12.2011)
Berlin. FDP-Präsidiumsmitglied JÖRG-UWE HAHN gab dem „Darmstädter Echo“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte JOHANNES BENTRUP:
Frage: Herr Hahn, Mitte Dezember fällt die Entscheidung der FDP-Mitglieder zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm (ESM). Ein Sieg des FDP-Rebellen Frank Schäffler würde wohl das Ende der Berliner CDU-FDP-Koalition bedeuten. Zittern Sie vor dem Ergebnis?
HAHN: Ich mache mir keine Sorgen. Das trifft zwar nicht auf alle Kollegen aus dem FDP-Bundespräsidium zu. Aber ich vage die Prognose, dass sich 60 Prozent der Mitglieder für den Antrag des Bundesvorstands und damit für den Rettungsschirm aussprechen.
Frage: Einem internen FDP-Papier zufolge haben Sie aber gesagt: „Gefühlt liegt derzeit eine Mehrheit der FDP-Mitglieder auf einer generellen und grundsätzlichen Contra-Linie zur Parteispitze.“
HAHN: Das liegt fünf Wochen zurück. Seitdem hat sich die Lage verändert: In den Krisenländern Griechenland und Italien sind an der politischen Spitze Veränderungen erfolgt. Zudem wollen die meisten FDP-Mitglieder nicht mehr „Rebellen“ sein. Sie realisieren, welche politischen Folgen es hätte, wenn sie sich nicht für den Bundesvorstands-Beschluss entscheiden.
Frage: Das Ende der Berliner CDU-FDP-Koalition?
HAHN: Ich bin sicher, dass ein Schäffler-Sieg kein Aus der Regierung bedeuten würde. Denn die frei gewählten Bundestagsabgeordneten müssen mit jedem Ergebnis eigenständig umgehen können. Dennoch: So ein Ergebnis wäre ein erhebliches Erschwernis für die Koalition.
Frage: Mit Verlaub, wenn Sie so positiv gestimmt sind, warum haben Sie dann kürzlich erst vorgebaut und angemahnt, unabhängig vom Ausgang der Mitgliederbefragung muss die FDP in der Bundesregierung bleiben.
HAHN: Das habe ich so nicht gesagt. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass die FDP eine Partei ist, in der der frei gewählte Abgeordnete nicht durch einen Mitgliederentscheid zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten im Bundestag gezwungen werden kann.
Frage: Aber müsste die FDP-Fraktion in Berlin nicht der Basis folgen und bei einem entsprechenden Abstimmungsergebnis gegen den ESM stimmen?
HAHN: Ich wüsste gerne von Herrn Schäffler, was er macht, wenn er verliert: Hält er sich dann an den Mitgliederentscheid? Bisher hat er sich nicht an Parteitagsbeschlüsse gehalten. Damit das klar ist: Schäffler muss wie die anderen Abgeordneten auch nicht den Beschlüssen folgen, denn es gibt in Deutschland das freie Mandat der Abgeordneten. Aber: Er darf jetzt auch nicht so einen Popanz aufbauen und permanent herausstreichen, dass die andere Seite unter allen Umständen dem Beschluss folgen muss.
Frage: Aus Berlin wird berichtet, es gibt einen Notfallplan für den Fall der Abstimmungsniederlage: Parteichef Philipp Rösler dürfe unter keinen Umständen zurücktreten; die FDP müsse in der Koalition bleiben mit Verweis auf die übergeordnete Verantwortung für Europa.
HAHN: Nein, es gibt keinen Notfallplan, denn es wird keinen Notfall geben.
Frage: Dennoch, die Stimmung in der FDP scheint zunehmend gereizt.
HAHN: In der Partei wird immer mehr die Frage des Debattenstils diskutiert. Viele FDP-Mitglieder finden es empörend, wie sich wortstarke Teile der Schäffler-Gruppe darstellen.
Frage: Was meinen Sie?
HAHN: Von Schäffler-Anhängern können sie Aussagen lesen, die nicht mehr lustig sind. Der FDP-Kreisvorsitzende von Marburg-Biedenkopf, Jörg Behlen, hat den Bundesvorsitzenden der Julis, Lasse Becker, diffamiert – „Sturmtruppe Becker“ wurde gesagt. Von Behlen kam auch ein unsäglicher Vergleich zwischen Gaddafi und Merkel. Solche Aussagen finden die Leute ekelhaft. Ich erwarte von Schäffler und etwa seinem Unterstützer Burkhard Hirsch, dass sie sich endlich von solchen Äußerungen distanzieren. Aber all das zeigt auch: Offensichtlich ist die Nervosität im Schäffler-Lager groß.
Frage: Behlen hat gefordert: Wegen der aufgeladenen Atmosphäre brauche die FDP für die Abstimmung „Wahlbeobachter aus der OECD“.
HAHN: Das ist ein schwerer Anschlag auf die innerparteiliche Demokratie. Das ist eine politische Frechheit und parteischädigend. Das werden wir uns als Landesvorstand merken, aber bis zum 17. Dezember, dem Tag der Auszählung des Ergebnisses, herrscht Waffenstillstand. Es gibt im Kreis der Schäffler-Anhänger Leute, die vom Stil her nicht in die FDP gehören.
Frage: Ist eine Schlammschlacht in der FDP ausgebrochen?
HAHN: Nein. 98 Prozent der FDP-Leute benehmen sich stilvoll. Mich erinnert die Debatte aber an die 90-er Jahre, als eine Gruppe von Menschen aus der traditionsreichen FDP eine andere Partei machen wollte.
Frage: Sind die Vorkämpfer für den Schäffler-Antrag rechtskonservativ?
HAHN: Die überwiegende Mehrheit, die für den Mitgliederentscheid war, ist urliberal. Mitten in der Partei. Mitten im Volk. Aber ich sehe Trittbrettfahrer.
Frage: Welcher Denkweise hängen die Trittbrettfahrer an?
HAHN: Es ist eine politische Gesinnung weit rechts von den Liberalen.
Frage: Warum hat bisher nur ein kleiner Teil der 64.000 FDP-Mitglieder an der Abstimmung teilgenommen?
HAHN: Das EURO-Thema bewegt sehr viele. Die meisten FDP-Mitglieder merken aber auch, dass es kein Patentrezept gegen die Krise gibt. Weil niemand genau weiß, wie man gegen die Krise vorgehen soll, tut man sich so schwer, den Abstimmungsbogen auszufüllen. Ich höre bei vielen: Ich fühle mich ein wenig überfordert, eine Entscheidung zu treffen.
Frage: Aber wieso vertrauen die einfachen Parteimitglieder nicht wie sonst ihrer FDP-Führung?
HAHN: Genau das ist ja seit Wochen zunehmend der Fall. Deswegen bin ich sicher, dass es eine deutliche Mehrheit für den ESM gibt. Ich höre immer öfter: Ihr macht derzeit eine gute Politik! Ihr schließt klar Eurobonds aus, Ihr seid glaubwürdig. Es wird auch immer deutlicher: Wir haben keine EURO-Krise, sondern wir haben eine Schuldenkrise mancher Staaten.
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