(ddp direct)Jedes sechste Kind in Deutschland verfügt am Ende der Grundschulzeit lediglich über elementare mathematische Fertigkeiten. Die Mehrheit, nämlich 75 Prozent, bewegt sich im Mittelfeld. So das Ergebnis der internationalen Schulleistungsstudie TIMSS von 2007. Eigentlich überflüssig zu fragen, vor welchen Problemen die Mathelehrer der weiterführenden Schulen stehen, wenn die Fünftklässler nach der Grundschule zu ihnen kommen: So ein Neuanfang ist ja nicht nur ein Problem, sondern auch eine gute Chance etwas zu machen, erklärt Prof. Dr. Susanne Prediger von der TU Dortmund, sie schränkt aber gleich auch ein: Eine große Schwierigkeit für Lehrer ist, dass ganz vielen Kindern gar nicht klar ist, wozu sie diese Mathematik überhaupt lernen sollen.
Schüler werden zu Konstrukteuren
Die bisherige Schul-Mathematik war offensichtlich oftmals zu weit entfernt von der Lebenswelt der Kinder. Deshalb will Susanne Prediger auch Alltagsthemen in den Unterricht bringen. Da wird zum Beispiel danach gefragt, wie sich eine Verpackung konstruieren lässt. Die Kinder werden zu Verpackungsdesignern, beginnen über Formen nachzudenken, Formen zu untersuchen und schließlich Formen zu entwickeln. Und das machen die Kinder gern, weiß die mathewerkstatt-Herausgeberin. Allein mit dem Alltagsbezug lässt sich aber die Heterogenität einer Klasse nicht unter einen Hut bringen. Die Unterschiede gerade in der fünften Klasse sind riesig, bestätigt die Wissenschaftlerin, selbst wenn man innerhalb einer Schulform ist. Es ist für die Lehrer eine Riesenherausforderung, auf die ganz verschiedenen Bedürfnisse der einzelnen Schüler einzugehen. Was Susanne Prediger aus Sicht der Wissenschaftlerin erklärt, können die Praktiker aus dem Schulalltag nur bestätigen. Es gibt große Unterschiede beim mathematischen Vorwissen, bei der Rechenfertigkeit und beim Verständnis von Textaufgaben. Versucht man auf frontale Weise diese Unterschiede anzugleichen, so spaltet sich die Klasse üblicherweise in zwei Gruppen: 1. Das kann ich doch schon! Langweilig! 2. Das hatten wir nur ganz kurz oder noch gar nicht! Erklären Sie mal! Damit ist der Lehrer schnell überfordert., so Kirsten Laubenstein, Mathelehrerin an der Realschule Kettwig in Essen. Doch wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Welche Chance gibt es, dass die 25 oder 30 Kinder einer fünften Klasse am Ende des Schuljahres einen besseren Zugang zur Mathematik haben, dass die Leistungsdifferenzen nicht wachsen, dass sich nicht noch mehr Kinder von der Mathematik verabschieden und dass andererseits auch die Mathefans unter ihnen gefordert werden?
Mit der Selbstdiagnose die eigene Stärken und Schwächen ermitteln
Lehrer müssen differenziert arbeiten können. Gut geeignet sind Aufgabenstellungen, die sich auf unterschiedlichen Niveaus bearbeiten lassen, bei denen die einen Schüler an diesem und die anderen Schüler an dem anderen Problem arbeiten. Dazu sind inzwischen viele gute Ideen entwickelt worden, sagt Susanne Prediger. Gemeinsam mit Kollegen hat sie Lehrwerksmaterialien entwickelt, die noch stärker den Leistungsstand des Einzelnen berücksichtigen. Dort finden die Schüler mit einem Diagnosetest ganz eigenständig heraus, wo ihre Schwierigkeiten liegen oder was sie schon gut können. Schüler und Lehrer machen so ganz neue Erfahrungen und Lehrer schlüpfen in eine andere Rolle, bestätigt die Cornelsen-Herausgeberin. Sie inszenieren nicht mehr so sehr den Gesamtunterricht, sondern unterstützen den Einzelnen dabei, seine Schwierigkeiten aufzuarbeiten. Diese Art von individualisiertem Unterricht ist außerdem deutlich leichter und weniger anstrengend, als immer alles im Klassengespräch zu machen.
Gerechnet wird weiterhin aber intelligent
Sicher sei, dass der Mathematikunterricht einen Wandel erlebt, so die Mathematikerin: Wir haben früher geglaubt, es genügt, wenn Schüler einfach gut rechnen können. Viele haben gelernt zu rechnen und einige wenige haben gelernt, das, was sie gelernt haben, auch anzuwenden. Heute stellen wir einen anderen Anspruch. Wir stellen den Anspruch, dass die Schüler etwas lernen, was sie auch in ihrem Leben tatsächlich brauchen und das auch aktivieren können. Und wenn man das will, dann darf man nicht nur trocken rechnen. Dann muss es immer auch um Situationen gehen, in denen Alltagsprobleme gelöst werden. Und: Diese Probleme sind oft nicht so eindeutig. Früher war in Mathematikbüchern alles immer eindeutig. Aber so ist das Leben nicht – das Leben ist bunter und auf diese Buntheit müssen wir vorbereiten. Ja, es stimmt, die mathematische Bildung hat sich erheblich verändert. Wir verlangen von den Schülern heute deutlich intelligenteres Wissen und weniger sture Rechenroutinen als früher. Das heißt aber nicht, dass das Rechnen nicht auch wichtig ist. Gerechnet wird natürlich trotzdem aber intelligent.
Hintergrund
Prof. Dr. Susanne Prediger ist Professorin für Mathematikdidaktik an der Uni Dortmund. Sie erforscht, wie Schülerinnen und Schüler Mathematik gut verstehen können. Dafür hat sie als Lehrerin an Gesamtschulen in Darmstadt und Bremen einiges von ihren Schülerinnen und Schülern gelernt. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht sie in Fachzeitschriften für Lehrkräfte und Wissenschaftler. Mit dem „mathewerkstatt“-Lehrwerkskonzept möchte sie ihre Ideen in die Schulen bringen.
Die mathewerkstatt ist eine Lehrwerksreihe für das 5. bis 10. Schuljahr an mittleren Schulformen. Es handelt sich um ein völlig neues Lehrwerkskonzept der Cornelsen-Herausgeber Bärbel Barzel, Stephan Hußmann, Timo Leuders und Susanne Prediger. Sie sind Professoren an der Pädagogischen Hochschule Freiburg beziehungsweise an der Technischen Universität Dortmund und dort jeweils in der Lehrerausbildung tätig. Die mathewerkstatt wurde bereits in der Praxis erprobt: 13 Schulen testeten das Lehrwerk, die Rückmeldungen flossen in die endgültige Fassung ein. Die mathewerkstatt greift sowohl bewährte Konzepte als auch aktuelle Forschungsergebnisse der Fachdidaktik auf und bezieht Erkenntnisse der Lehr-Lernforschung ein. Mit den Rechenbausteinen der mathewerkstatt ist bereits das erste Diagnose- und Fördermaterial dieser Lehrwerksreihe erschienen. Die Bausteine beantworten die Kernfragen aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler: Was kann ich bereits beim Rechnen und im Umgang mit Zahlen? Was muss ich noch üben? Das Schulbuch mit seinen Begleitmaterialien erscheint im März 2012.
Informationen zum Lehrwerkskonzept unter: http://www.cornelsen.de/mathewerkstatt-info
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=== mathewerkstatt – Mehr Kinder von der Mathematik begeistern an mittleren Schulformen / Interview mit Prof. Dr. Susanne Prediger (Video) ===
Hintergrund:
Prof. Dr. Susanne Prediger ist Professorin für Mathematikdidaktik an der Uni Dortmund. Sie erforscht, wie Schülerinnen und Schüler Mathematik gut verstehen können. Dafür hat sie als Lehrerin an Gesamtschulen in Darmstadt und Bremen einiges von ihren Schülerinnen und Schülern gelernt. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht sie in Fachzeitschriften für Lehrkräfte und Wissenschaftler. Mit dem „mathewerkstatt“-Lehrwerkskonzept möchte sie ihre Ideen in die Schulen bringen.
Die mathewerkstatt“ ist eine Lehrwerksreihe für das 5. bis 10. Schuljahr an mittleren Schulformen. Es handelt sich um ein völlig neues Lehrwerkskonzept der Cornelsen-Herausgeber Bärbel Barzel, Stephan Hußmann, Timo Leuders und Susanne Prediger. Sie sind Professoren an der Pädagogischen Hochschule Freiburg beziehungsweise an der Technischen Universität Dortmund und dort jeweils in der Lehrerausbildung tätig. Die mathewerkstatt“ wurde bereits in der Praxis erprobt: 13 Schulen testeten das Lehrwerk, die Rückmeldungen flossen in die endgültige Fassung ein. Die mathewerkstatt“ greift sowohl bewährte Konzepte als auch aktuelle Forschungsergebnisse der Fachdidaktik auf und bezieht Erkenntnisse der Lehr-Lernforschung ein. Mit den Rechenbausteinen der mathewerkstatt“ ist bereits das erste Diagnose- und Fördermaterial dieser Lehrwerksreihe erschienen. Die Bausteine beantworten die Kernfragen aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler: Was kann ich bereits beim Rechnen und im Umgang mit Zahlen? Was muss ich noch üben?“
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