Im Zweifel gegen die Verbraucher
Zu den Vereinbarungen im Bereich Verbraucherpolitik im Koalitionsvertrag erklaert die Sprecherin der Arbeitsgruppe Ernaehrung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion Waltraud Wolff:
Schwarz-Gelb hat auch in der Verbraucherpolitik einen grandiosen Fehlstart hingelegt. Von einem „Kursbuch fuer die naechsten vier Jahre“ kann keine Rede sein. Meist bleiben die Vereinbarungen im Ungefaehren. Wenn man sich ueberhaupt auf etwas Konkretes verstaendigt hat, dann im Zweifel auf Massnahmen gegen die Wuensche der Verbraucher:
– Beispiel Gentechnik: Die Koalition spricht sich fuer die Genkartoffel aus und will sich beim Genmais nicht auf ein Verbot festlegen, obwohl Verbraucher gentechnikfreie Lebensmittel erwarten. Anstatt sich fuer gentechnikfreie Regionen einzusetzen, koennen die Bundeslaender zukuenftig die Abstaende zwischen Feldern mit gentechnisch veraenderten Pflanzen und konventionellem oder oekologischem Anbau sogar noch verkuerzen.
Die bisherige Nulltoleranzpolitik bei Verunreinigungen mit in der EU nicht zugelassenen GVO wird aufgegeben.
– Beispiel Lebensmittelkennzeichnung: Die Verbraucher wollen die Naehrwertkennzeichnung mit Ampelfarben, die Koalition ist dagegen. Eine klare Kennzeichnung von laenger haltbarer Milch (sogenannte ESL-Milch) kommt nicht, obwohl sie national moeglich waere. Hier duerfen die Verbraucher weiter mit der Verkehrsbezeichnung „frische Milch“ getaeuscht werden. Die Kennzeichnung von Lebensmittelimitaten soll dagegen auf EU-Ebene neu geregelt werden, obwohl diese schon nach geltendem Recht zu kennzeichnen sind.
– Beispiel Finanzdienstleistungen: Verbraucher erwarten mehr Sicherheit am Finanzmarkt. Schwarz-Gelb jedoch kann sich nicht auf einen Finanz-TUeV einigen. Weder soll die BaFin Verbraucherschutz als Aufgabe bekommen, noch werden die Verbraucherverbaende mit einer Marktwaechterfunktion ausgestattet. Ob es eine gesetzliche Verpflichtung zur Herausgabe eines Kurzinformationsblattes fuer Finanzprodukte geben wird, ist unklar. Fuer den Ausbau der Honorarberatung wird nichts getan, Fehlanreize aufgrund der Provisionsorientierung beim Vertrieb von Finanzprodukten werden nicht beseitigt.
– Beispiel Verbraucherinformation: Verbraucher wollen mehr Transparenz, zum Beispiel durch eine Smiley-Kennzeichnung von Restaurants und eine Ausweitung des Verbraucherinformationsgesetzes auf alle Produkte und Dienstleistungen. Die Koalition dagegen will Ross und Reiter erst bei „wiederholten Verstoessen“ nennen und kann sich auf eine Ausweitung des Verbraucherinformationsgesetzes nicht verstaendigen, obwohl die Forderung auf dem Verhandlungstisch lag. Verbraucher wollen einfach erkennbare und aufs wesentliche reduzierte Informationen, die Koalition dagegen verstaerkt die Informationsflut noch.
– Beispiel Verbraucherorganisationen: Die Arbeit des Verbraucherzentrale Bundesverbandes und der Stiftung Warentest sind heute wichtiger denn je. Schwarz-Gelb moechte die
„Beratungs- und Informationsaktivitaeten“ langfristig finanzieren. Die Verbraucherzentralen und ihr Bundesverband sind aber auch deshalb wichtig, weil sie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher im politischen Prozess vertreten und unserioese Anbieter durch Abmahnungen und Klagen vom Markt draengen, zum Beispiel wenn diese mit falschen Testurteilen der Stiftung Warentest werben. Soll die Finanzierung hier etwa zurueckgefahren werden? Stattdessen muessten kollektive Verbraucherrechte ausgeweitet werden zum Beispiel durch ein Unterlassungsklagenrecht auch im Bereich Datenschutz. Das aber lehnt Schwarz-Gelb ab.
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