EU-Haftbefehl – Mindestanforderungen

Düsseldorf, den 20. Januar 2014 – Fachanwalt für Strafrecht Dr. Martin Rademacher

Die mit Abstand meisten eingehenden Auslieferungsersuchen in Deutschland kommen als „Europäischer Haftbefehl“ aus den Mitgliedsstaaten der EU. Über die Zulässigkeit der Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls entscheiden die Oberlandesgerichte, wenn der EU-Haftbefehl  den Mindestanforderungen entspricht.

Der unabdingbare Mindestinhalt eines Europäischen Haftbefehls ergibt sich aus § 83a I Ziff. 1 bis 6 IRG, nämlich

  • die Identität und die Staatsangehörigkeit des Verfolgten, 
  • die den Haftbefehl ausstellende Justizbehörde, 
  • die Angabe, ob ein vollstreckbares Urteil, ein Haftbefehl oder eine andere vollstreckbare justizielle Entscheidung mit gleicher Rechtswirkung vorliegt, 
  • die rechtliche Würdigung der Straftat, einschließlich der gesetzlichen Bestimmungen, die Beschreibung der Tatumstände einschließlich der Tatzeit, des Tatortes und der Tatbeteiligung der gesuchten Person, 
  • und die für die betreffende Straftat im Ausstellungsmitgliedstaat gesetzlich vorgesehene Höchststrafe oder im Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Urteils die verhängte Strafe. 

Wenn die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen zur Strafverfolgung in einem anderen europäischen Mitgliedsstaat verlangt wird, müssen sich aus dem Europäischen Haftbefehl auch die weiteren Zulässigkeitserfordernisse des § 80 IRG ergeben.

Entspricht der Europäische Haftbefehl den Mindestanforderungen an ein Auslieferungsersuchen nicht, so muss von Seiten der deutschen Justiz beim ersuchenden Staat auf eine Ergänzung der vorliegenden Unterlagen hingewirkt werden (OLG Karlsruhe Strafverteidiger 2005, 402; OLG Zweibrücken NStZ 2008, 639), bevor über die Zulässigkeit der Auslieferung entschieden wird.

Als Grundsatz gilt, dass die Tatumstände so genau dargestellt werden müssen, dass eine Subsumtion unter den angegeben Tatbestand und gegebenenfalls eine Prüfung nach § 80 Abs. 1 und 2 IRG möglich ist und sich später die präzise Reich­weite des Spezialitätsgrundsatzes (s.u.) feststellen lässt. Tatbeschreibungen, die nicht die Mindestanforderungen erfüllen, rechtfertigen auch die Anordnung von Auslieferungshaft nicht (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.07.2012 – 6 AuslA 54/12). 

Das OLG Karlsruhe hat sich auch in der jüngsten Rechtsprechung wiederholt zur Frage der notwendigen Tatkonkretisierung im europäischen Haftbefehl geäußert. Auch in dem Beschluß vom 08.01.2013 (1 AK 29/12) hat es hervorgehoben, daß sich aus den Auslieferungsunterlagen ergeben muß, wer die Tat wann, wo und wie, d.h. unter welchen näheren Umständen begangen hat. Die Praxis zeigt, dass viele europäische Haftbefehle diesen Anforderungen nicht gerecht werden. 

Weitere Informationen zum Europäischen Haftbefehl finden Sie auf meiner Internetseite www.auslieferungsverfahren.de

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