Erfolgreiche Politiker in der Wirtschaft sind so selten wie Pinguine in der Sahara
Von Ansgar Lange +++ August 2014. Roland Koch war lange Zeit ein Star in der deutschen Politik. Er galt als der Wirtschaftsfachmann der CDU und der letzte Konservative in der Union. Das Kanzleramt hätte man ihm ohne Bedenken zugetraut. Es spricht für das Selbstbewusstsein des früheren hessischen Ministerpräsidenten, dass er sich den Chefposten bei einem Baukonzern zutraute. Nun ist er nach wenigen Jahren als Boss von Bilfinger gescheitert.
Über die Gründe des Rücktritts lässt sich nun trefflich streiten. Lag es an Intrigen gegen einen Seiteneinsteiger? War Koch zu ehrgeizig? Stürzte er „letztlich über die Folgen der überhasteten und unausgegorenen Energiewenden in Deutschland“, wie der Publizist Wolfram Weimer vermutet?
Spannender als die Beantwortung dieser Fragen ist aber die Antwort auf folgende zwei Fragen: Können Politiker Wirtschaft? Und können Manager und Unternehmer Politik? „Die Forderung nach einem personellen Austausch zwischen Politik und Wirtschaft geht uns sehr leicht über die Lippen. In der Realität merkt man aber schnell, dass Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft in der Politik selten eine Chance haben. Sie haben keine Zeit und Lust auf die Ochsentour durch die Ortsvereine. Wer politisch aufsteigen will, muss sich oft erst mal ganz hinten einreihen und im Wahlkampf Plakate kleben und Würstchen grillen. Das schreckt Unternehmer meist ab. Sie sind es nicht (mehr) gewohnt, kleine Brötchen zu backen“, sagt der Personalexperte Michael Zondler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo http://www.centomo.de mit Firmensitzen in London, Ludwigsburg und Sindelfingen. Andererseits hätten es auch Politiker in der Wirtschaft schwer, es sei denn, sie würden von Konzernen gezielt wegen der guten Kontakte eingekauft. In der Privatwirtschaft seien sie hingegen so selten wie Pinguine in der Sahara und kämen häufiger bei halbstaatlichen Konzernen unter.
Politiker sind in der Wirtschaft nur wegen ihrer Kontakte gefragt
„Ein prall gefülltes Adressbuch ist ein gutes Startkapital als Lobbyist. Roland Kochs Fall ist anders gelagert. Er stand an der Spitze eines großen Baukonzerns. Sein Erfolg oder Misserfolg war messbar, am Börsenkurs, im Stellenplan. Die Anforderungen an einen Spitzenpolitiker und einen Spitzenmanager ähneln sich durchaus. Beide müssen große Apparate lenken, haben eine riesige Personalverantwortung und müssen sich in der Öffentlichkeit „verkaufen“. In der Regel mangelt es Seiteneinsteigern aus der Politik, die zuvor Jahrzehnte in den Hinterzimmern der Macht gekungelt haben, aber an einem entscheidenden Kriterium: der fachlichen Eignung. Die kann man sich nicht in kürzester Zeit antrainieren. Während Seiteneinsteigern aus der Wirtschaft in die Politik oft der klassische Stallgeruch fehlt, der andere verdächtig die Nase rümpfen lässt, ist es bei Politikern die Fachkompetenz, an der es ihnen mangelt. In einem Heer von Juristen unter Politikern sind Ingenieure, IT-Experten etc. eben Mangelware.“
Dass es so wenige Manager und Unternehmer in der Politik bis ganz nach oben schafften, also beispielsweise Minister würden, hinge aber nicht nur mit ihrem fehlenden Stallgeruch zusammen. „Politik ist zu einem Beruf geworden. Dazu gehören auch bestimmte Kompetenzen. Der berufliche Alltag in einem Unternehmen sieht anders aus. Als Manager oder Unternehmer kann man leichter Entscheidungen treffen und hat Sanktionsmöglichkeiten in der Hand, wenn Teile der eigenen Belegschaft nicht mitziehen. Man kann Abmahnungen oder Kündigungen aussprechen oder Mitarbeiter in andere Abteilungen versetzten. Als Politiker muss man neben der Kenntnis der Arbeit in den Ausschüssen und der rechtlichen Vorgaben auch stets Kompromisse suchen und unterschiedliche Strömungen in der Wählerschaft oder der eigenen Partei einbinden. Auch eine Bundeskanzlerin kann nicht einfach „durchregieren“, sondern muss sich „politisch“ verhalten. Dazu benötigt man sehr feine Sensoren für Stimmungen in der Politik“, so Zondler.
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