Das Bundesministerium für Gesundheit lässt sich von der WHO nicht „ermutigen“, etwas für die Menschen mit Schuppenflechte (Psoriasis) zu tun. Bleibt die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation zur Psoriasis in Deutschland ohne Folgen?
Am 24. Mai 2014 verabschiedete die 67. Weltgesundheitsversammlung (WHA) – die WHA ist das höchste Gremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – die Resolution zur Psoriasis (Resolution A67/VR/9). Die Entscheidung wurde als bahnbrechender Erfolg für die Menschen mit Psoriasis gewertet und entsprechend gefeiert. Weltweit verbinden nicht nur die Erkrankten, sondern auch ihre Dermatologinnen und Dermatologen große Hoffnungen und hohe Erwartungen mit der Resolution. Jetzt kehrt Ernüchterung ein – zumindest in Deutschland.
Klarer Auftrag an Bundesregierung
Nach Auffassung des Deutschen Psoriasis Bundes e.V. (DPB) und weiterer Akteure wie dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) sowie zahlreicher Gesundheitspolitikerinnen und -politiker wie auch vieler Bundestagsabgeordneten wurde mit dieser Resolution die Psoriasis als fünfte Erkrankung – neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes mellitus und chronischen Atemwegserkrankungen – in den globalen Aktionsplan der WHO zur Prävention und Kontrolle nichtübertragbarer Krankheiten für die Jahre 2013 bis 2020 aufgenommen.
Einzig das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erkennt in der Resolution keine Aufnahme der Psoriasis in den WHO-Aktionsplan 2013-2020. Auf die Nachfrage des DPB, welche Maßnahmen die Bundesregierung im Lichte der Resolution zu ergreifen gedenkt, und auf das Angebot, die Bundesregierung bei der Erarbeitung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen zu unterstützen, erklärte das BMG zudem, dass man sich durch die Resolution nicht aufgefordert sehe, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen:
„Die Mitgliedstaaten fordern hier die WHO Generaldirektorin auf, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Eine Aufnahme in den WHO Aktionsplan oder durch die Mitgliedstaaten selbst zu veranlassende Maßnahmen, wurden nicht beschlossen.“ (Antwortschreiben des BMG)
Durch den Umstand, dass in der Resolution zur Psoriasis auf den WHO-Aktionsplan 2013-2020 Bezug genommen wird
[„(…) in Bekräftigung der Wichtigkeit für Mitgliedstaaten, durch die Umsetzung des globalen Aktionsplans (…) weiter an der Beseitigung der wichtigsten Risikofaktoren von nichtübertragbaren Krankheiten zu arbeiten (…)“ (nicht amtliche Übersetzung der Resolution A67/VR/9; bereitgestellt durch das BMG)],
wird nach gängiger Auffassung die Psoriasis aber zumindest auf eine Stufe mit den vier nichtübertragbaren Krankheiten gestellt, die auf jeden Fall – auch aus Sicht des BMG – Bestandteil des Aktionsplans sind.
Unabhängig von der strittigen Frage, ob die Psoriasis nun in den WHO-Aktionsplan 2013-2020 aufgenommen wurde oder nicht, und ebenfalls unabhängig davon, ob man die Psoriasis nun auf einer Stufe mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes mellitus und chronischen Atemwegserkrankungen wähnt, werden die Mitgliedstaaten – so auch die Bundesrepublik Deutschland, die der Resolution zugestimmt hat – durch die Resolution aber ganz unbestritten
„(…) ERMUTIGT (…), sich weiter für Maßnahmen zur Sensibilisierung für Psoriasis zu engagieren, um somit die Stigmatisierung zu bekämpfen, unter der Psoriasis-Kranke leiden insbesondere durch jährlich am 29. Oktober in den Mitgliedstaaten stattfindende Veranstaltungen (…)“ (nicht amtliche Übersetzung der Resolution A67/VR/9; bereitgestellt durch das BMG).
Anstatt jedoch klar zu bekunden, dass man der Resolution zwar zugestimmt hat, sich dadurch aber in keinerlei Hinsicht ‚ermutigt‘ fühlt, irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, der bestehenden Unter- und Fehlversorgung im Bereich der Psoriasis oder gar der Stigmatisierung der an Psoriasis erkrankten Menschen entgegenzuwirken, erschöpft sich das Antwortschreiben des BMG im Weiteren in Allgemeinplätzen und in der lapidaren – wenn nicht gar unverschämten und die an Psoriasis leidenden Menschen verhöhnenden – Darstellung allgemeiner Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention, bei denen
„(…) die vier Risikofaktoren ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum im Vordergrund stehen. (…). Die Erfahrungen etwa aus dem Nationalen Aktionsplan ‚INFORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung‘, Projekten zur Gesundheitsförderung in Kindergärten und Schulen sowie Aufklärungskampagnen für Jugendliche und Erwachsene zur Alkohol- und Tabakprävention können in die regionale und globale Debatte als best practice-Beispiele eingebracht werden. Diese Aktivitäten werden fortgeführt und sind auch für Psoriasis von Relevanz, da neben der genetischen Veranlagung auch äußere Faktoren bei dem Krankheitsverlauf der Psoriasis eine Rolle spielen.
Ferner sollen mit dem Präventionsgesetz (…). (…) die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, gesundheitsfördernde Angebote in jedem Alter und in allen Lebensbereichen zu intensivieren und in hoher Qualität anzubieten. Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass lebensstilbedingte, chronische und psychische Erkrankungen gar nicht erst entstehen oder in ihrem Verlauf positiv beeinflusst werden. Hiervon können grundsätzlich auch Menschen mit Psoriasis profitieren.“ (Antwortschreiben des BMG)
Große Enttäuschung
Der Vorsitzende des DPB, Ottfrid Hillmann, ist zutiefst enttäuscht über die Ignoranz und Untätigkeit, mit der das BMG auf die WHA-Resolution, die von der deutschen Regierung schließlich mitgetragen wurde, reagiert:
„Nicht nur, dass die Bundesregierung hier offenbar einer Resolution zugestimmt hat, wohlwissend, dass sie diese selbst ignorieren und die Situation der unter Schuppenflechte leidenden Menschen in Deutschland nicht verbessern wird. Besonders die Kaltschnäuzigkeit, mit der dieses fragwürdige Verhalten auch noch schöngeredet wird, stößt mir übel auf. Es fällt mir sehr schwer, die Ausführungen des BMG nur als unbedarften Ausrutscher zu werten – als Ausführungen, die nicht zum Ziel haben, den an Psoriasis erkrankten Menschen die Schuld für ihre Erkrankung ‚in die Schuhe zu schieben‘, weil sie sich zu ungesund ernähren, zu wenig bewegen, rauchen oder übermäßig dem Alkohol frönen. Es braucht sehr viel guten Willen, diese Ausführungen nicht als Beitrag zur Stigmatisierung der an Psoriasis leidenden Menschen zu verstehen, sondern sie einfach nur als Beweis dafür anzusehen, dass das BMG die bereits stattfindenden und die künftigen allgemeinen Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention gegenüber der WHO als psoriasisspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Resolution verkauft. Was diese gesundheitsfördernden und präventiven Maßnahmen allerdings mit der Zielsetzung der Resolution, nämlich dass die Mitgliedstaaten für die Erkrankung Psoriasis sensibilisieren und die Stigmatisierung der Betroffenen bekämpfen, zu tun haben, das weiß wohl nur das BMG.“
Deutscher Psoriasis Bund e.V. (DPB), Oktober 2016