Sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers – Oberlandesgericht Köln senkt die Anforderungen für abgemahnte Anschlussinhaber
Das Oberlandesgericht Köln hat in einem bislang weitgehend unbeachtet gebliebenem Beschluss vom 28.05.2013, AZ 6 W 60/13, die Anforderungen an die sogenannte sekundäre Darlegungslast von abgemahnten Anschlussinhabern konkretisiert und maßgeblich zu Gunsten der Anschlussinhaber abgesenkt. Nach der Leitentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12.05.2010, Az. I ZR 121/08 („Sommer unseres Lebens“), war die tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber auch für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, dadurch zu entkräften, dass eine ernsthafte Möglichkeit bestanden hat, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat. Äußerst umstritten war bislang, wie genau der abgemahnte Anschlussinhaber einen anderen Tatsachenhergang beschreiben musste.
Darlegungslast – Nachweis – Überwachung: Worum geht es?
Die abmahnenden Rechteinhaber können durch Überwachung der einschlägigen Tauschbörsen lediglich feststellen, von welchem Anschluss aus die behauptete Rechtsverletzung vorgenommen wurde. Ob der Anschlussinhaber selbst oder ein Dritter unerlaubtes Filesharing betrieben hat, konnte naturgemäß nicht nachgewiesen werden. Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Gründungspartner der Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte und Fachanwälte erklärt die Rechtslage: „Der Bundesgerichtshof hat im Urteil „Sommer unseres Lebens“ festgestellt, dass der Anschlussinhaber natürlich zuallererst als Täter in Frage kommt. Die Juristen nennen das eine „tatsächliche Vermutung“. Das ist aber kein Beweis. Der Anschlussinhaber kann einen anderen Geschehensablauf mitteilen, wonach nicht er, sondern eben ein Dritter der Rechteverletzer war. Die Rechteinhaber und ihre Abmahnanwälte haben daraufhin versucht, den jeweiligen Anschlussinhaber auch dann in Haftung zu nehmen, wenn die Rechtsverletzung nachweislich nicht von diesem selbst, sondern von einer berechtigten oder unberechtigten Dritten begangen wurde. Neben der Verantwortlichkeit als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung gibt es die sogenannte Störerhaftung. Dieser Störerhaftung unterliegt jeder, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt.“
Was ist neu? – Was bedeutet die Entscheidung für die Anschlussinhaber?
Das Oberlandesgericht Köln hat nun entschieden, dass der Anschlussinhaber zur Entkräftung der tatsächlichen Vermutung nur Tatsachen vortragen muss, aus denen sich die „ernsthafte Möglichkeit“ ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung von einem Dritten begangen wurde. Dritter kann jeder sein, auch und vor allem Haushaltsangehörige, Gäste oder sonst vorübergehend Anwesende. Es kommt dabei lediglich darauf an, dass der Geschehensablauf im fraglichen Zeitraum generell möglich war. Weitere Nachforschungen über die möglichen Täter muss der Anschlussinhaber nicht anstellen. Auch eine täterschaftliche Haftung des Anschlussinhabers als „Haushaltsvorstand“ nach § 823 Abs 1 BGB lehnt das OLG Köln ab.
Zudem macht das Oberlandesgericht deutlich, dass die Anforderungen an Anschlussinhaber, Maßnahmen zu treffen, um Rechtsverletzungen durch volljährige Familienangehörige entgegen zu wirken, auch höchstrichterlich umstritten sind und ein Urteil des Bundesgerichtshofes noch aussteht. Rechtsanwalt Ralf Hornemann, Internetexperte bei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte und Fachanwälte, erläutert: „Die sogenannte Störerhaftung ist eines der zur Zeit heiß umstrittenen Themen im deutschen Recht. Die Abmahner sind natürlich bestrebt, eine Haftung soweit wie nur irgend möglich auszudehnen. Welche Anforderungen für den Anschlussinhaber dabei in den jeweiligen Konstellationen zu erfüllen sind, unterscheidet sich nicht selten von Gericht zu Gericht.“
Abmahnung erhalten – Was ist zu tun?
Rechtsanwalt Ralf Hornemann rät Betroffenen: „Aus Erfahrung wissen wir, dass es wegen der unübersichtlichen Rechtslage ratsam ist, einen Fachmann mit der Prüfung zu beauftragen, wenn eine Abmahnung beispielsweise von Rechtsanwalt Daniel Sebastian ins Haus flattert. Um größere finanzielle Schäden abzuwenden sollten Betroffene keinesfalls selber Kontakt aufnehmen, denn gemachte Aussagen können gegebenenfalls vor Gericht gegen sie verwendet werden. Einem auf Urheberrecht spezialisierten Anwalt ist es oftmals möglich, die geforderte Gebühr auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Zur Zeit scheint sich der Wind etwas zu Gunsten der Abgemahnten zu drehen. Selbst das OLG Köln, lange Zeit eine sichere Bank für die Abmahner, bremst offenbar etwas ein. Diese Entscheidungen werden in den Abmahnungen natürlich nicht zitiert. Ein Grund mehr, Ruhe zu bewahren und jemanden an die Seite zu nehmen, der sich auskennt.“
V.i.S.d.P.:
Ralf Hornemann
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