Aigner: „Rio darf nicht zum Gipfel der vertanen Chancen werden“
Prinzip der Nachhaltigkeit fest verankern, um Lebensgrundlagen zu schützen
Zum Auftakt der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro (Rio+20) hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner alle Partnerländer aufgerufen, jetzt die Weichen für mehr Umwelt- und Ressourcenschutz zu stellen.
„Rio+20 darf nicht zu einem Gipfel der vertanen Chancen werden. Ich wünsche mir von dieser Konferenz ein klares Signal, das keiner überhören kann. Das Prinzip der Nachhaltigkeit gehört fest verankert, um die wichtigsten Lebensgrundlagen der Menschheit zu schützen – auch in der Landwirtschaft und der Fischerei“, erklärte Aigner am Mittwoch in Berlin. Die Landwirtschaft spiele eine Schlüsselrolle für das nachhaltige Wirtschaftssystem im 21. Jahrhundert und stehe vor gewaltigen Herausforderungen – „den Erhalt vitaler ländlicher Regionen, die zunehmende Ressourcenknappheit, die Sicherung der Ernährung für eine steigende Weltbevölkerung, die Versorgung mit nachwachsenden Rohstoffen und nicht zuletzt den Umwelt- und Klimaschutz“, so Aigner. „Hier gibt es Zielkonflikte, aber durch gemeinsames, entschlossenes Handeln können wir Lösungen finden.“ Dies hat auch der umfangreiche Diskussionsprozess mit allen gesellschaftlichen Gruppen im Rahmen der „Charta für Landwirtschaft und Verbraucher“ gezeigt, die Aigner am Rande der Grünen Woche 2012 in Berlin vorgestellt hatte.
Europa hat die Zeichen erkannt und wolle die anstehende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 so gestalten, dass sie zu einer auf umweltverträglichem Wachstum basierenden Wirtschaft beiträgt, sagte Aigner. Als positives Beispiel nannte sie auch die EU-Fischereipolitik, wo nach langen Verhandlungen nun der richtige Weg zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Fischbestände eingeschlagen worden sei. Dazu zählen Bewirtschaftungs- und Wiederaufbaupläne für zahlreiche Fischarten, die Einführung von Rückwurfverboten und Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Fischerei. „Dieser Weg wird jetzt bei der aktuellen Neuausrichtung der Gemeinsamen Fischereipolitik konsequent fortgesetzt und muss auch Vorbild sein für die weltweiten Bemühungen,“ sagte Aigner.
Bundesministerin Aigner forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, sich entschlossener für eine weltweite Reduzierung der Lebensmittelabfälle einzusetzen: „Die Verschwendung kostbarer Ressourcen können wir uns national und international nicht mehr leisten. Hier müssen alle gemeinsam gegensteuern – Erzeuger und Handel, Großabnehmer und Privatverbraucher“, sagte Aigner. Mit der deutschen Initiative zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen und der Kampagne Zu gut für die Tonne! unterstützt das Bundeslandwirtschaftsministerium das Ziel der Europäischen Union, die Menge der Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2020 zu halbieren. In Entwicklungs- und Schwellenländern dagegen gelte es, die hohen Nachernte-Verluste zu reduzieren, die in einigen, von Hungersnöten bedrohten Staaten fast die Hälfte der gesamten Ernte ausmachen. Allein durch Produktionssteigerungen könne die Ernährung der Weltbevölkerung nicht sichergestellt werden, so Aigner. Die Entwicklung hin zu einer rentablen, sozial und ökologisch nachhaltigen bäuerlichen Landwirtschaft sei die zentrale Herausforderung in den Entwicklungsländern. Notwendig seien verantwortungsvolle Investitionen in Infrastruktur, Technik und Know-how, jeweils angepasst an die Regionen. Nur so könne das Menschenrecht auf Nahrung realisiert werden „Nachhaltigkeit darf nicht zur Worthülse werden. Es ist an der Zeit, den Begriff mit neuem Leben, mit neuen Inhalten zu füllen und auf alle Bereiche auszudehnen – Umwelt und Wirtschaft, Finanzen und Gesellschaft“, sagte Aigner mit Blick auf die UN-Konferenz in Rio de Janeiro. Die Bundeslandwirtschaftsministerin erinnerte daran, dass der Begriff der Nachhaltigkeit ursprünglich aus der deutschen Forstwirtschaft stammt: Der sächsische Berghauptmann von Carlowitz hatte 1713 ein Buch über Forstwirtschaft veröffentlicht und darin als erster das Prinzip der Nachhaltigkeit beschrieben, indem er dazu riet, immer nur so viel Holz zu schlagen, wie nachwachsen kann. Aigner: „Kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat sich in den vergangenen Jahrhunderten in so hohem Maß um den Erhalt seiner Wirtschaftsgrundlage bemüht wie die Forstwirtschaft. Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir bei der Nutzung unserer Ressourcen nie die Bedürfnisse kommender Generationen aus dem Auge verlieren dürfen.“
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