(BSOZD.com-NEWS) Bochum. 2000 Arbeitslose sollen in Bochum aus der Statistik entsorgt werden – Die Unabhängige Sozialberatung Bochum kritisiert, wie z. Z. ca. 2000 Erwerbslose in Bochum aus der Statistik entsorgt werden sollen und dabei mit einer Vielzahl von Schikanen bedroht werden. Die Betroffenen sollen „ausgelagert“ und von privaten Trägern „intensiv betreut“ werden. Die Bundesregierung will die so Betreuten aus der Arbeitslosenstatistik streichen.
Norbert Hermann von der Unabhängigen Sozialberatung: „Die Maßnahme dient neben der massiven Repression und Kontrolle der Betroffenen vor allem der logistischen Vorbereitung einer propagandistischen Verniedlichung des für das kommende Jahr erwarteten Anstiegs der Massenarbeitslosigkeit.“.
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Nach der Einschätzung der Unabhängigen Sozialberatung ist die ARGE Bochum derart personell unterbesetzt (einige Teams sind z. B. zeitweise nur zu 50 % besetzt, die Antragsbearbeitung auf Heizkostennachzahlung dauert bis zu acht Wochen), dass sie nicht in der Lage ist, ihren gesetzlichen Verpflichtungen zu einer sachgemäßen Aufklärung oder Beratung nachzukommen. Häufig können Routinen wie Auskunftserteilung oder Empfangsbestätigungen kaum noch rechtskonform bearbeitet werden. Für eine Qualifizierung und Vermittlung der Betroffenen bleibt immer weniger Zeit.
Statt die ARGE personell vernünftig auszustatten und die MitarbeiterInnen ordentlich zu qualifizieren, wird das Problem an noch viel weniger qualifizierte private Träger ausgelagert. Norbert Hermann: „Was dann dort mit den Betroffenen passiert, bezeichnen Insider der Arbeitsverwaltung schon seit Jahren als „Verfolgungsbetreuung“. Alle 14 Tage sollen die Leute beim privaten Träger antanzen und dort auch ihre persönlichen und familiären Probleme offen legen. Angeblich bestehe Schweigepflicht. Uns ist keinerlei Rechtsgrundlage dafür bekannt.“
Der Unabhängigen Sozialberatung wird von den Ratsuchenden berichtet, wie augenblicklich in Massenveranstaltungen mit bis zu 30 Teilnehmenden die Arbeitssuchenden an die privaten Träger abgeschoben werden. Sie werden dabei bedrängt, nach kurzer Einweisung ihrem neuen Status in einem „Vertrag“ zuzustimmen. Norbert Hermann: „Dabei wird z. B. gesetzwidrig jede „unerlaubte Ortsabwesenheit“ mit Leistungsentzug bedroht. Hartz IV-Abhängigen werden quasi Fußfesseln angelegt. Schon der Spaziergang auf der Wittener Seite des Kemnader Sees oder der Einkauf in Gelsenkirchen ist demnach verboten. Wir weisen ganz dringend darauf hin, dass niemand gezwungen werden kann, diesen „Vertrag“ sofort beim privaten Träger zu unterschreiben. Alle Betroffenen haben auch das Recht, erst einmal eine Beratungsstelle aufzusuchen. Dies können wir nur ganz dringend empfehlen.“
Norbert Hermann fordert die Bochumer Bevölkerung auf, nicht gleichgültig damit umzugehen, wenn derartig erbarmungslos auf Kosten der Betroffenen die Arbeitslosenstatistik frisiert werden soll: „Hier ist gesellschaftlicher Protest gefordert.“
In der folgenden Anlage senden wir Dokumente und Hinweise, die die Recherche zu unserer Mitteilung erleichtern sollen.
i. A. Norbert Hermann
e-mail-Anlagen:
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1. Eingliederungsvereinbarung „Einschaltung Dritter“
2. Flyer ARGE „Beauftragung Dritter“
3. Einladung zur Informationsveranstaltung „Einschaltung Dritter“
Materialien zur PM 9.12.2008: ARGE Bochum greift zum Letzten:
Fußfesseln für Hartz IV-Abhängige –raus darf hier keiner!
In Bochum soll im kommenden Jahr die Zahl der Arbeitslosen so gnadenlos frisiert werden wie nie zuvor: 2000 Arbeitslose sollen „ausgelagert“ werden und von dritten Trägern „intensiv betreut“ werden. Nach Vorstellung des Bundesarbeitsministeriums sollen sie damit automatisch aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden. Das dient neben der massiven Repression und Kontrolle der Betroffenen vor allem der logistischen Vorbereitung einer propagandistischen Verniedlichung des für das kommende Jahr erwarteten Anstiegs der Massenarbeitslosigkeit.
Die ARGE Bochum ist offensichtlich derart personell unterbesetzt (manche Teams sind zeitweise nur zu 50 % besetzt, Anträge auf Heizkostennachzahlung dauern schon mal acht Wochen …), dass sie schon allein deshalb nicht in der Lage ist, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen (Aufklärung, Beratung, Auskunft, Empfangsbestätigungen) und rechtskonform zu arbeiten (wenn sie es denn wollte). Geschweige denn eine Qualifizierung und ggf. Vermittlung der Betroffenen zu organisieren.
Geld muss aber bis zum Jahresende noch ausgegeben werden; so wird nun die Betreuung und „versuchte Vermittlung“ massenhaft ausgelagert – zugleich verbunden mit einer dichten Kontrolle, die schon im Jahre 2003 von ArbeitsamtskollegInnen (1) als „Verfolgungsbetreuung“ (2) gebrandmarkt wurde:
Alle 14 Tage sollen die Leute beim externen Träger antanzen und dort auch ihre persönlichen und familiären Probleme offen legen. Angeblich bestehe Schweigepflicht (jegliche Rechtsgrundlage dafür ist uns allerdings unbekannt).
In Massenveranstaltungen mit bis zu 30 Teilnehmenden erfolgt nach kurzer Einweisung die Unterschrift unter einen “Vertrag. Darin wird gesetzeswidrig jede „unerlaubte Ortsabwesenheit“ (Wittener Seite des Kemnader Sees, Einkauf in Gelsenkirchen …) mit Leistungsentzug bedroht.
Wir weisen dringend darauf hin, daß dieser „Vertrag“ nicht vor Ort unterschrieben werden braucht. Beratung ist hier dringend von Nöten:
Zum Hintergrund:
Beauftragt mit dieser Erfassung, Verwaltung und Kontrolle der Erwerbslosen sind das „Gisela Vogel Institut für berufliche Bildung“ (3), der „Verein für Integrative Arbeit“ – VIA (4) und das „Wattenscheider-Berufs-Bildungs-Zentrum „(WBZ) des „Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer“ (SKM-WBZ) (5). Dort müssen in diesen Tagen 2000 (zweitausend!) Bochumer und Bochumerinnen antanzen (das sind 16 % aller als arbeitslos registrierten ALG II – Berechtigten) und nach kurzer Einweisung alle die gleiche „Eingliederungsvereinbarung“ (EGV) unterschreiben (angeblich droht eine Kürzung, wenn sie das nicht tun). (s. Anlagen „Einladung …“, „Flyer …“ und „EGV …“).
Alle 14 Tage sollen die Leute nun dort antanzen und dort auch ihre persönlichen und familiären Probleme offen legen. Angeblich besteht Schweigepflicht (jegliche Rechtsgrundlage dafür ist uns allerdings unbekannt).
Eine solche EGV wurde vor einiger Zeit vom Sozialgericht Dortmund als „Nötigung“ bezeichnet. Die Androhung einer Sanktion bei Nichtabschluss ist längst von Gerichten für obsolet erklärt worden. Zudem kommt es zu Datenschutzverstößen und zur Anmaßung hoheitlicher Aufgaben durch die Träger.
Die Rechtsgrundlagen:
Gesetzlich ist die Beauftragung Dritter geregelt in § 16 Abs. 1 SGB II durch Hinweis auf § 37 SGB III (Beauftragung Dritter mit der Vermittlung):
„(1) Die Agentur für Arbeit kann zu ihrer Unterstützung Dritte mit der Vermittlung oder mit Teilaufgaben der Vermittlung beauftragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn dadurch die berufliche Eingliederung erleichtert werden kann. Die Agentur für Arbeit kann dem beauftragten Dritten Ausbildungssuchende und Arbeitssuchende zuweisen, wenn diese der Zuweisung nicht aus wichtigem Grund widersprechen. Der Ausbildungssuchende und Arbeitssuchende ist über das Widerspruchsrecht zu belehren.“
(2) Die Agentur für Arbeit kann Träger von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit der Vermittlung der geförderten Arbeitnehmer beauftragen. … “
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verlangt in ihren Hinweisen dazu allerdings zuvor eine ausführliche Erörterung und Belehrung. Das Ergebnis ist zu dokumentieren. Der Vermittler/Berater soll mit dem ausgewählten Bewerber seine berufliche Situation erörtern und über die Gründe für die Beauftragung eines Dritten mit vermittlerischen Aufgaben informieren. Das schließt auch eine Information über das Widerspruchsrecht gegen die Zuweisung zum Dritten ein sowie gegen die Weitergabe seiner Daten. (6) Uns ist nicht bekannt, dass die ARGE Bochum dem entsprechen würde.
Die Aushändigung des Vordrucks sowie das Ergebnis der Belehrung ist zwingend in der Beratungs- und Vermittlungsniederschrift (B3T) festzuhalten.
Besondertes Augenmerk ist dabei auf den Datenschutz zu legen. So die Begründung zum Job-Aqtiv-Gesetz (7).
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Volkszählung hervorgehoben, dass dieses Grundrecht, auch bezeichnet als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, nicht nur dem Schutz des Einzelnen vor dem Missbrauch seiner Daten dient. (8)
Wir wollen informieren, dass diese „Eingliederungsvereinbarung“ (EGV) nicht vor Ort unterschrieben werden braucht. Eingehende unabhängige Beratung ist hier von Nöten. Eine Ablehnung der „Betreuung“ durch Dritte scheint allerdings nicht ohne Weiteres nicht möglich. Eine Ablehnung der Datenübergabe wohl schon eher.
Statistikmanipulation
Wir fragen nach dem Sinn eines solchen Massenauftriebs? Vermittlung in Arbeit kann es nicht sein, der Arbeitsmarkt wird hier zunehmend enger. Also wird es wohl die mit den Hartz-Gesetzen angestrebte Repression und Kontrolle sein.
Da erschien am Mittwoch, 26. Nov. 2008 die Financial Times Deutschland mit einer aufsehen erregenden Meldung (9), die am 27. Nov. 2008 im Wirtschaftsteil der WAZ aufgegriffen wurde. Demnach sollen alle Arbeitslosen, die sich in einer solchen „Fremdbetreuung“ befinden, in der Statistik nicht mehr als „arbeitslos“ geführt werden. Das zuständige Bundesministerium hat das bestätigt.
Mensch stelle sich vor: mit einem Schlag sind zweitausend Menschen aus der Statistik verschwunden. Und das bei einer befürchteten tatsächlichen Zunahme im kommenden Jahr (OPEL und die Leiharbeitsfirmen, Zulieferer, Handelsunternehmen wie Wehmeyer und Sinn-Leffers und weitere stossen ihre Leute in den „Arbeitsmarkt“ ab). (So die „Kommentierung zur Zielplanung 2009“ der ARGE Bochum). Wie gut steht die ARGE Bochum dann da, wenn sie wiederum mit angeblich gesunkenen Arbeitslosenzahlen protzen kann.
An die KollegInnen in den Personalräten und Gewerkschaften der ARGE:
Das Hartz-Gesetz Nr. 3 forderte die Umstrukturierung der Arbeitsämter zu nach betriebswirtschaftlichen Kriterien operierenden Einrichtungen. Leistungen sollten – wo möglich – an private Träger vergeben werden. Dort arbeiten für billiges Geld auch Menschen, die Hartz IV aus eigener Erfahrung kennen oder ihr kleines Gehalt noch mit ALG II aufstocken müssen. Für uns Betroffene kann das besser sogar sein als die „Betreuung“ durch überarbeitete und frustrierte SachbearbeiterInnen. Ab 2009 sollen diese Maßnahmen sogar europaweit ausgeschrieben werden – Dumpingpreise werden die Folge sein, die Betroffenen nur noch Nummern.
Hartz IV stellt sich zwar u. a. dar als riesige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Verwaltung. Für die Betroffenen wurde dadurch die Lage schlimmer als je zuvor. Die KollegInnen der ARGE und ihre Vertretungen sollten sich allerdings überlegen, ob sie diesem Ausverkauf ihrer Qualifikationen und ihrer Beschäftigung tatenlos zusehen wollen.
Konsequenzen
Wir fordern, dass endlich einmal anerkannt wird, dass der Arbeitsmarkt in Wirklichkeit dicht ist. So kann es mit der Arbeit nicht weitergehen. Zusätzliche Arbeitsplätze entstehen vorwiegend im Bereich Leiharbeit und Teilzeitarbeit, von denen niemand eine Familie ernähren kann. Folge ist zu wenig und unterbezahlte Arbeit mit aufstockendem Hartz IV. Wir fordern eine ausreichende Grundsicherung ohne Repressionen für alle. Alle Maßnahmen wie diese sogenannte „Intensivbetreuung“ ebenso wie Ein-Euro-Jobs und Sonstiges dürfen nur auf absolut feiwilliger Basis erfolgen. Alles andere führt zu einer Spaltung der Gesellschaft und zu einer Abstempelung der Betroffenen. Arbeitslosigkeit wird in Zukunft fast jeden ein- oder mehrfach im Leben treffen. Es kann nicht sein, dass sie dann all ihrer Ersparnisse verlustig gehen. Dass sie unter dem sozio-kulturellen Existenzminimum leben müssen. Dass sie als „Faulenzer und Schmarotzer“ abgestempelt werden, ihrer Würde beraubt werden, und anschliessend mit gebrochenem Rückgrad jede schlechte Arbeit für jeden miesen Lohn annehmen!
1) www.labournet.de/…zwang/inteam.pdf
2) http://de.wikipedia.org/wiki/Verfolgungsbetreuung
3) www.givo-ifbb.de/start.html
4) www.via-bochum.de/
5) www.wbz-bochum.de/
6) www.arbeitsagentur.de/…Hinweise-P37-Beauftragung-Dritter-mit-der-Vermittlung.pdf
7) http://dip.bundestag.de/btd/14/069/1406944.pdf
8) www.datenschutz.rlp.de/…volkszaehlung.pdf
9) www.ftd.de/politik/…Regierung-frisiert-Statistik-f%FCr-Arbeitslose/442995.html
Unabhängige Sozialberatung
– Beratungs- Beschwerde- und Ombudsstelle für Erwerbslose –
Rottstr. 31, 44793 Bochum, Tel.: 0234 – 460 169 (AB); Fax: – 460 113; e-mail: Sozialberatung@sz-bochum.de
Hilfestunden: Dienstag: 16.00 – 18.00; Donnerstag: 11.00 – 13.00 Uhr (Tel. persönlich dann: – 5 47 29-57/-60)
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