Berlin und seine Stadtteile – Kesse Sprüche in der Weddinger Stammkneipe und beim Moabiter Friseur

Der Berliner Autor Dietrich Novak schaut gerne dem Volk „aufs Maul“. Da treffen sich die Herren der Schöpfung in ihrer Stammkneipe und lästern über Gott und die Welt, und das schöne Geschlecht gibt im Frisiersalon Kontra.

Der Berliner ist für seine kessen Sprüche und Redewendungen bekannt. Nicht nur in Berlin Geborene befleißigen sich der Berliner Mundart, weil es längst ein offenes Geheimnis ist, dass der Jargon kreative und witzige Wortschöpfungen hervorgebracht hat. Deshalb gilt es längst nicht mehr als unfein, zu berlinern. Die Zeiten, in denen die Berliner Mundart als gewöhnlich oder gar ordinär gegolten hat, sind wohl endgültig vorbei. Heutzutage sind Begriffe in den Sprachgebrauch übernommen worden, deren Herkunft kaum noch bekannt ist. Berlin war eben schon immer ein Schmelztiegel unterschiedlicher Nationen, lange bevor es Gastarbeiter gab. Früher haben Franzosen, Niederländer, Polen, Russen und auch Amerikaner dem Berliner Dialekt ihren Stempel aufgedrückt. Der Berliner hat die Begriffe dann lediglich kurzerhand eingedeutscht, sodass es mitunter schwerfällt, hinter dem Begriff noch das ursprüngliche Wort zu erkennen. Bei Portemonnaie und Trottoir ist es noch einfach, aber wer vermutet hinter der Budike (Kneipe, Gaststätte) den Ursprung „Boutique“? Und wer hätte gedacht, dass etepetete, das in Berlin für heikel oder pedantisch steht, von „être peut-être“ (im Zweifel sein) entlehnt ist? Womöglich stammt das Wort icke (ich) vom niederländischen „ik“ ab, die jüdische Kultur sorgte für Begriffe wie Massel (Masseltoff – Glück) und koscher (rein), und das russische „Schiskojenno“ (gleichgültig) sind Beispiele für Einflüsse aus dem osteuropäischen Raum.

Letztendlich ist es dem Berliner egal, woher was stammt, Hauptsache es klingt witzig oder treffend. Auch an flotten Sprüchen macht ihm so schnell keiner etwas vor. „Als ick heut’ Nacht von dir jeträumt hab’, is’ ma vor Schreck der Wecker stehen jeblieben“ oder „Du hast `ne charmante Art, um Backfeifen zu bitten“ (Du bist ganz schön frech) sind Liebesbezeugungen der anderen Art.

In seinem Buch „Een Schnäpperkin löst de Zunge“, das im Berliner hnb-verlag erschienen ist (ISBN 978-3-943018-22-6, 12,90 Euro), hat der Berliner Schriftsteller Dietrich Novak seinen Protagonisten einige dieser Sprüche und Redewendungen in den Mund gelegt. Wenn sich vier Männer, die eines gemeinsam haben, nämlich ihre Berliner Herkunft, einmal wöchentlich am Stammtisch treffen, fliegen schon mal verbal die Fetzen. „Hübschet Hemde mit ’nem schönen Kragen haste an. Jibt’s den ooch in Weiß?“ oder „Schicken Pulli trägste. Jab’s den ooch in deiner Größe?“ sind die kleinen Unverschämtheiten, die untereinander nicht übel genommen werden. Ein anderes Mal fragt einer den anderen: „Willst de ooch ’nen Bräßering?“ „Wat will ick?“ „Na, ’nen Brathering uff Englisch.“ So geht das munter über mehr als hundert Seiten. Nebenbei erfährt man allerhand Wissenswertes über den Stadtteil Wedding gestern und heute.

„Ich liebe es, längst Vergessenes mitzuteilen und bei der Leserschaft Erinnerungen wachzurufen“, meint der Autor. „Wer weiß zum Beispiel noch, was es in den Berliner Bezirken für Kinos und Kaufhäuser gab oder welche Busse und Straßenbahnen dort gefahren sind? Das ist alles gründlich recherchiert, aber vieles stammt auch aus eigener Erinnerung. Auf jeden Fall werden die Leser künftig den Stadtteil mit ganz anderen Augen sehen, wenn sie dort spazieren gehen.“

Da drängt sich die Frage auf, ob noch weitere Stadtteile folgen werden? „Sofern sie eine interessante Geschichte zu bieten haben, bestimmt. Als Nachfolgebuch ist ja bereits das Buch über Moabit erschienen. Das schöne Geschlecht, das in Sachen Schlagfertigkeit den Herren in nichts nachsteht, sollte schließlich auch mal zu Wort kommen. Und wo fühlt man sich dabei ungestörter als im Frisiersalon?“

Ein kleiner Auszug: „Hallo, Friedel“, begrüßte sie Marina herzlich. „Einmal Waschen und Hinlegen oder doch lieber Waschen und Stöhnen?“ Mit „Hinlegen“ war das Aufdrehen mit Lockenwicklern gemeint und mit „Stöhnen“ das Föhnen, aber das bedurfte schon längst keiner Erklärung mehr, denn es war ein Running-Gag zwischen ihnen, den Friedel erfunden hatte. „Von wejen Hinlejen, dir helf ick jleich. Ick will ja nich’ wie meine eijene Großmutter aussehen.“

Oder: „Ist hier der Friseur?“, fragte er munter. „Nee, ick hab’ in mein Wohnzimmer Trockenhauben anne Wände statt Bilder“, antwortete Marina.

„Das Moabit vergangener Zeiten hatte einiges zu bieten“, so Dietrich Novak, „allein, wie sich die Turmstraße verändert hat oder wie das Fernsehen, das dort in seinen Anfängen öffentlich vorgeführt wurde, langsam für das Kinosterben gesorgt hat. Von den ehemaligen Palästen keine Spur mehr. Ich hoffe, man ist neugierig genug, um das zu entdecken.“

„Scharf jeschnitten und spitz jequatscht“ ist ebenfalls im Berliner hnb-verlag erschienen (ISBN 978-3-943018-32-5, 12,90 Euro).

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