Das Bundesarbeitsgericht hat sich am 7. Februar 2012 umfassend und grundlegend zum Verhältnis Beschäftigtendatenschutz – Kontrollrechte des Betriebsrates geäußert. Konkret ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber beim betrieblichen Eingliederungsmanagements sich derart vom Betriebsrat kontrollieren lassen muss, dass ohne Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter deren Namen bekannt geben muss. ilex erklärt die Hintergründe der Entscheidung und weist insbesondere darauf hin, was der jeweilige betriebliche Datenschutzbeauftragte zu beachten hat.
1. Der arbeitsrechtliche Hintergrund
Einen Arbeitgeber treffen zahlreiche Fürsorgepflichten für seine Mitarbeiter. Er ist u.a. verpflichtet, für Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) zu prüfen (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Ziel des Verfahrens ist es, festzustellen, ob die Arbeitsunfähigkeit überstanden ist der Arbeitsplatz gerettet ist.
Bei der Prüfung dieser Umstände werden zahlreiche personenbezogenen Daten über den Arbeitnehmer erhoben, die u.a. seinen Gesundheitszustand betreffen. An die Verarbeitung solcher Daten knüpfen das Datenschutzrecht und insbesondere das Beschäftigtendatenschutzrecht strenge Anforderungen. Denn hierbei handelt es sich um eine sog. besondere Art personenbezogener Daten, vgl. § 3 Absatz 9 des Bundesdatenschutzgesetzes (kurz: BDSG).
2. Der Fall
Im konkreten Fall ging es – laut einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts – um ein Unternehmen, in dem eine Betriebsvereinbarung die Durchführung der bEM regelt. Darin war geregelt, dass der Betriebsrat quartalsweise ein Verzeichnis derjenigen Mitarbeiter erhält, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Das Unternehmen begehrte nun, dass es die Namen der Arbeitnehmer nur mit deren Einwilligung in das Verzeichnis aufnimmt.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitgeber sämtliche betroffene Arbeitnehmer in das Verzeichnis aufnehmen muss. Eine Einwilligung sei hierfür nicht erforderlich. Zur Begründung soll es – laut einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts – geheißen haben, dass der Betriebsrat für die Ausübung seines gesetzlichen Überwachungsrechts den betroffenen Personenkreis kennen müsse; einer namentlichen Benennung stünden weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.
3. Fazit
Die Entscheidung steht in der Tradition des Bundesarbeitsgerichts, Betriebsvereinbarungen und insbesondere den Kontrollrechten des Betriebsrates eine hohe Bedeutung beizumessen. Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen sind auf dieser Grundlage in aller Regel zulässig; einst entschied das Bundesarbeitsgericht sogar, dass eine Betriebsvereinbarung als sonstige Rechtsvorschrift i.S.v. § 4 Absatz 1 BDSG gilt. Damit können Arbeitgeber und Betriebsrat ein untergesetzliches Datenschutzrecht schaffen und somit flexible Lösungen finden. Mithin ist diese Linie des Bundesarbeitsgerichts nur auf den ersten Blick arbeitgeberfeindlich; tatsächlich bietet diese Entscheidung eine Chance für Arbeitnehmer und Arbeitgeber flexible Lösungen zu finden und zugleich die Rechte des Betriebsrates zu wahren.
Betriebliche Datenschutzbeauftragte müssen gleichwohl aufpassen, dass die somit übermittelten Daten nur zu dem Zweck der Kontrollrechte genutzt und nicht zweckentfremdet werden. Denn hierfür hätte auch das Bundesarbeitsgericht kein Verständnis.
Dr. Stephan Gärtner
Rechtsanwalt