Bundessozialgericht stärkt die Falschen und schwächt Hartz IV-Bezieher

Ein-Euro-Jobber müssen Fahrgeld selbst bezahlen, Patchworkfamilien haben das Nachsehen – Es werden Strategien gegen die Gewinner der Arbeitslosigkeit entwickelt

(BSOZD.com-NEWS) Kassel/Bonn. Ein-Euro-Jobber müssen die Fahrten zu ihrem täglichen Arbeitsplatz aus ihrer eigener Tasche bezahlen. Die Kosten für eine Monatskarte seien den Jobbern nicht zusätzlich zu zahlen, entschied am heutigen Donnerstag das Bundessozialgericht in Kassel. (Az.: B 14 AS 66/07 R). Das Kassler Gericht entschied ebenfalls die Rechtsmäßigkeit der Unterhaltheranziehung des Stiefvaters, wenn der leibliche Vater nicht zahlen kann oder will. Bei der Prüfung des Hartz IV-Anspruches eines unverheirateten Kindes, das mit seinem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, sei auch Einkommen und Vermögen des neuen Partners zu berücksichtigen (Az.: B 14 AS 2/08 R). Das Erwerbslosen Forum Deutschland äußerte Unverständnis und Bedauern zu beiden Entscheidungen. Das Bundessozialgericht habe damit die Rechte der Falschen gestärkt und die Betroffenen regelrecht vor den Kopf gestoßen.

Im Falle des Ein-Euro-Jobbers hatte ein Erwerbsloser aus dem Sauerland, der ein Jahr lang in einem Gebrauchtmöbelkaufhaus in der Ortschaft Iserlohn als Ein-Euro-Jobber gearbeitet hatte geklagt. Zu seinem Arbeitslosengeld II bekam der Mann dafür vom Jobcenter einen Euro pro geleistete Arbeitsstunde, somit monatlich 130 Euro. Einen Großteil seines erarbeiteten Geldes musste der Mann allerdings für die knapp 52 Euro teure Monatskarte investieren, die er brauchte, um den Arbeitsplatz auch zu erreichen. Die Argumentation des Klägers, er erziele insgesamt mit einem Stun¬denlohn von ca 6 Euro (unter Berücksichtigung aller ihm gewährten Hartz IV-Leistungen) einen unangemessenen »Lohn« verkennt die Rechtsnatur des Ein-Euro-Jobs, wie sie vom Gesetz¬geber des SGB II umgesetzt wurde.

Im Falle der »Patchworkfamillie« hielt der Senat, die in der Rechtsprechung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken für beachtenswert, letztlich aber nicht durchgreifend. Der Gesetzgeber habe die Neuregelung zum Schutz der Ehe aufgenommen. Bei einer Eheschließung der Mutter der Klägerin mit ihrem neuen Partner wäre zwischen der Klägerin und dem Stiefvater eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des SGB II entstanden, so dass vermutet würde, dass das nichtleibliche Kind vom Stiefelternteil Leistungen erhält.

Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland warf dem Gericht »abenteuerliche« Konstruktionen vor, die letztendlich den Falschen erhebliche Vorteile bringen würden, während Betroffene das Nachsehen hätten. »Im Falle der Entscheidung zur Patchworkfamilie, wonach der nicht leibliche Elternteil für den Unterhalt der Kinder aufkommen muss, ermutigt das Gericht leibliche Elternteile dazu, nicht den Unterhalt für die eignen Kinder zu bezahlen. Jeder wird sich genau überlegen, ob er eine Familie eingehen möchte, wo schon Kinder vorhanden sind.

Dass Ein-Euro-Jobber nun amtlich keinen Anspruch auf Fahrtkosten haben zeigt uns das ganze Ausmaß der Mitnahmementalität der Träger derartiger Maßnahmen. Während diese oftmals bis zu 500 Euro und auch weitaus mehr vom Staat für Menschen erhalten, die keinen Lohn erhalten, wird nun auch noch amtlich besiegelt, dass der Gewinner die Träger sind, die sich an den Arbeitskräften für Umsonst derart bereichern dürfen. Wir werden in den nächsten Wochen Antworten und Strategien entwickeln müssen, um den Trägern derartiger Maßnahmen die Geschäftslaune zu verderben. Bisher wurden diese weitestgehend aus der öffentlichen Debatte ferngehalten. Wie die Antworten aussehen, wird ein intensiver Diskussionsprozess ergeben. Sicher wird der Vorwand der Wohltätigkeit danach nicht mehr ziehen und das Geschäft mit der Arbeitslosigkeit kein Spaß mehr machen«

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