Die Demokratie in Mauretanien bleibt lebendig – Die Hintergründe für den politischen Machtwechsel

Politische Machtzentrale: Präsidentenpalais in der mauretanischen Landeshauptstadt Nouakchott
Politische Machtzentrale: Präsidentenpalais in der mauretanischen Landeshauptstadt Nouakchott

Berlin (pressrelations) – (BSOZD.com-NEWS). Nouakchott (bdf) – Eine tiefe politische und institutionelle Krise während der letzten Monate drohte das sunnitisch-islamisch geprägte Mauretanien in seinen Grundfesten zu erschüttern. Ausgangspunkt war der massive Verdacht, dass es unter dem am 6. August abgesetzten Präsidenten Sidi Ould Cheikh Abdallahi zu erheblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Gemäß Artikel 53 der Verfassung von 2006 hatten mit 67 Abgeordneten der Nationalversammlung nahezu zwei Drittel aller 95 Parlamentarier eine Sondersitzung gefordert, die der frühere Präsident ebenso strikt abgelehnt hatte wie die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die 40 Mitglieder des Senats von insgesamt 56 Senatoren, also über siebzig Prozent verlangt hatten.

Die selbstherrliche Hartnäckigkeit des bisherigen Staatsoberhaupts, ein Misstrauensvotum gegen die Regierung zu blockieren und sich dem Ersuchen beider Kammern des Parlaments zu verweigern, hatte nicht nur zu einer Blockade der Arbeit der demokratisch gewählten Institutionen geführt, sondern lähmte zunehmend auch die Wirtschaft des Landes. Alle Zeichen deuteten auf einen Mangel an Transparenz der Staatsgeschäfte hin – ein günstiger Nährboden für Korruption, Veruntreuung oder Verschwendung öffentlicher Gelder sowie für Vetternwirtschaft. Inzwischen verlangten die Abgeordneten die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die Licht in die Quellen zur Finanzierung der von der Frau des Ex-Präsidenten geführten Stiftung „Khattou Mint El Boukhary“ (KB) bringen soll, die deren Namen trägt.

Anstatt einen auf Konsens gegründeten Ausweg aus der Krise zu suchen, dem alle Verfassungsorgane hätten zustimmen können, entließ Ould Cheikh Abdellahi eigenmächtig und ohne jede vorherige Ankündigung die ranghöchsten Offiziere der Nationalen Armee und verübte damit einen Staatsstreich gegen sich selbst.

Großer Zuspruch für die Amtsenthebung

Angesichts einer solchen Missachtung der republikanischen Einrichtungen sahen sich die für den Staatsstreich vom 3. August 2005 Verantwortlichen in der Pflicht zu handeln, um das Gleichgewicht der demokratischen Institutionen des Landes wiederherzustellen. Ohne Blutvergießen haben sie deshalb die Macht am 6. August vorübergehend übernommen, die sie schon einmal im Jahr 2007 freiwillig zurückgegeben hatten, als der Übergang von der früheren Militärherrschaft zur Demokratie erfolgreich abgeschlossen war.

Der jetzige Wechsel in der Staatsführung wurde von der Mehrheit der Bevölkerung massiv unterstützt, von deren Vertretern auf nationaler Ebene, den Abgeordneten und Senatoren, sowie auch auf lokaler Ebene, wo mit 191 aller 216 demokratisch gewählten Bürgermeister sogar 88 Prozent ausdrücklich für die Übergangsregierung gestimmt haben. Nicht weniger als 41 der in Mauretanien zugelassenen 59 politischen Parteien bekundeten der neuen Staatsführung ihre volle Unterstützung, um in einer konzertierten Aktion die rechtmäßige Ordnung wiederherzustellen.

Dass es inzwischen auch zu Kundgebungen gegen die neuen Machthaber gekommen ist, die durch diese in keiner Weise behindert oder gar verboten worden sind, spricht dafür, dass die Demokratie in dem Land, wo etwa drei Millionen Menschen leben und das fast dreimal so groß wie Deutschland ist, nach wie vor lebendig ist. Einige Mitglieder der „Nationalen Front für die Verteidigung der Demokratie“ haben sich öffentlich gegen die neue Führung ausgesprochen und die sofortige Wiedereinsetzung des am 19. April 2007 für fünf Jahre vom Volk frei gewählten Präsidenten gefordert. Die kürzlich einberufene außerordentliche Sitzung des Parlaments hatten 37 von 95 Abgeordneten und eine gleiche Anzahl von Senatoren boykottiert. Dies widerlegt insbesondere Äußerungen aus dem Ausland über eine Beeinträchtigung bürgerlicher Freiheiten oder gar einen Rückgang der Demokratie.

Das Arbeitsprogramm für die Übergangsregierung

Der Hohe Staatsrat unter der Führung von General Mohamed Ould Abdel Aziz hatte schon bald nach der jüngsten Machtübernahme die wichtigsten Ziele für die nahe Zukunft formuliert:

• Schutz und Unterstützung des vor drei Jahren eingeleiteten Demokratisierungsprozesses auf allen Ebenen
• Gewährleistung der uneingeschränkten Arbeit aller Institutionen der Islamischen Republik Mauretanien
• Erhalt und Stärkung der parlamentarischen Institutionen und rechtmäßig gebildeten politischen Parteien
• Aufrechterhaltung und Gewährleistung der Meinungs- und Pressefreiheit im ganzen Land
• Respektierung aller im Namen des Staates eingegangen internationalen Verpflichtungen und Abkommen
• Vorbereitung von schnellstmöglich durchzuführenden freien Wahlen unter internationaler Beobachtung

Zur Durchführung dieser Aufgaben, auch mit Blick auf die Wahlen, wurde der neue Ministerpräsident Moulaye Ould Mohamed Laghdaf, zuletzt Botschafter Mauretaniens in Brüssel, mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.

Telefonische Direktauskünfte erhalten Sie unter: 0157 / 78 68 25 99