Doppelte E-Commerce-Chance für Großhändler

Zwar haben sich Großhändler in ihrer klassischen Funktion typischerweise zwischen den Lieferanten und dem Einzelhandel positioniert. Eine Doppelstrategie im E-Commerce eröffnet ihnen aber die Möglichkeit, auch die Endkunden unmittelbar zu adressieren.

„Die höheren Wachstumspotenziale im elektronischen Handel bestehen für Großhändler der meisten Branchen weniger im B2B-Geschäft mit dem Einzelhandel, weil sich dort E-Commerce bereits weitgehend etabliert hat und dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Segment beschränkt sind“, skizziert Gregor Göbel, Abteilungsleiter Vertrieb bei der POET GmbH, die Situation im Markt. Hinzu komme, dass in steigendem Maß Hersteller das originäre Geschäft der Großhändler beeinträchtigen, indem sie die Kunden selbst über ihre Web-Shops adressieren und dadurch Handelsstufen überspringen. Aber auch internationale Anbieter, Marktplätze und Pure Player tragen zu dem steigenden Risiko bei, dass Umsatzströme vom Großhandel abfließen.

Ganz neue Perspektiven entstehen jedoch, wenn der Fokus ergänzend auf das Konsumentengeschäft gerichtet und Umsatzvolumen mit Endkunden zum Großhandel geleitet wird. Auch wenn die Gewichtung von B2B und B2C nicht in jeder Branche für jeden Großhändler gleich relevant ist, bietet diese Erweiterung des Geschäftsmodells vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Hierzu kann beispielsweise auch gehören, dass die eigene E-Commerce-Plattform personalisiert für kleinere Fach- und Einzelhändler bereitgestellt wird. „Auf diese Weise lässt sich nicht nur der Abfluss von Handelsvolumen an Mitbewerber deutlich reduzieren, sondern es entsteht in diesem Fall auch die Chance, die Vorteile der lokalen Präsenz der Fachhändler mit den Vorteilen der zentralen Mehrwertleistungen zu verbinden“, betont Göbel. Dadurch könnten neue Services und Angebote bei den Kunden platziert und neue Umsatzchancen generiert werden.

In dem ergänzenden Konsumentenfokus verbirgt sich zudem noch ein weiterer und wesentlicher Nutzen: Der Großhandel erhält durch seinen unmittelbaren Kontakt zu den Endkunden wichtige Informationen zu ihrem Kaufverhalten, auf die er bisher verzichten musste. Dies versetzt ihn in die Lage, das Angebot präziser auf die Konsumenten zuschneiden zu können und verkaufsfördernde Maßnahmen zu initiieren. Das können etwa Kampagnen oder Rabattaktionen sein, um gezielt den Abverkauf bestimmter Produkte oder in ausgewählten Regionen zu steigern.

Doch eine solche Strategie ist mit der Herausforderung verbunden, eine Brücke zwischen B2B und B2C zu schlagen. Denn erfahrungsgemäß unterscheiden sich die Bedürfnisse der B2B-Kunden und Endkonsumenten erheblich. „Es muss eine E-Commerce-Strategie entwickelt werden, die den Anforderungen der heterogenen Kundengruppen entspricht. E-Commerce ist dabei nicht allein aus der Shop-Perspektive zu betrachten, sondern als eine gesamtheitliche Ausrichtung, die neben der notwendigen IT-Landschaft auch weitreichende Veränderungen und Möglichkeiten für andere Bereiche wie Marketing, Logistik und weitere Funktionen abbildet.“ Allein in logistischer Hinsicht bestehe ein deutlicher Unterschied zwischen Großlieferungen und der Einzelkommissionierung mit Versand an Endkonsumenten.

Hinsichtlich der E-Commerce-Plattformen gebe es jedoch keine Einschränkungen für eine Koexistenz von B2B und B2C. „Sie bieten heutzutage die Möglichkeit, unterschiedliche Kundenanforderungen ebenso wie verschiedene Geschäftsmodelle abzubilden.“