Ein (Zeit)Geist geht um.. –Unser Zentrales Fax

In unserer Firma teilen wir alles: Neben den Schreibtischen, Pausenraum-Regalen und Kaffeetassen nun auch unser Adressbuch. Über Nacht verschwanden plötzlich alle Karteikarten-Räder von den Schreibtischen. Fortan hatte nicht mehr jeder einzelne eine lange Liste von Kontakten, sondern ein Zentrales Fax brachte uns quasi ein gemeinsames Telefonbuch. Falls jemand ein Fax versendet, entnimmt er die Nummer des Empfängers unserer Datenbank. Vorbei die Zeit der Zettelwirtschaft… Vorbei auch die Zeit der Botengänge zu einem Kollegen oder Vorgesetzen mit einem Faxpapier in der Hand! Warum? Wieder die Antwort: Unser Zentrales Fax. Die Technologie erlaubt jedem Mitarbeiter den Zugriff auf den Inhalt gesendeter und empfangener Faxe. Auch dieser wird quasi in eine Datenbank eingespeist und kann so von allen eingesehen werden. Dies ist bei Zentralen Faxen zwar nicht generell so, doch im Zuge der Modernisierung unseres Unternehmens hat sich der Chef nicht lumpen lassen und uns neben dem neuen Faxgerät auch zu einer zentrale Datenbank verholfen. Unser Zentrales Fax ist somit unsere neue Mitarbeiterin, nämlich unser Fräulein vom Amt: Es empfängt alle eingehenden Faxe und verschiebt es mittels einer persönlichen Durchwahl in das Postfach des jeweiligen Empfängers. Wenn man ein Fax versendet, wird es quasi auch erst an das Zentrale Fax gesandt, welches es dann weiterverschickt.

Unser Zentrales Fax erspart uns somit Zeit und Geld. Es arbeitet ganz im Sinne der Ökonomie und hat mit Sicherheit in Sachen Zeitgeist die Nase vorn. Statt zum Beispiel die gleiche Information (zum Beispiel Kontaktnummern) auf jedem Schreibtisch in einer Ausfertigung vorzufinden, gibt es eine einzige Datenbank. Super. Die Ökonomen dieser Welt sind entzückt. Doch ich vermisse etwas… Wo sind meine Karteikärtchen, über die ich den einen oder anderen Kaffee kippte, die aber immer noch respektable lesbar sind? Wo ist meine Kollegin von zweite-Tür-links, die das ein oder andere Mal am Tag mit einem Fax in der Hand an meine Tür klopft..und wenige Stunden später erfolgt der Gegenbesuch?! Ich spreche hier von Nostalgie. Ein Zentrales Fax mag eine sinnvolle Anschaffung sein. Dennoch: Unser Zentrales Fax steht für mich für einen Trend und nicht für das Gerät, das es tatsächlich „nur“ ist. Ich verwehre mich gegen den Gedanken, dass maximale Optimierung das Ziel sein sollte. Vor einiger Zeit wurde in unserem Unternehmen in einer Etage die Türen aus den Büros entfernt –die Kommunikation sei somit erleichtert, lautete die offizielle Begründung. Ich bin da skeptisch… Ich habe nichts zu verbergen, aber ist es nicht ein unangenehmes Gefühl, permanent vernetzt zu sein? Vielleicht mag ich ja meine unpraktischen Karteikärtchen?! Und vielleicht gefällt es mir, ein Fax über den Orbit an mein eigenes Gerät zu erhalten, statt in mein Postfach verschoben durch unsere neue „Gute Seele“…? Selbstverständlich folgt ein Zentrales Fax nur diesem Trend und ist nicht der Trend selbst, doch für mich ist das Gerät zu einem Symbol geworden.