Anlaesslich des heutigen Kabinettsbeschluss zur Aenderung des
Nationalen Stipendiengesetz erklaeren der bildungspolitische
Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Ernst Dieter Rossmann und
die zustaendige Berichterstatterin Marianne Schieder:
Statt sich fuer eine sozial gerechtere Studienfoerderung
einzusetzen, hat das Bundeskabinett heute beschlossen, weitere
Millionen fuer ein reines Prestigeprojekt zu vergeuden. Als im
Juni das Nationale Stipendiengesetz mit schwarz-gelber Mehrheit
im Bundestag verabschiedet wurde, war bereits klar, dass dieses
Gesetz das Papier nicht wert ist, auf dem es geschrieben ist.
Noch bevor es in Kraft treten konnte, wird es nun novelliert –
und das an der falschen Stelle: Der Bund soll die Laenderanteile
an der Finanzierung uebernehmen. Damit wird aber nicht ein
einziger der zahlreichen offenkundigen handwerklichen Fehler des
Gesetzes korrigiert. Offenbar soll mit diesem parteipolitisch
motivierten Geschenk nur die Ablehnung der Laender ueberwunden
und Frau Schavan eine peinliche Niederlage erspart werden.
Bildungspolitisch ist das ein Offenbarungseid der Ministerin.
Alle Fehlkonstruktionen des Stipendiengesetzes bleiben von der
Novelle unberuehrt und bestehen fort. Selbst die von Union und
FDP bestellten Experten bei der Anhoerung im Bundestag
bescheinigten, dass das Stipendienprogramm erhebliche Maengel
aufweist. Angefangen von der utopischen Vorstellung, bis zu
160.000 Studentinnen und Studenten ueber das Programm foerdern
zu wollen. Dies wuerde bedeuten, dass die Gelder, die von
privater Seite derzeit in die Hochschullandschaft fliessen,
bundesweit nahezu verdoppelt werden muessten. Nur so kann man
die rund 300 Millionen Euro an nichtoeffentlichen Geldern
aufbringen, die fuer den geplanten Umfang des Programms
notwendig waeren.
Aber auch die finanzielle und organisatorische Ueberforderung
der Hochschulen als „Stipendienfoerderwerke“, das regional und
fachlich unausgewogene Stipendienangebot oder die bedrohte
Studienmobilitaet fuer die nunmehr an die Hochschule
„gebundenen“ Stipendiaten bestehen unveraendert fort. Diese
Novelle ist ein Paradebeispiel fuer eine „Verschlimmbesserung“
eines Gesetzes. Die angedachte Verbesserung der Uebernahme der
Verwaltungskosten der Hochschulen ist angesichts der
Erfordernisse voellig unzureichend. Die Bundesregierung laesst
mit dieser Novelle eine wertvolle Chance verstreichen, aus einem
lueckenhaften Gesetzestorso ein funktionierendes
Foerderinstrument zu machen.
Das groesste Problem aus Sicht der SPD ist die Tatsache, dass
mit dem Stipendienprogramm eine sozial unausgewogene
Studienfoerderung auf den Weg gebracht wird. Unterschiedlichste
Studien belegen klar und deutlich, dass in Deutschland der
Zugang zu Bildung in hohem Masse von der sozialen Herkunft und
den finanziellen Moeglichkeiten des Elternhauses abhaengt.
Richtige Konsequenz waere daher, vor allem das BAfoeG stark
auszubauen. Stattdessen laesst die Bundesregierung ihre kleine
BAfoeG-Reform daran scheitern, dass sie den Bundeslaendern bei
der Finanzierung dieses sozial gerechten Foerderinstruments
nicht unter die Arme greifen will.
Beim Stipendienprogramm fuer immer weniger Studierende aber ist
sie nun doch bereit, den Laendern sogar alle Kosten abzunehmen.
Das laesst sich nur ideologisch erklaeren. Als im Juli – trotz
noch vorhandener schwarz-gelber Mehrheit – das Stipendiengesetz
auf breiter Front zu scheitern drohte, verteilten Frau Schavan
und Frau Merkel grosszuegige Finanzierungszusagen. Der Bund
zahlt nun den kompletten oeffentlichen Anteil der Stipendien.
Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss zahlt die Bundesregierung
die erkaufte Zustimmung des Bundesrates. Ein „Basarhandel“, mehr
ist heute im Kabinett nicht beschlossen worden.
Die Novelle belegt auch in Zahlen das Scheitern der Ministerin:
statt 160.000 koennen hoechstens 10.000 Studierende gefoerdert
werden, statt 200 Millionen Euro wird der Bund wohl nur zehn
Millionen Euro im Jahr aufwenden, statt einer neuen
Stipendienkultur mit Chancen fuer Alle gibt es nun erstmals ein
eigenes, nur vom Bund betriebenes Foerdergesetz fuer wenige,
dazu fein ausersuchte Studierende. Schavans Prestigeprojekt ist
implodiert. Und die Abwrackkosten muss allein der Bund tragen.
Da hilft es wenig, wenn die Bundesregierung sich in Hoffnungen
fluechtet und in ihren Aenderungsentwurf schreibt, dass man von
einem raschen Aufwuchs ausgehe. Die sogenannte
christlich-liberale Koalition setzt damit ihre Geisterfahrt in
der Bildungspolitik fort. Sie verschleudert fuer unausgegorene
Projekte zig Millionen Euro. Damit koennte man stattdessen
zahlreichen jungen Menschen ueber etablierte Foerderwege, wie
dem BAfoeG, eine gewinnbringende Bildungsperspektive eroeffnen.
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