BSOZD.com-News Wiesbaden. (pressrelations) – „Museen und Gedenkstätten zur deutschen Geschichte zu besuchen, ist eine gemeinschaftliche und notwendige Form für die Erweiterung des Wissens und eine bewusste Kultur des Erinnerns – beides sind Voraussetzungen für eine lebendige Demokratie. Und dies gilt auch für die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen. Die besondere Herausforderung besteht dabei in einer Pädagogik, die Kindern Nicht-Selbsterlebtes erfahrbar macht und gleichzeitig kritisches Hinterfragen fördert; denn die Pädagogen, Lehrer, Eltern, Großeltern sind ja Teil der Geschichte, ihre Werte und Einstellungen sind von eigenen Erfahrungen geprägt“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kordula Schulz-Asche, in der heutigen Plenardebatte.
„Wir Deutschen sind nun zum zweiten Mal innerhalb von 60 Jahren mit der Aufarbeitung von Diktaturen beschäftigt. Und mit der Leichtigkeit der Verdrängung. Die Opfer versuchen ihre Verletzungen – psychischer und physischer Natur – zu überwinden. Einige tragen als Zeitzeugen zu einer sehr guten Erinnerungskultur bei. Die Täter haben guten Grund, Taten und Motive zu verschweigen. Bleiben die 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung, die so genannten Mitläufer. Sie haben ’nichts getan, nichts gesehen, nichts gewusst‘ und sie ‚konnten auch nicht tun, nichts sehen und nichts wissen‘. Und es sind die Mitläufer, die heute als Politiker, Lehrer, Eltern Wissen, Erziehung, Haltung, Demokratieverständnis vermitteln. Da funktioniert das Bedürfnis von Eltern sich auf die Seite der Autoritäten zu stellen, um den Kindern Unannehmlichkeiten und sich selbst Auseinandersetzungen zu ersparen. Aus Angst vor Tabubrüchen wird geschwiegen, verzerrt, unterschwellig kommuniziert. Alles wird ergänzt durch die Erfahrung, dass wer sich nicht in die Mitläufergesellschaft einfügt, wer nachfragt und in Frage stellt, schnell zum Außenseiter wird. Da sind die zahlreichen Mitglieder der Blockparteien, die bereit waren für eigene Vorteile das SED-Regime aktiv – vor allem auch moralisch – zu stützen. Und die zum Teil heute wieder in Amt und Würden sind?“
„Wir verfügen ja in Deutschland über ausreichend Erfahrung, auch in Westdeutschland, mit einer Gesellschaft, in der die ehemaligen Mitläufer das Sagen hatten. Die 50er und 60er Jahre waren durchdrungen von Denkverboten, Fragetabus, autoritärem Gehabe von Politikern, Lehrern, Elternhäusern. Und erst mit der kritischen Theorie der Frankfurter Schule, mit Adorno, Horckheimer, Mitscherlich begann die Befreiung des Denkens und die gesellschaftlich breite Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Dieser Prozess der Befreiung des Denkens steht für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte noch aus. Und deshalb reicht es nicht aus, zum Besuch von Museen und Gedenkstätten aufzurufen. Sondern wir brauchen ganz dringend einen breiten gesellschaftlichen Dialog über die Grundlagen unserer Demokratie.“
„Denn – das gilt damals wie heute – wie sollen den Kinder und Jugendliche Demokratie begreifen, lieben und verteidigen lernen, wenn freies Denken, kritisches Hinterfragen, Einmischung nicht gewünscht werden? Wenn demokratische Gesetze, freie Wahlen, freie Meinungsäußerung, Bürgerinitiativen nicht als Werbung für eine demokratische Gesellschaft ausreichen, dann ist dringender Handlungsbedarf. Demokratie braucht Selbstbewusstsein, Engagement und muss immer wieder und bei vielen Gelegenheiten mit Leben erfüllt werden. Demokratische Kultur braucht aktive Unterstützung und als Grundlage die Kenntnis der eigenen Herkunft und Geschichte. Und dies geht nicht ohne eine Kultur des Erinnerns, nicht ohne eine Kultur, sich der Geschichte zu stellen. Davon hängt die Zukunft unserer Demokratie ab“, unterstreicht Kordula Schulz-Asche.
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