HOMBURGER-Interview für den Focus (05.07.2010)
BERLIN. Die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Birgit HOMBURGER gab dem Focus folgendes Interview. Die Fragen stellten Olaf Opitz und Frank Thewes:
Frage: Frau Homburger, wir haben vergessen, womit der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP überschrieben ist. Wissen Sie es noch?
Homburger: Das kommt jetzt aber überfallartig.
Frage: O.K. Anders gefragt: Was treibt die schwarz-gelbe Koalition gemeinsam an?
Homburger: Wir wollen Wachstum, mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze, bessere Bildung und damit mehr Chancen und Freiheit für die Menschen in Deutschland. Und solide Staatsfinanzen als Vorraussetzung für eine stabile Währung.
Frage: Wie gering der eigene Zusammenhalt ist, hat sich bei der Kür des Bundespräsidenten gezeigt. Union und FDP brauchten drei Wahlgänge ? trotz satter Mehrheit. Sehen so Neustart und Geschlossenheit einer Regierungskoalition aus?
Homburger: Natürlich hätten wir uns einen Wahlerfolg im ersten Anlauf gewünscht. Aber am Ende gab es eine absolute Mehrheit. Christian Wulff wird ein Bundespräsident sein, der integriert und die Gesellschaft zusammenhält. Das hat er schon in seiner Antrittsrede beeindruckend deutlich gemacht. Er wird die Herzen der Menschen erreichen.
Frage: Normalerweise wollen Fraktionschefs wissen, wer die eigenen Leute ins Messer laufen lässt.
Homburger: Die FDP hat mit großer Geschlossenheit Christian Wulff gewählt. Nachforschungen, wer wie abgestimmt hat, bringen uns nicht weiter.
Frage: Aber warum läuft es nicht rund?
Homburger: Das ist oft genug analysiert worden. Die Koalition muss jetzt entschlossen handeln indem sie die Gesundheitspolitik und das Energiekonzept im Bundestag beschließt. Außerdem setzen wir mit dem Sparpaket ein Signal der Zukunftsfähigkeit. Endlich wird bei den Ausgaben wirklich gespart.
Frage: Das bringt Ihnen bereits mächtig Ärger ? auch in den eigenen Reihen.
Homburger: Wir setzen auf Sparen und nicht auf immer höhere Belastung der Bürger. Die Koalition will den Haushalt nachhaltig konsolidieren. Das ist eine gute Botschaft für die junge Generation. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Deshalb wird es im Bundestag natürlich noch Verbesserungen am Haushalt geben.
Frage: Können Sie sich noch mehr Einsparungen vorstellen?
Homburger: Das ist genauso möglich wie Umschichtungen im Haushalt. Wir wollen uns Spielräume für zukünftige Steuersenkungen bei kleinen und mittleren Einkommen erarbeiten. Die Abflachung des so genannten Mittelstandsbauches noch in dieser Legislaturperiode bleibt unser Ziel. Aber erste Priorität hat jetzt die Haushaltskonsolidierung.
Frage: Bleibt es bei der Kürzung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger?
Homburger: Ja. Wir haben übrigens zu Jahresbeginn Familien durch ein höheres Kindergeld und Freibeträge entlastet. Das Hartz-IV-Schonvermögen wurde verdreifacht. Der Ferienjob der Kinder wird nicht mehr mit dem Hartz-IV-Satz verrechnet. Aber an der Kürzung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger halten wir fest. Denn es ist eine Lohnersatzleistung für Beschäftigte, die zu Hause bleiben um ihre Kinder zu betreuen. Wer Hartz-IV erhält, bekommt bereits Geld von der Solidargemeinschaft.
Frage: Ist das Sparpaket denn ein Gewinnerthema?
Homburger: Ja, weil viele Menschen sich Sorgen machen um die Stabilität des Euro. Kein Spekulant der Welt hätte eine Chance zum Angriff auf den Euro gehabt, wenn die Haushalte der Euro-Mitgliedsländer solide gewesen wären. Deswegen wollen wir eine Verschärfung des Stabilitätspaktes in Europa, Regeln die Tricksereien verhindern und ein Frühwarnsystem. In Deutschland müssen wir dafür Vorbild sein und die Haushaltssanierung in den Mittelpunkt stellen.
Frage: In den Reihen der Koalition fordern viele auch höhere Steuern. Bröckelt der Widerstand in der FDP?
Homburger: Eine Erhöhung der Einkommenssteuer zur Sanierung des Haushalts ist der falsche Weg. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass diejenigen, die mehr leisten können, auch mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Ein Drittel der Steuerpflichtigen zahlt 80 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer. Und im Sparpaket werden die Verursacher der Finanzmarktkrise an den Kosten beteiligt – durch eine Bankenabgabe und eine Finanzmarktsteuer.
Frage: Also bleibt der Spitzensteuersatz so wie er ist?
Homburger: Ein höherer Spitzensteuersatz wäre das Dümmste, was wir jetzt machen könnten. Die gerade anlaufende Konjunktur würde abgewürgt.
Frage: Warum?
Homburger: Die Einkommenssteuer ist auch die Steuer für Personengesellschaften. Das sind kleine und mittelständische Betriebe, Familienunternehmen, die die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze sichern und schaffen. Hier die Steuern zu erhöhen, gefährdet Arbeitsplätze.
Frage: Ihre Partei will außerdem die Umsatzsteuerermäßigungen von Tafelwasser bis Tiernahrung reformieren. Gehören dazu dann auch die gerade erst Anfang Januar reduzierten Sätze für das Hotelgewerbe?
Homburger: Der Koalitionsausschuss wird im September die Schritte für die Reform abstecken. Das Mehrwertsteuersystem ist undurchsichtig und führt zu teilweise absurden Ergebnissen. Es muss komplett überarbeitet werden. Dafür wird eine Kommission eingesetzt, die alles auf den Prüfstand stellen wird. Entgegen früherer Koalitionen trauen wir uns, den Mehrwertsteuer-Dschungel zu lichten. Wir wollen die Reform bis 2013 umsetzen.
Frage: Die Gesundheitspolitik besitzt schon jetzt die Qualität zum Dauerstreit vor allem zwischen CSU und FDP. Geht das in der Sommerpause weiter?
Homburger: Bis zur Sommerpause werden wir eine Lösung haben. Der gemeinsame Wille ist da. Wir haben von Ulla Schmidt ein Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung geerbt. Bei einem Defizit von 11 Mrd. Euro müssen wir Strukturveränderungen vornehmen. Das geht nicht nur durch Einsparen, sonst brauchen wir bei der Gesundheit jedes Jahr ein Sparpaket. Wir werden deshalb nicht nur die Zusatzbeiträge weiterentwickeln, sondern einen automatischen steuerfinanzierten Sozialausgleich auf den Weg bringen.
Frage: Nun drohen höhere Beiträge. Belastet das nicht die Mittelschicht?
Homburger: Wir haben immer gesagt, dass das Defizit gemeinsam von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Leistungserbringern und Steuerzahlern ausgeglichen werden muss. Das ist fair und gerecht. Wir wollen mit der Neuregelung mehr Gerechtigkeit im Gesundheitswesen erreichen.
Frage: Welche Reform braucht unser Gesundheitssystem noch?
Homburger: Wir wollen eine Stärkung des Kostenerstattungsprinzips. Dann bekommen die Versicherten eine Rechnung vom Arzt. Damit hätten wir Anreize für kosten- und gesundheitsbewusstes Verhalten und deutlich mehr Transparenz und Wettbewerb im Gesundheitswesen.
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