HOMBURGER-Interview für die „Welt am Sonntag“
Berlin. Die FDP-Fraktionsvorsitzende, Präsidiumsmitglied BIRGIT HOMBURGER gab der „WELT am Sonntag“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THORSTEN JUNGHOLT.
Frage: Frau Homburger, Sie stehen als erste Frau an der Spitze der FDP-Bundestagsfraktion. Bedeutet Ihnen das etwas?
HOMBURGER: Das ist ein deutliches Signal an die Frauen. Zumal sechs der elf Vorstandsmitglieder weiblich sind.
Frage: Dazu kommen eine Kanzlerin und ein homosexueller Außenminister. Sind Sie stolz auf das Gesellschaftsbild, für das diese Bundesregierung steht?
HOMBURGER: Die Regierung repräsentiert die Gesellschaft, wie sie in Deutschland ist. Nicht mehr und nicht weniger. Wichtiger ist mir die Tatsache, dass ich die mit 93 Abgeordneten größte Fraktion führe, die wir Liberalen jemals hatten. Das gibt uns die Gestaltungsmacht, dafür zu sorgen, dass aus den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages auch Gesetze mit liberaler Handschrift werden – so wie beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
Frage: Ihr Bruder betreibt eine Schreinerei. Ist er mit diesem ersten Gesetz der Regierung zufrieden?
HOMBURGER: Als Handwerker, der einen Familienbetrieb führt und täglich mit den Lasten deutscher Steuergesetzgebung und Bürokratie zu tun hat, hält er Entlastungen für notwendig. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz werden Bürger und Unternehmen erstmals seit Jahren spürbar entlastet. Aber wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen ab 2011 mit einem Stufentarif bei den Steuern für weitere Entlastung und Impulse für Wachstum und Beschäftigung sorgen.
Frage: Wie soll eine große Steuerreform gelingen, da schon das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu Verwerfungen in der Koalition führt?
HOMBURGER: Es gibt keine Verwerfungen, nur abweichende Einzelmeinungen.
Frage: Diese reichen immerhin von den Ministerpräsidenten bis zum Bundestagspräsidenten Norbert Lammert von der CDU.
HOMBURGER: Auch sie haben dem Koalitionsvertrag alle zugestimmt. Es ist kontraproduktiv, erst eine Agenda zu beschließen und dann öffentlich über die eigene Politik zu lamentieren. Mit Selbstzweifeln überzeugt man niemanden. Wir machen eine gute Politik, das muss sich auch in der Außendarstellung widerspiegeln.
Frage: Sie können Mittwoch auf dem Dreikönigtreffen der FDP damit anfangen. Wie lautet Ihre Botschaft?
HOMBURGER: Wir wollen 2010 an die Aufbruchstimmung bei der Bundestagswahl anknüpfen. Wir werden klar machen, dass der Koalitionsvertrag für uns ein verbindlicher Arbeitsauftrag ist, den wir umsetzen. Und das heißt: Die Entlastung für die Mitte der Gesellschaft wird kommen.
Frage: Sie haben immer betont, Entlastung und Haushaltskonsolidierung gingen Hand in Hand. Von konkreten Sparvorschlägen ist uns aber nichts bekannt. Was ist aus dem liberalen Sparbuch geworden?
HOMBURGER: Schon der Haushaltsentwurf für das Jahr 2010 zeigt, dass wir Familien und Unternehmen steuerlich entlasten und trotzdem mit weniger Neuverschuldung auskommen als noch unter dem SPD-Finanzminister von der alten Regierung beschlossen. Wir werden auch für den Haushalt 2011 Sparvorschläge vorlegen. Alle Subventionen müssen auf den Prüfstand. Wichtiger als reine Streichvorschläge ist die Erarbeitung von Spielräumen durch strukturelle Änderungen. So gibt es beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit oder im Familienministerium eine Vielzahl von Programmen, die durch effizienteren Mitteleinsatz sogar optimiert werden können.
Frage: Konkreter geht’s nicht?
HOMBURGER: Wenn ich jetzt konkrete Einzelvorschläge nenne, wird das sofort zerredet. Es geht nur über ein Gesamtkonzept. Das wird für den Haushalt 2011 kommen.
Frage: In der Union wird eher über die Steigerung von Einnahmen nachgedacht, wie neue Steuern auf Finanzmarktgeschäfte und Managerboni oder die Beitragserhöhung zur Arbeitslosenversicherung.
HOMBURGER: Das steht alles nicht auf der Agenda der Koalition. Es ist ein Irrglauben, dass eine Finanzmarkttransaktionssteuer nur die Großen träfe. Belastet würden wieder vor allem die Kleinen, beispielsweise Riestersparer. Auch eine Steuer auf Manager-Boni ist eine sehr populäre Forderung, die gut ankommt, aber nichts bringt. Nötig ist stattdessen die Anwendung von Haftungsregeln. Auch Manager sollen für ihre Fehler geradestehen. Und die Arbeitslosenversicherung werden wir nicht teurer machen, sondern stabilisieren. Ich plädiere dafür, die Botschaft der Wahl nicht zu vergessen: Da gab es eine Bürgerbewegung für mehr Freiheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Das ist der Auftrag der Koalition, nicht irgendwelche Steuererhöhungen.
Frage: Es gibt auch eine Bürgerbewegung für mehr Privatheit, die sich die FDP im Wahlkampf zu Eigen gemacht hat. Nun sprechen Sie sich nun für den Einsatz von Ganzkörperscannern an Flughäfen aus. Wie passt das zusammen?
HOMBURGER: Wir lehnen die erste Generation der Ganzkörperscanner weiter ab, weil diese Geräte die Intimsphäre und die Menschenwürde verletzen. Jetzt gibt es eine weiter entwickelte Technik. Wenn diese Plastiksprengstoffe am Körper erkennen kann ohne die Privatsphäre zu verletzen, sollte man diesen Fortschritt nutzen.
Frage: Wankelmütig erscheint uns die FDP auch in der Außenpolitik. Über Monate hat Ihr Vorsitzender Guido Westerwelle für die multilaterale Abstimmung einer neuen Strategie auf der Afghanistankonferenz in London geworben. Jetzt droht er damit, nicht hinzufahren.
HOMBURGER: Der Außenminister hat lediglich zurecht darauf aufmerksam gemacht, dass es in London nicht nur um mehr Truppen gehen darf, sondern um ein Gesamtkonzept gehen muss. Im Zentrum müssen der Wiederaufbau und die Ausbildung von Sicherheitskräften stehen sowie die Verantwortung der afghanischen Regierung, für gute Regierungsführung, Korruptionsbekämpfung und den zivilen Aufbau.
Frage: Wer soll all die zivilen Aufbauhelfer und Polizeiausbilder schützen – wenn nicht Soldaten?
HOMBURGER: Die militärische Präsenz in Afghanistan ist nach wie vor nötig, das ist unstrittig. Niemand will länger in Afghanistan bleiben, als unbedingt erforderlich. Deshalb muss es eine Abzugsperspektive geben.
Frage: Schwingt bei Ihrem Zögern die Angst mit, dass eine Aufstockung der Soldaten nach den Vorkommnissen von Kundus im Bundestag nicht mehr mehrheitsfähig ist?
HOMBURGER: Es geht derzeit nicht um eine Aufstockung. Das Parlament wird ein künftiges Mandat unterstützen, wenn es um ein schlüssiges Gesamtkonzept geht. Wichtig ist, die afghanische Regierung in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Dafür ist insbesondere eine Verstärkung der Polizeiausbildung nötig. Diese Koalition wird, anders als die Vorgängerregierung, die nötigen Änderungen an den Strukturen vornehmen, um zukünftig ausreichend Polizeiausbilder für Auslandseinsätze zu haben.
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