Wegen Mangel an Wohnraum können Mütter oder Paare nach der Geburt ihres Kindes nicht aus der Wohnung der Eltern oder Schwiegereltern ausziehen
Stuttgart, 21. September – Die Zahl der Beratungsfälle in den Schwangerschaftsberatungsstellen der Caritas und beim Sozialdienst Katholischer Frauen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist in den Jahren 2015 bis 2017 um mehr als 12 Prozent angestiegen. Von den im Jahr 2017 beratenen 7381 Frauen thematisierten fast 30 Prozent ihre schwierige Wohnsituation. Fast 20 Prozent waren auf Wohnungssuche. „Sowohl in der Stadt wie auf dem Land fehlt adäquater und bezahlbarer Wohnraum für junge Familien. Auch für Ratsuchende mit mittlerem Einkommen ist es nahezu unmöglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden“, so Birgit Wypior, Referentin beim Caritasverband Rottenburg-Stuttgart. Einzelne Beratungsstellen sprechen von einer dramatischen Verschlechterung.
„Nach der Geburt eines Kindes brauchen Familien eben häufig eine größere Wohnung“, so Wypior. Lässt sich keine Wohnung finden, verbleiben Familien oft in viel zu beengten, oft qualitativ schlechten Wohnungen. Teilweise können Mütter oder Paare nach der Geburt ihres Kindes nicht aus der Wohnung der Eltern oder Schwiegereltern ausziehen. „Die Aussichtslosigkeit, die Situation zu verändern, wirkt auf manche Schwangere zermürbend.“
Ratsuchende im SGB-II-Bezug mieten zwangsläufig Wohnungen an, die über der Mietobergrenze des Jobcenters liegen. Im Extremfall kann das bei Zahlungsverzug zu Räumungsklagen führen. Die Beratungsstellen melden zurück, dass Familien auch Nebenkostenabrechnungen nicht mehr finanzieren können. „Teilweise nehmen Energieanbieter keine Rücksicht auf Schwangere oder Kinder im Haushalt und sperren relativ schnell die Energiezufuhr“, so Wypior.
Manche Familien gehen trotz eines geringen Einkommens nach langem, erfolglosem Suchen dazu über, ein Eigenheim zu erwerben. Dann reicht oft eine kleine Veränderung in der Erwerbs- und Einkommenssituation und das angespannte Finanzkonzept wird zur Schuldenfalle. Wohnungen im ländlichen Raum sind in der Regel für Familien mit höheren Mobilitätskosten und reduzierter Infrastruktur verbunden.
„Auch wenn immer wieder behauptet wird, die Zunahme an anerkannten Flüchtlingen sei für den Engpass am Wohnungsmarkt verantwortlich, so können wir dem nur nachdrücklich widersprechen“, so Caritasdirektorin Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock. Nicht die Anzahl an geflüchteten Menschen sei die Ursache der Wohnungsnot, sondern Versäumnisse und Fehlentscheidungen im sozialen Wohnungsbau in den letzten 20 Jahren. „Wohnen muss wieder neu als Grundrecht anerkannt werden. Es gehört daher zur Aufgabe des Sozialstaates, Rahmenbedingungen für eine ausreichende Versorgung von Wohnraum zu schaffen“, so Holuscha-Uhlenbrock.
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind 56 Beraterinnen und Berater in knapp 35 Vollzeitstellen in 15 Beratungsstellen an 39 Standorten in Trägerschaft des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart und des Sozialdienstes katholischer Frauen in der Katholischen Schwangerschaftsberatung tätig.
Mit ihrer Jahreskampagne 2018 „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ macht die Caritas bundesweit darauf aufmerksam, dass Wohnungsknappheit in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Weitere Informationen unter www.zuhause-für-jeden.de.
Der Caritasverband Rottenburg-Stuttgart e.V. ist der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg engagiert er sich politisch für die Interessen von armen, benachteiligten und hilfebedürftigen Menschen und tritt gegen deren Ausgrenzung ein. Regional und landesweit vertritt er die Interessen von 1.740 katholischen Einrichtungen und Diensten in wichtigen Fragen pflegerischer und sozialer Arbeit. Insgesamt arbeiten unter seinem Dach 33.000 hauptamtliche und genauso viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In neun Caritasregionen bietet der Caritasverband soziale Dienstleistungen für Kinder, Jugendliche und Familien, alte und pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderung, Arbeitslose, Wohnungslose, Menschen mit Fluchterfahrung oder mit einer Suchterkrankung an.
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