Kein Erlöschen der Einfuhrabgabenschuld trotz Observation durch den Zoll – FG Hamburg Urteil v. 04.09.2014 – 4 K 86/14

Der Kläger hatte Transporte von Containern aus China organisiert, in denen sich hinter einer Tarnladung Zigaretten befanden. Der Transport erfolgt über den damaligen Freihafen in Hamburg. Wegen dieser Vorgänge wurde der Kläger zwischenzeitlich vom Landgericht Hamburg wegen bandenmäßigen Schmuggels in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt.

Das Finanzgericht Hamburg hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob die Einfuhrabgabenschuld zumindest hinsichtlich eines Containers eventuell wieder erloschen sein könnte, da der Container, bevor die geschmuggelten Zigaretten in den Wirtschaftskreislauf einfließen konnten, durch den Zoll beschlagnahmt wurde. Gem. Art. 233 S. 1 lit. d des Zollkodex erlischt die Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gem. Art. 202 des Zollkodex entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Gem. § 21 Abs. 2 UStG und § 21 TabStG in der bis zum 31.03.20110 gültigen Fassung sind bzw. waren die zollrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer und der Tabaksteuer entsprechend anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH Urteil vom 02.04.2009 – C-459/07) führt die Beschlagnahme von vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbrachten Waren nur dann zum Erlöschen der Zollschuld, wenn sie erfolgt, bevor die Waren über die erste innerhalb dieses Gebiets liegende Zollstelle hinausgelangt sind. Auch der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 07.03.2006 (VII R 23/04) erkannt, dass das vorschriftswidrige Verbringen von Waren beendet sei, wenn die Waren den Ort, an dem sie hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen hätten, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt sei, denn mit dem Verlassen des Amtsplatzes habe die Ware das innere des Zollgebiets der Gemeinschaft erreicht. Da für ein Erlöschen der Zollschuld gem. Art. 233 S. 1 lit. d ZK erforderlich ist, dass die Beschlagnahme bei dem vorschriftswidrigen Verbringen erfolgt, führt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum selben Ergebnis, wie die des EuGH.

Im vom Finanzgericht Hamburg entschiedenen Fall wurde noch im Freihafen in der Containerprüfanlage durch das Röntgen des Containers erkannt, dass sich Schmuggelware im dem Container befand. Die darauffolgende Beförderung des Containers außerhalb des Freihafens wurde vom Zoll beobachtet.

Das Finanzgericht Hamburg stellt klar, dass hieraus nicht folgt, dass sich der Zeitpunkt der Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens nach hinten verlagert. Das Gericht folgte nicht dem Vorbringen des Klägers, wonach die Waren wegen der zollamtlichen Beobachtung nicht ungehindert in den Wirtschaftskreislauf hätten eingehen können. In dem Fall hätten die Waren mit dem Passieren der Grenzzollstelle den Bereich der intensiven zollamtlichen Überwachung bereits verlassen, weshalb die Interessen der innergemeinschaftlichen Wirtschaft bereits konkret gefährdet gewesen seien. Es sei grundsätzlich möglich, dass der Lkw mit dem Container aus den Augen gerate und es letztlich nicht zum Zugriff komme. Das Finanzgericht weist noch darauf hin, dass es nicht Aufgabe der Zollbehörden sei, den Zeitpunkt des Zugriffs derart zu bestimmen, dass die Entstehung von Einfuhrabgaben verhindert würde. Im entschiedenen Fall folgt die späte Beschlagnahme aus ermittlungstaktischen Gründen, um die Hintermänner des Schmuggels zu ermitteln.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Frage hinsichtlich des Erlöschens der Abfuhrabgabenschuld irrelevant für die Verwirklichung des Tatbestandes des Schmuggels, also der Hinterziehung von Einfuhrabgaben, ist. Dies ergibt sich nicht erst aus Art. 233 u.A. 2 ZK (Fiktion des Nichterlöschens). Durch das vorschriftswidrige Verbringen im Sinne des Art. 202 Abs. 2 lit. b ist die Einfuhrabgabenschuld bereits entstanden und der Tatbestand des § 370 AO bzw. § 373 Abs. 2 Nr. 3 AO verwirklicht. Straffreiheit ließe sich ab diesem Zeitpunkt nur noch durch eine Selbstanzeige gem. § 371 AO und auch nur hinsichtlich der Strafbarkeit gem. § 370 AO erreichen.