„Kochsendungen sind die Antwort auf die Entfremdung des Menschen von seinen Lebensmitteln.“

Die Beliebtheit von Kochsendungen hält seit Jahren konstant an. Warum das so ist, darüber gibt ein Gesellschaftswissenschaftler Auskunft.

"Kochsendungen sind die Antwort auf die Entfremdung des Menschen von seinen Lebensmitteln."

Sacha Szabo – Soziologe

Kaum macht man den Fernseher an, so wird dort gekocht. Mittags, abends, selbst nachts. Es scheint ein unendliches Bedürfnis danach zu geben anderen in den Topf zu gucken. Restauranttester und Kochwettbewerbe sind zwei der Formate, die sich in den letzten Jahren neu etablieren konnten. Während andere Fernsehformate wieder verschwinden, halten sich Kochsendungen nun schon seit Jahrzehnten konstant in der Beliebtheit der Zuschauer. Warum haben wir nun so viel Spaß anderen beim Kochen zuzusehen? Wir sprachen darüber mit dem Freiburger Soziologen Dr. Sacha Szabo , der für das Institut für Theoriekultur Alltagskulturen erforscht.

Warum sind Kochsendungen so beliebt?
Sacha Szabo: Kochsendungen sind eigentlich schon seit den Anfängen des Fernsehens beliebt. Das Toast-Hawaii ist ein Produkt des ersten Fernsehkochs Clemens Wilmenrod. In den neunziger Jahren machte Alfred Biolek dann das gemeinsame Kochen als Talkformat populär und was jetzt ist, sind zum einem Dokuformate bei denen Gaststätten gecoacht werden und natürlich Kochsendungen mit einem Wettbewerbscharakter.

Warum aber schauen sich Menschen so gerne so etwas an?
Sacha Szabo: Es ist auffällig wenn man eine klassische Kochsendung sieht, dass sehr wenig Action stattfindet. Es ist ein sehr kontemplatives Zusehen wie jemand arbeitet. Es scheint etwas sehr entspannendes darin zu liegen jemand anderem beim Arbeiten zuzusehen. Dies kann man ja auch bei Großbaustellen beobachten, wo sich immer gerne Zuschauer einfinden.

Aber warum gerade kochen?
Sacha Szabo: Betrachtet man die Fernsehformate im Kontext ihrer Zeit, so wurden diese mit der Industrialisierung populär. Sie brachten nicht nur Veränderungen in den Geschlechterrollen mit sich als die Frau berufstätig wurde und nicht mehr nur für den Haushalt und die Erziehung zuständig war. Zum anderen aber wurden nun Nahrungsmittel industriell erzeugt. Elektrischer Herd, Kühltruhe, Mikrowelle, dies brachte eine Veränderung des Essens hin zu Convinience Food, dessen Ikone die Tiefkühlpizza ist. Ein Produkt das mit einer Restaurantpizza nicht mehr viel gemein hat, aber wohl Einfluss darauf hat was wir heute von einer Restaurantpizza erwarten. Man kann sagen, dass sich der Einzelne von seinen Nahrungsmittel und deren Zubereitung entfremdet hat. In einer Art Reflex wird nun das Handwerkliche wieder aufgewertet und es wird geschmacklichen Feinheiten Raum eingeräumt, den diese Lebensmittel vor der Industrialisierung vermutlich gar nicht hatten.

Sie beschreiben also das Kochen als gesellschaftliche Konvention?
Sacha Szabo: Nun, neben der Zuschreibung an die Geschlechter. Hier gibt es ja eine Auffällige Diskrepanz zwischen der öffentlichen Inszenierung von männlichen Sterneköchen und der Arbeit einer Hausfrau, die die Familie bekocht und deren Tätigkeit im Verborgenen stattfindet und weder die gesellschaftliche Anerkennung, noch häufig die entsprechende Wertschätzung bekommt. Aber das Kochen korrespondiert auch mit den sozialen Schichten. Es gehört zur Selbstbeschreibung der Mittelschicht sich die Attitüde eines Gourmets zuzulegen. Fast Food gilt vor diesem Hintergrund als Unterschichtnahrung, wohingegen das vorgeblich gesunde und wertvolle Slow Food nun genau von den Schichten konsumiert wird, die sich von der Unterschicht abgrenzen wollen.

Wieso sieht man in letzter Zeit so viele Restauranttester?
Sacha Szabo: Diese Formate sind ja in ein Soap ähnliches Format gescriptet und folgen immer einer ähnlichen Dramaturgie. Die dreckige Küche, der schlecht laufende Laden, die überforderte Wirtin, der eigensinnige Koch, die überladene Speisekarte. Es ist eigentlich Genrekino. Für den Zuschauer hat dieses Format weniger den Reiz wegen des Kochens, das Essen dient hier eher einer Art Verlockungsprämie, sondern mehr dem Reiz des in-die-Küche-schauens und des wohligen Schauderns, dass es dort wirklich so schlimm aussieht wie man sich das in den wildesten Träumen ausgemalt hat.

Und diese Kochwettbewerbe?
Sacha Szabo: Hier spielt das Handwerkliche eine große Rolle, verbunden mit der öffentlichen Inszenierung. Die Gerichte die gekocht werden, werden vermutlich nie in der Realität den Gästen dargeboten. Abgesehen davon, dass die Gerichte häufig völlig unrealistischen Aufwand bedeuten würden, haben wir es bei Kleinfamilien und Singlehaushalten eher selten mit dem Erlebnis eines gemeinsamen Mahls zu tun. Die Protagonisten haben daher auch gar nicht die Übung und vor allem, wenn ihr Gericht gut ist, kein Publikum das ihnen die Anerkennung zollt, die solch ein Gericht verdient. Genau das leistet hier das Studiopublikum und der Zuschauer fühlt sich nun auf seinem Sofa als ob er mittafeln würde.

Verraten Sie uns, wie sie essen?
Sacha Szabo: Das ist gar nicht so einfach, da ich ganz unterschiedliche Esskulturen praktiziere. Ich genieße gerne, aber ich weiß auch den Vorteil von einem Hamburger zu schätzen.

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