Ein Beitrag von Regine Windirsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht, von der Anwaltskanzlei Bell & Windirsch, Düsseldorf
1. Um sicherzustellen, dass Betriebsräte wegen ihres Engagements nicht von der betriebsüblichen Entwicklung abgeschnitten werden, richtet sich die Gehaltsberechnung nach der Gehaltsentwicklung der bei Amtsübernahme vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Werden einvernehmlich vergleichbare Arbeitnehmer festgelegt, sind sowohl das Betriebsratsmitglied als auch der Arbeitgeber hieran grundsätzlich gebunden.
2. Lässt sich nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, so muss der Durchschnitt aller Gehaltserhöhungen dieser Gruppe zugrunde gelegt werden. Es ist auf die Gehaltsentwicklung über den gesamten Zeitraum seit Amtsübernahme abzustellen.
Leitsätze der Verfasserinnen
LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.04.2016, – 11 Sa 1249/15 –
nicht rechtskräftig, Revision eingelegt unter Az. 7 AZR 587/16
Ein Betriebsratsmitglied machte geltend, bei Gehaltsanpassungen nicht mehr berücksichtigt worden zu sein. Nachdem der Arbeitgeber zunächst das Gehalt jährlich um die durchschnittliche Gehaltserhöhung von gemeinsam festgelegten Vergleichspersonen erhöht hatte, änderte er das Verfahren mit der Folge, dass das betreffende Betriebsratsmitglied keine Gehaltserhöhung mehr erhielt.
Daher beantragte das Betriebsratsmitglied, festzustellen, dass der Arbeitgeber sein Gehalt ab Januar 2014 um einen Betrag von monatlich 71,- EUR erhöhen müsse. Hierzu legte er nach einer entsprechenden Auskunftsklage gegen den Arbeitgeber die Gehälter der Vergleichspersonen zum Zeitpunkt der Amtsübernahme und im Jahr 2014 dar. Das Landesarbeitsgericht (LAG) ermittelte, dass die vergleichbaren Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Amtsübernahme im Jahr 2000 durchschnittlich 3.628,- EUR monatlich erhielten. Das Betriebsratsmitglied verdiente damals 104% dieser Durchschnittssumme. Im Januar 2014 lag das Durchschnittsgehalt der Vergleichsgruppe bei 5.531,- EUR, das Betriebsratsmitglied erhielt 101,71% dieser Summe. Das Gehalt des Betriebsratsmitglieds hatte sich demnach unterdurchschnittlich entwickelt. Das LAG hat in der Berufung festgestellt, dass das Betriebsratsmitglied weiterhin einen Anspruch auf 104% des Durchschnittsgehaltes, also auf 5.752,- EUR, hat. Da der Differenzbetrag zu dem ihm gezahlten Gehalt höher ist als der eingeklagte, gewann der Kläger sein Verfahren. Wegen der besonderen Bedeutung wurde die Revision zugelassen.
Das LAG weist darauf hin, dass sowohl das Betriebsratsmitglied als auch der Arbeitgeber grundsätzlich an die einvernehmliche Festlegung der Vergleichsgruppe gebunden sind. Will sich eine Seite insoweit auf einen Irrtum berufen, muss dies konkret und substantiiert belegt werden.
Das Betriebsratsmitglied hat nach § 37 Abs. 4 BetrVG keinen Anspruch auf der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, sondern es kommt darauf an, ob die Gehaltsentwicklung während der Dauer der Betriebsratstätigkeit in Relation zu vergleichbaren Arbeitnehmern zurückgeblieben ist. Ist – hier aufgrund einer kleinen Vergleichsgruppe mit sehr unterschiedlichen Gehaltserhöhungen – eine Gehaltserhöhung der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in einheitlichem Umfang nicht feststellbar, so ist nach Auffassung des LAG zwingend auf den Durchschnitt der Gehaltserhöhungen der Vergleichsgruppe abzustellen, da anders eine Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitgliedes nicht vermieden werden kann.
Die Ansprüche des Betriebsratsmitgliedes als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis unterliegen der gesetzlichen Verjährung von 3 Jahren (§ 195 BGB). Die Ansprüche sind entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht verwirkt, auch wenn hier erstmals nach 14 Jahren höhere Gehaltsansprüche geltend gemacht wurden, da es „in der Natur der Sache“ liegt, dass sich bei der Prüfung „der Blick ggf. weit in die Vergangenheit“ erstreckt.
FAZIT:
Das LAG Düsseldorf beschäftigt sich mit einem wichtigen Praxisthema, da gerade engagierte Betriebsratsmitglieder oftmals feststellen müssen, dass sie nach der Übernahme des Amtes nicht mehr an Gehaltsentwicklungen teilnehmen.
Aus der Entscheidung ergeben sich folgende weitere Regeln, die bei der Umsetzung des Anspruches nach § 37 Abs. 4 BetrVG helfen:
1. Es wird dringend empfohlen, bei Amtsübernahme darauf zu achten, den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer sorgfältig festzulegen und die Begründung für die Festlegung festzuhalten. Dies gilt sowohl für freigestellte wie für nicht freigestellte Betriebsräte.
2. Der Arbeitgeber hat die Gehaltsentwicklung und die Gehaltsbestandteile der vergleichbaren Arbeitnehmer auf Aufforderung mitzuteilen.
3. Leistungszulagen sind bei der Ermittlung des Durchschnittsgehaltes zu berücksichtigen, soweit sie unabhängig von der individuellen Leistung gezahlt werden.
4. Betriebsräte können auch noch nach Jahren der Amtsausübung ihre Gehaltsentwicklung überprüfen lassen.
Zuständig fur Rückfragen: Regine Windirsch, Rechtsanwältin für Abeitsrecht, windirsch@fachanwaeltinnen.de,
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