Pinkwart-Interview für die ?Frankfurter Allgemeine Zeitung?

Berlin (pressrelations) –

Pinkwart-Interview für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende und Landesvorsitzende der FDP Nordrhein-Westfalen, PROF. DR. ANDREAS PINKWART, gab der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten KERSTIN SCHWENN und MANFRED SCHÄFERS:

Frage: Herr Pinkwart, der Kassensturz war für Sie ernüchternd. Und jetzt sind die Steuereinnahmen im September auch noch überraschend stark eingebrochen. Was heißt das für die Koalitionsverhandlungen?

PINKWART: Die Finanzlage ist schwierig, weil die große Koalition über die Verhältnisse gelebt hat und weil wir gerade die schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik durchleben. Aber umso ehrgeiziger müssen wir Reformen angehen. Wir müssen mit Wachstum neuen finanziellen Spielraum schaffen. Letztlich entscheidet der Arbeitsmarkt über das Schicksal des Bundeshaushalts. Wir müssen große Schritte machen für mehr Beschäftigung

Frage: Aber im Moment ist kein Geld da. Also wird es nichts mit Ihrer großen Steuerreform?

PINKWART: Wir werden zunächst mit einer Fülle von Einzelmaßnahmen Ungerechtigkeiten im Steuerrecht beseitigen müssen, wie etwa die Behandlung von Geschwistern in der Erbschaftsteuer. Außerdem müssen wir dort beschäftigungsfeindliche Regeln beseitigen. Das muss schnell geschehen, damit die Familienunternehmen Planungssicherheit bekommen.

Frage: Das hat aber nichts mit einer großen Steuerreform zu tun, im Gegenteil. Solche Änderungen und die Ankündigung, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld zu erhöhen, engen den Spielraum für eine echte Steuerreform ein.

PINKWART: Wir müssen jetzt die Wachstumsbremse lösen und uns den Aufschwung erarbeiten. Dazu müssen wir auch die Familien entlasten. Dazu gehört das Kindergeld. Und wir müssen die Unternehmensteuerreform korrigieren, weil sie mit der Substanzbesteuerung falsch angelegt war. Das alles wird mit einer Entlastung der Bürger und Betriebe und Belastung des Bundeshaushalts verbunden sein. Und trotzdem werden wir einen Einstieg in eine Steuerstrukturreform verbindlich vereinbaren.

Frage: Was gehört dazu?

PINKWART: Bei der Einkommensteuer müssen wir mit einem Stufentarif und dem Wegfall von Einzelfallregelungen zu einem einfacheren und verständlichen Steuerrecht kommen. Bei der Unternehmensbesteuerung ist die Gewerbesteuer der Dreh- und Angelpunkt. Da muss man sehen, wie weit wir in dieser Legislaturperiode kommen können. Wenn wir das verankern könnten, hätten wir einen ganz großen Wurf erreicht.

Frage: Sie werden also die kleinen Korrekturen nicht als den großen Wurf verkaufen müssen?

PINKWART: Wenn wir jetzt mutig genug sind und die zahlreichen Änderungen zusammen mit den schon beschlossenen Steuerentlastungen zum Jahreswechsel in Kraft treten lassen, dann wird das real und psychologisch einen riesigen Schub auslösen. Aber das allein kann es nicht sein. Da CDU und CSU mehr vor der Wahl versprochen haben, wird man sich nicht darauf beschränken können. Keiner, der jetzt am Tisch sitzt, kann sagen, die Haushaltslage war uns nicht bewusst. Das funktioniert so nicht. Die schwierige Finanzlage war allen bekannt, erst recht den beiden Regierungsparteien der Union. CDU, CSU und FDP haben einen klaren Wählerauftrag bekommen, die Steuern einfacher zu machen und die Belastung zu senken. Das müssen sie jetzt auch machen.

Frage: Geht das trotz Schuldenbremse, die gerade im Grundgesetz verankert worden ist?

PINKWART: Es ist gut, dass wir sie haben. Wir werden sie nicht aussetzen.

Frage: Ihr Bürgergeldkonzept stößt in der Union nicht gerade auf Begeisterung. Was wird daraus im Koalitionsvertrag?

PINKWART: Wichtig ist für uns eine stärkere Anerkennung der Leistungsbereitschaft ? auch bei den Transferempfängern. Es kann nicht sein, dass der, der für das Alter vorgesorgt hat, am Ende genauso dasteht wie der, der darauf verzichtet hat. Deswegen müssen wir das Schonvermögen erhöhen. Außerdem wollen wir die Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger verbessern. Gerade für Familien mit Kindern.

Frage: Was kostet das?

PINKWART: Das muss nicht mehr Geld kosten. Bedingung ist, dass es uns gelingt, mehr Menschen aus ihrer Beschäftigungslosigkeit herauszuführen, und wenn es am Anfang nur eine Teilzeitarbeit ist. Für viele ist das im Moment nicht lukrativ. Wenn wir das ändern, wird sich die Reform zu einem großen Teil selbst finanzieren.

Frage: Geht diese Rechnung auch beim Schonvermögen auf?

PINKWART: Das kostet kurzfristig Geld, aber langfristig entlastet es die Sozialsysteme, da die Menschen dann mehr vorsorgen und später nicht auf die staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sind.

Frage: Aber würde der große Wurf, die Umstellung aller steuerfinanzierten Sozialleistungen auf ein Bürgergeld, die Haushalte nicht enorm belasten?

PINKWART: Der große Charme des Bürgergelds ist die Pauschalierung. Das hat zwei Effekte: Die Verwaltung wird einfacher und damit billiger. Der Gesamtbedarf an Leistungen wird damit eher gesenkt.

Frage: Was kriegen sie bei der Union durch?

PINKWART: Ich sehe zum Beispiel eine Bereitschaft, das Schonvermögen zu erhöhen…

Frage: …toller Erfolg für die FDP, das steht doch im Wahlprogramm der Union…

PINKWART: Dennoch ist es ein wichtiger Punkt. Aber ich möchte auch Fortschritte bei den Zuverdienstmöglichkeit sehen. Was die Pauschalierung angeht, würden wir zumindest eine Bündelung von Transferleistungen in den Koalitionsvertrag schreiben wollen. Da wird man sehen, inwieweit die Union zu Verbesserungen bereit ist.

Frage: Wo ist der Ehrgeiz der FDP geblieben, ihre Handschrift zu hinterlassen?

PINKWART: Neben einer großen Steuerreform sind die Anhebung des Schonvermögens und die Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten zentrale FDP-Forderungen und müssen kommen. Außerdem kämpfen wir für eine klare Prioritätensetzung im Haushalt für die Zukunftsthemen Bildung, Forschung und Innovation.

Frage: Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die FDP nur wenig von ihrem Wahlprogramm durchsetzen kann und damit in zwei Wochen ihren Wahlerfolg verspielt?

PINKWART: Nein, das sehe ich nicht so. Wir müssen aus dem Klein-Klein heraus und hin zu einem Neuanfang im Land. Deswegen verhandeln wir sehr hart. Wir brauchen eine Aufbruchstimmung, um aus dem tiefen Tal herauszukommen.

Frage: Es ist schwer zu glauben, dass die neue Koalition am Wochenende fertig wird, wenn man die vielen Baustellen anschaut, auf denen noch gewerkelt wird.

PINKWART: Wir wollen zügig verhandeln, aber Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Alles hängt an der Bereitschaft der Union, einen Neuanfang zu wagen. Das heißt nicht, dass wir uns überall eins zu eins durchsetzen können, aber die neue Koalition muss ehrgeiziger werden, als sich das bisher andeutet.

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