Rede der Schatzmeisterin der SPD Barbara Hendricks anlässlich der Übergabe des Volksparks Halle am 12. Oktober 2009 in Halle.

Berlin (pressrelations) –

Rede der Schatzmeisterin der SPD Barbara Hendricks anlässlich der Übergabe des Volksparks Halle am 12. Oktober 2009 in Halle.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Ingrid Häußler,
sehr geehrter Herr Stockert,
sehr geehrter Herr Professor Klieber,
lieber Rüdiger Fikentscher,
liebe Gäste.

Als die Arbeiterbewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt, festere Organisationen zu bilden, stößt sie auf härtesten Widerstand. Ihre Organisationen werden polizeilich überwacht, immer wieder auch verboten, öffentliches Auftreten unterliegt polizeilichen Beschränkungen, die bürgerliche Presse bekämpft sie und unterdrückt die Berichterstattung. Versammlungsräume sind schwer zu finden, denn die Vermieter fürchten Repressalien des Staates und Boykotte der bürgerlichen Gesellschaft. So drohten staatliche Behörden zukünftig zu verhindern, dass Gaststätten von Dritten besucht werden, wenn hier weiterhin sozialdemokratische Veranstaltungen stattfänden. In der Leipziger Volkszeitung vom 13. Juni 1914 werden 42 Partei- und Arbeiterverkehrslokale und zwei weiteren Gaststätten gelistet, die 1913 vom sog. „Militärverbot“ betroffen waren. Militärverbot hieß, dass Soldaten mit Militärstrafen belegt wurden, wenn sie eines dieser Lokale besuchten.

Die politische Unterdrückung lässt die neuen sozialdemokratisch-sozialistischen Parteien, die mit ihnen verbundenen Gewerkschaften und die vielfältigen neuen Organisationen ihres Umfeldes nach Wegen suchen, die ihnen den Aufbau ihrer Organisationen ermöglicht und ihrer Arbeit einen sicheren Rahmen gibt. Die Idee des „Volkshauses“ entsteht. Im „Volkshaus“ sollten die sozialdemokratischen Organisationen einen gesicherten Ort für ihre Versammlungsräume bekommen ? einen geschützten Ort für ihre politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen finden, auch eine Gastronomie, die für preiswertes Essen und Trinken sorgt.

1895 gelingt es der Sozialistischen Partei Belgiens ein „Maison du Peuple“ (ein Volkshaus) zu errichten. Der bedeutende Jugendstilarchitekt Victor Horta liefert dafür den Entwurf. Das Maison du Peuple wird zum Muster für die in den folgenden Jahren in vielen europäischen Zentren der Arbeiterbewegung gebauten Volkshäuser. Ihre Zahl wuchs sprunghaft. Während es 1901 erst elf dieser Häuser gab, waren 1929 184 Häuser errichtet.

Teil dieser sozialdemokratischen Bewegung ist der Volkspark Halle. Sein Bauherr ist die Hallenser Sozialdemokratie. 1906 kauften Sozialdemokraten das hiesige Grundstück mit einem darauf befindlichen Gebäude für 135.000 Mark. Nach dem Abriss des alten Gebäudes wurde das Volksparkgebäude ?wie es sich uns heute zeigt, allerdings ohne seine Verletzungen, die ihm in der Zeit der DDR zugefügt wurden – mit schiefergedeckten Ecktürmen nach Plänen der Architekten A. und E. Giese errichtet. Betreiber war die Volkspark GmbH, eine Gesellschaft der SPD. Das Haus, mitten im bürgerlichen Villenviertel Halles gelegen, zeugt noch heute vom Selbstbewusstsein, unternehmerischem Geschick und der Solidarität der Vorkriegssozialdemokratie. Das Geld zur Errichtung dieses Hauses brachten die Mitglieder der SPD unter hohen persönlichen Opfern auf. Am 13. Juli 1907 wurde der repräsentative Jugendstilbau eröffnet.

Es ist ein Stück Gegenkultur, die hier ihren Platz findet. Die von der politischen Mitgestaltung ausgeschlossene und gesellschaftlich diskriminierte Arbeiterbewegung schafft sich ihre eigene Welt. Die Versammlungsräume mit Gastronomie bilden den Treffpunkt für die politischen Aktivitäten, doch daneben werden sie zur Heimstatt der Jugendorganisationen, der Theater- und Gesangsvereine und der vielen Umfeldorganisationen. Für alle ist das Volkshaus das politisch-organisatorische Zentrum ihres Ortes. Es ist das Alltägliche und Undramatische, was den Sozialdemokraten den Volkspark so lieb und wert macht. Aber das Glück eines eigenen Hauses währte nicht lange.

1933 enteigneten die Nationalsozialisten die SPD einschließlich ihrer Unternehmen. In „Reichshof“ umbenannt, wurde der Volkspark der NSDAP und ihren Organisationen zur Verfügung gestellt. Während des Zweiten Weltkrieges diente er in der Folge als Musterungslokal für die Wehrmacht. Den Krieg überstand der Volkspark, wenn auch in einem desolaten Zustand, ohne Zerstörungen. Bereits am 8. Juli 1945 fand hier die erste große Massenveranstaltung der KPD statt. Nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD
1946 machte die SED Rückübertragungsansprüche geltend. Die SPD wurde zum zweiten Mal enteignet.

Später ging der Volkspark in Volkseigentum über und wurde fortan wieder politische Versammlungs- und Bildungsstätte sowie Kulturhaus. Im Herbst 1989 gewann das Haus dann seine ursprüngliche politische Bedeutung zurück, als hier das erste wirklich pluralistische Dialog-Forum zwischen mehreren Tausend Bürgern und DDR-Staatsfunktionären stattfand.

Erst 1998 wurde der Volkspark nach einem mehrjährigen Verfahren an die wahre Eigentümerin, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, zurückgegeben. Unsere Häuser waren immer Orte des Dialogs, Aktionsstätten und Treffpunkte von Menschen unterschiedlichster Herkunft und Profession. In diesem Interesse haben wir schon vor seiner Restitution der Stadt Halle angeboten, den Volkspark zu übernehmen und ihn in die Nutzung des Gemeinwohls zu stellen.

Ich freue mich sehr, den Volkspark heute in die Obhut des Vereins Volkspark Halle übergeben zu können. Ich hoffe / bin sicher, dass die unentgeltliche Überlassung dieses Denkmals der Arbeiterbewegung die best möglichen Voraussetzungen schafft, damit der Verein hier sein Ziel erreichen kann, uns allen den Volkspark als Kultur- und Kommunikationshaus zu erhalten.

Partei Deutschlands
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