Rede von Hubertus Heil auf dem Bundesparteitag der SPD in Dresden am 13. November 2009

Berlin (pressrelations) –

Rede von Hubertus Heil auf dem Bundesparteitag der SPD in Dresden am 13. November 2009

Schönen guten Morgen, liebe Genossinnen und Genossen! Schönen guten Tag, meine Damen und Herren! Herzlich willkommen zum ordentlichen Bundesparteitag der SPD hier in dieser wunderschönen Stadt Dresden. Alle sind herzlich willkommen.

Meine Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen, ich begrüße einige aber ganz besonders. An allererster Stelle begrüße ich jemanden, der in unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlicher Funktion auf allen Ebenen Verantwortung für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in hervorragender Art und Weise ausgeübt hat. Ganz herzlich willkommen, Hans-Jochen Vogel.

Ich begrüße unseren deutschen EU-Kommissar, Günter Verheugen. Herzlich willkommen, Günter.

So könnte ich jetzt ganz lange weitermachen, verdiente Genossinnen und Genossen zu begrüßen. Wir freuen uns aber auch, dass auf diesem wichtigen Parteitag viele unter uns sind, die als Gäste, als Vertreter aus gesellschaftlichen Gruppen – von den Kirchen, den Gewerkschaften, der Wirtschaft -, heute hier bei uns sind.

Deshalb begrüße ich für die Kirchen und Religionsgemeinschaften Prälat Dr. Karl Jüsten für die Katholische Kirche, Bernhard Fellenberg für die Evangelische Kirche und Stefan Kramer für den Zentralrat der Juden in Deutschland. Herzlich willkommen auf unserem Bundesparteitag.

Liebe Genossinnen und Genossen, gerade in diesen Zeiten freuen wir uns, dass die Gewerkschaften heute hier vertreten sind. An der Spitze nenne ich den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Herzlich willkommen, lieber Michael Sommer.

Ich begrüße die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften: den Vorsitzenden der NGG, Franz-Josef Möllenberg, den Vorsitzenden von Transnet, Alexander Kirchner, den Vorsitzenden der GEW, Uli Töhne, den Vorsitzenden der GdP, Konrad Freiberg, Klaus Wiesehügel von der IG BAU, den stellvertretenden Vorsitzenden der IG BCE, Ulrich Freese und Margret Mönig-Rahne als stellvertretende Vorsitzende von ver.di. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gut, dass ihr heute hier seid.

Ich begrüße für den Deutschen Beamtenbund und die Tarifunion unseren Freund und Genossen Frank Stöhr. Frank, gut, dass du da bist.

Ich darf auch ganz herzlich zwei Geburtstagskinder begrüßen. Man sieht es ihnen nicht an, aber sie haben ihren 90. Geburtstag. Es sind die Vertreter der Arbeiterwohlfahrt: Wilhelm Schmidt und Reinhard Bröker. Schön, dass ihr da seid.

Ich darf als Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks Herrn Otto Kentzler ganz herzlich bei uns begrüßen.

Ich freue mich, dass Olaf Tschimpke, der Präsident des NABU bei uns ist. Herzlich willkommen.

Wir freuen uns, dass sie unter uns und bei uns ist: die frühere Bundesgeschäftsführerin der SPD und heutige Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung. Liebe Anke Fuchs, schön, dass du da bist.

Ich begrüße ganz herzlich Heinz Hilgers, den Präsidenten des Kinderschutzbundes. Lieber Heinz, schön, dass du da bist.

Ich begrüße ganz herzlich den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. Lieber Reinhold Robbe, schön, dass du da bist.

Meine Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen, vor allen Dingen sind uns aber diejenigen natürlich besonders lieb, die von ganz weit hierher gekommen sind. Ein herzliches Willkommen – es wird im Laufe dieses Parteitages noch einzeln geschehen – an die internationalen Gäste: die Vertreter des diplomatischen Korps und die Vertreterinnen und Vertreter unserer Schwesterparteien in der Sozialdemokratischen Partei Europas und der Sozialistischen Internationale. Ihr macht durch euren Besuch heute deutlich, dass wir eine starke Gemeinschaft in Deutschland, in Europa und weltweit sind. Die sozialdemokratische Idee wird durch euch repräsentiert. Gut, dass ihr da seid.

Meine Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen, ich möchte jetzt einmal noch um euren Applaus für all diejenigen bitten, die in den letzten elf Jahren als Bundesministerinnen und Bundesminister, als sozialdemokratische Bundesministerinnen und Bundesminister, Verantwortung für unser Land getragen haben. Ich danke euch ganz herzlich für eure Arbeit in den letzten Jahren. Stellvertretend nenne ich die Vizekanzler Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier. Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben euch viel zu danken.

Peer, du kannst ruhig einmal freundlicher gucken. Du warst auch gemeint – gerade du.

Liebe Genossinnen und Genossen, auf diesem Parteitag wollen wir zu Beginn aber auch denjenigen gedenken, die seit dem letzten ordentlichen Bundesparteitag in Hamburg verstorben sind. Ich bitte euch, euch von euren Plätzen zu erheben.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschland trauert um Detlev Albers, um Alfons Bayer, Willi Birkelbach, Werner von Blon, Hans-Jürgen Born, Peter Büchner, Werner Butter, Klaus Daubertshäuser, Anton Diehl, Norbert Engel, Brigitte Freyh, Gerhard Greiner, Ernst Heine, Hajo Helwig-Wilson, Karin Hempel-Soos, Luise Herklotz, Günther Heyenn, Jochen Holtz, Ingrid Holzhüter, Heinz Hunger, Georg Kahn-Ackermann, Karl Kisslinger, Marianne Klappert, Rolf Krumsiek, Klaus Kübler, Erich Küchenhoff, Lucy Kurlbaum-Beyer, Otto Lehmann, Karl Liedtke, Hans Mayr, Susanne Miller, Heide Moser, Ankepetra Müntefering, Peter von Oertzen, Heinz Pensky, Willi Piecyk, Fred Ranker, Annemarie Renger, Klaus Riebschläger, Dieter Rieke, Detlev Samland, Johannes Singer, Herbert Stadelmaier, Heinz Timmermann, Kurt Uhlenbruch, Lothar Walbruch, Rudolf Wassermann, Pitt Weber, Heinz Wenke, Richard Winkels und Johann Wuwer.

Wir gedenken auch unserer europäischen Genossen aus Dänemark, Svend Auken, aus Belgien, Karel van Miert, und aus Österreich, des früheren österreichischen Bundeskanzlers Fred Sinowatz.

Liebe Genossinnen und Genossen, ihr habt euch zu Ehren der Toten erhoben. Ich bedanke mich bei euch ganz herzlich dafür.

Aber wir dürfen uns auch über zwei freuen, die heute Geburtstag haben, und zwar zwei, die an dem sind, was die Jusos die „Bio-Klippe“ nennen. Herzlichen Glückwunsch an meinen Bundestageskollegen Frank Schwabe, der heute 35 wird und seinen Geburtstag hier in Dresden mit uns feiert. Frank, gut, dass du nichts Besseres vorhast.

Noch ein Jahr Zeit, weil er heute 34 Jahre alt geworden ist, hat Ingo Stucke aus Bielefeld. Auch dir ganz herzlichen Glückwunsch!

Liebe Genossinnen und Genossen, wir alle wissen es, dieser ordentliche Parteitag hier in Dresden findet in außerordentlichen Zeiten statt. Es ist ein wichtiger Parteitag für die Sozialdemokratie in Deutschland, gerade angesichts der verdammt bitteren Wahlniederlage vom 27. September. Dieser Parteitag bietet auch die Gelegenheit, über die Ursachen dieser bitteren Wahlniederlage, dieses Vertrauensverlustes, zu diskutieren. Wir müssen das tun, weil wir ein Ziel haben, liebe Genossinnen und Genossen, und zwar sorgfältig zu diskutieren, um die richtigen Konsequenzen aus dieser Wahlniederlage zu ziehen.

Aber wenn ich eine Bitte am Beginn dieses Parteitages äußern darf: Wenn wir über die Ursachen ? und ich betone: es gibt nicht eine, sondern mehrere Ursachen dieses Wahlergebnisses und dieser bitteren Niederlage reden und auch streiten heute, morgen und übermorgen und vielleicht auch noch danach , dann sollten wir den Streit und die Diskussion so führen, dass unsere grundlegenden Ziele in diesem Streit, auch im innerparteilichen Streit, erkennbar sind. Unsere Ziele heißen: Freiheit, Gerechtigkeit und eben auch Solidarität für die Gesellschaft zu erreichen. Wir können das nur, wenn auch in dieser Partei Selbstkritik, Streit und Auseinandersetzung solidarisch stattfinden. Und ich füge hinzu: vielleicht solidarischer, als das in der Vergangenheit gelungen ist. Lasst uns uns da nicht von anderen aufteilen.

Ich sage das aus der Erfahrung der letzten vier Jahre. Wir sind eine lebendige Partei. Und Streit ist in der Demokratie, vor allem in der Sozialdemokratie, nichts Schlechtes, sondern etwas Produktives. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass derjenige, der in dieser Partei anderer Meinung ist, ausgegrenzt wird. Wir alle sind Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Ich finde, der Respekt vor anderen Meinungen in dieser Partei ist etwas, was wir wieder erarbeiten müssen. Wir sind Genossinnen und Genossen und keine innerparteilichen Feinde.

Wir sind eine Volkspartei. Eine Volkspartei hat ein breites Meinungsspektrum, aber eben auch eine gemeinsame Basis. Das muss wieder erkennbar werden. Und bei aller Notwendigkeit von Volksparteien, auch innerparteiliche Gruppen und Flügel zu haben: Die meisten von uns, die meisten in der SPD ? bei mir zu Hause ist das der Fall und, ich glaube, bei vielen von euch auch ?, sind nicht Teil eines Flügels, sie sind einfach Sozialdemokraten. Und es muss bei aller Notwendigkeit von innerparteilichen Flügeln deutlich werden: Die SPD ist mehr als die Summe ihrer Teile und Flügel. Wir sind keine Holding, sondern eine Partei.

Wir müssen über die Ursachen sorgfältig diskutieren, über einen dramatischen Vertrauensverlust. Ich finde, dass dieser Parteitag die Gelegenheit dazu bieten soll. Alles, was an Diskussionen stattfindet, mögen andere als Streit und Zerstrittenheit wahrnehmen. Ich glaube, es ist eine notwendige und klärende Diskussion, die uns helfen kann, wieder zu neuer Stärke zu kommen. Aber ich füge hinzu: Wir dürfen auch nicht zulassen, dass politische Gegner von außen das, was Sozialdemokraten in elf Regierungsjahren in der Bundesregierung für unser Land in schwieriger Zeit erstritten haben, schlechtmachen, liebe Genossinnen und Genossen. Das dürfen wir nicht zulassen.

Ich will aus meiner Sicht vier Dinge nennen, auf die ich trotz alledem und trotz dieser Niederlage stolz bin, die Sozialdemokraten in elf Regierungsjahren seit 1998 für Deutschland geleistet haben. Ich fange mit der Tatsache an, dass wir seit 1998 mitgeholfen haben, dass unsere Gesellschaft moderner, weltoffener und toleranter geworden ist. Wir, liebe Genossinnen und Genossen, haben den Muff der Kohl-Zeit rausgelassen, und zwar so sehr, dass der Muff durch andere nicht wieder in diese Gesellschaft hineinkommen kann: von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften über eine moderne Familienpolitik bis zur Integration haben wir Deutschland durchlüftet, und darauf können wir stolz sein.

Ich bin auch stolz darauf, dass Sozialdemokraten in diesen elf bewegten ? auch international bewegten ? Jahren Deutschland außen- und sicherheitspolitisch gut durch schwierige Zeiten geführt haben. Wir haben Ja gesagt zur internationalen Verantwortung, aber es bleibt auch richtig und eine historische Leistung, dass wir Nein zu militärischen Abenteuern gesagt haben. Ich bin stolz auf diese sozialdemokratische Leistung, weil ich noch gut weiß, wo damals Angela Merkel als Oppositionsführerin war, nämlich bei George Bush in Washington. Wir haben Nein zum Irakkrieg gesagt, und das bleibt in den Geschichtsbüchern richtig.

Ich finde, wir können auch sagen und das müssen wir gerade jetzt sagen , dass wir es waren, die in rot-grüner Zeit mit der ökologischen Erneuerung unserer Gesellschaft begonnen haben. Wir haben den geordneten Ausstieg aus der Atomkraft durchgesetzt, um den Weg frei zu machen für erneuerbare Energien und für mehr Energieeffizienz. Das ist gerade jetzt wichtig, wo Schwarz-Gelb die Rolle rückwärts in der Energiepolitik will. Wir kämpfen weiter für den Atomausstieg, für ökologische Erneuerung, das ist unsere Leistung.

Ja, wir werden uns auch über die Wirtschafts- und Sozialpolitik zu unterhalten haben. Und ich sage: Ja, wir haben auch Fehler gemacht. Aber wir dürfen eines nicht vergessen: Wie haben wir 1998 das Land von Helmut Kohl, von Theo Waigel und anderen übernommen, die den Sozialstaat durch eine falsche Finanzierung der Deutschen Einheit an den Rand des Ruins geführt haben? Wir sind viel geprügelt worden. Wir hatten viel auszuhalten, weil wir diese Dinge aufgearbeitet haben und uns der veränderten Situation mit Blick auf Demografie und Globalisierung gestellt haben. Ich behaupte nicht, dass wir alles richtig gemacht haben. Aber wie stünde Deutschland heute in dieser Krise da, wenn nicht Sozialdemokraten vorher dafür gesorgt hätten, dass Deutschland ein Sozialstaat bleiben kann, liebe Genossinnen und Genossen?

Ich sage das auch, weil ich das letzte Jahr nicht vergessen habe. In dieser schwersten Weltwirtschafts- und Finanzkrise, wo auf den internationalen Märkten mit der Zukunft der Menschen, der Arbeitsplätze, mit unserem Wohlstand und auch den Steuergeldern gezockt wurde, waren es Sozialdemokraten in der Bundesregierung, die mitgeholfen haben, die schlimmsten Folgen dieser Krise von unserem Volk abzuwenden. Ich nenne stellvertretend drei derjenigen, die Politik gemacht haben, damit Deutschland besser durch diese Krise kommt: Frank-Walter Steinmeier hat die Vorschläge zum Konjunkturpaket gemacht, Peer Steinbrück hat mitgeholfen, dass das Bankensystem nicht zusammengebrochen ist, und Olaf Scholz hat mit den veränderten Regeln zur Kurzarbeit Hunderttausenden den Job gerettet. Das waren wir, nicht die anderen, liebe Genossinnen und Genossen.

Gleichwohl werden wir neues Vertrauen für unsere Ideen und Ideale nicht allein mit dem Blick auf den stolzen Teil der Vergangenheit gewinnen, sondern wir müssen uns daran machen, den Vertrauensverlust aufzuarbeiten. Dafür muss der Parteitag ein Startschuss sein, ein Startschuss zur Neuaufstellung der Sozialdemokratie: Personell, organisatorisch und konzeptionell. Ich sage bewusst nicht: programmatisch, weil ich trotz alledem der festen Überzeugung bin, dass wir eine gute gemeinsame programmatische Grundlage haben.

Dieser Parteitag findet zum 50. Jahrestag des Godesberger Programms statt.

Damals, 1959, hat die SPD den Schritt von der Arbeiterpartei hin zu der linken Volkspartei gemacht. Das jetzt gültige, vor zwei Jahren in Hamburg beschlossene Hamburger Grundsatzprogramm, ist nichts anderes als die Erneuerung dieses Anspruches. Wir sind Volkspartei. Wir müssen diesen Anspruch behaupten und erneuern. Aber wir werden nicht Klientelpartei wie FDP und andere, sondern wir wollen in allen Teilen dieser Gesellschaft Vertrauen für unsere Überzeugungen gewinnen.

Trotzdem bleibt viel zu tun. Denn offensichtlich haben wir in vielen Bereichen den Anschluss verloren an das, was Menschen denken und fühlen. Lasst uns nicht drum herumreden, wir müssen darüber diskutieren. Aber wir dürfen dann die Konsequenzen und unsere Überzeugung, wie wir mit den Dingen umgehen, wie wir uns neu aufstellen, welche Angebote wir für die Zukunft der Gesellschaft machen, bitte nicht taktisch auf andere Parteien ausrichten. Wir müssen selbst sagen, was wir für diese Gesellschaft für richtig halten. Wir müssen uns nicht nach links oder rechts öffnen, sondern wir müssen uns in die Gesellschaft öffnen, zu den Menschen. Das ist der Unterschied, liebe Genossinnen und Genossen.

Wir werden es uns da nicht wie andere einfach machen können. Wir wollen Visionen haben für die Zukunft dieser Gesellschaft. Aber wir müssen auch pragmatisch handeln, damit das nicht nur auf dem Papier bleibt. Wir sind nicht die Partei, die wirtschaftlichen Erfolg, soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft gegeneinander ausspielt. Wir wissen, dass das wechselseitige Bedingungen sind. Das unterscheidet uns von anderen, und das müssen wir deutlich machen beim Wiederaufbau der Partei ? über die Kommunen und Länder zum Bund bis hin zur europäischen Ebene. Dass das notwendig ist, zeigen die ersten Wochen der neuen Koalition. Ich weiß nicht, ob euch das auch so geht: Ein paar Tage Schwarz-Gelb reichen mir schon jetzt!

Das wird kein einfacher Weg, weiß Gott nicht. Das wird vielleicht auch keine Kurzstrecke, sondern länger dauern. Aber wir müssen uns aufmachen. Denn es werden viele Menschen in Deutschland zu leiden haben unter dem, was Schwarz-Gelb jetzt anrichtet, nicht nur in der Finanzpolitik zulasten eines handlungsfähigen Staates und handlungsfähiger Kommunen, nicht nur in der Energiepolitik mit der Rolle rückwärts zur Atomkraft, nicht nur in der Gesundheitspolitik, wo sie das Solidaritätsprinzip mit dem schneidigen Herrn Rösler zerstören wollen. Wir werden Widerstand zu organisieren haben, und wir müssen denen die Stimme geben, die sich das in Deutschland nicht gefallen lassen, was Schwarz-Gelb jetzt vorhat.

Es kommt darauf an, dass unsere Bundestagsfraktion gut aufgestellt ist. Ich glaube, die letzten Tage haben bewiesen, dass sie gut aufgestellt ist. Lieber Frank-Walter Steinmeier, ich finde, du hast das Rededuell gegen Frau Merkel in dieser Woche gewonnen. Die haben kein Konzept, wir aber haben eine starke sozialdemokratische Opposition.

Liebe Genossinnen und Genossen, zum Schluss: Ich kandidiere auf diesem Bundesparteitag nach vier Jahren nicht mehr für das Amt des Generalsekretärs. Einige mögen jetzt klatschen, andere mögen es bedauern. Es ist so. Nichts, was da war, bereue ich. Fehler habe ich auch gemacht. Aber vor allem empfinde ich für diese Zeit eines: Es war eine große Ehre, an dieser Stelle mit und für unsere Partei zu arbeiten, und zwar in Zeiten der Großen Koalition, wo es oft galt, einen Dienst an der Einheit dieser Partei zu leisten. Ich wollte mithelfen, diese Partei neu aufzustellen. In bescheidener Art und Weise will ich sagen: Dass ich ein bisschen mithelfen konnte, dass wir das Hamburger Grundsatzprogramm zustande gebracht haben, ist etwas, was mich nach wie vor mit Stolz erfüllt, liebe Genossinnen und Genossen.

Ich freue mich jetzt auf eine neue Aufgabe in der Bundestagsfraktion. Aber eines will ich auch deutlich sagen: Ich wünsche denjenigen, die für die neue Parteispitze kandidieren, von ganzem Herzen alles Gute. Das betrifft den designierten Vorsitzenden Sigmar Gabriel ? ich werde ihn wählen ?, das betrifft aber auch meine designierte Nachfolgerin Andrea Nahles. Es wird kein leichter Weg, aber es geht nicht, wenn die da oben alleine vorturnen. Wir müssen sie dabei als Gesamtpartei unterstützen. Wir müssen diskutieren, wie wir das miteinander machen. Wir müssen Solidarität üben ? nicht nur um unser selbst willen, sondern weil es Millionen von Menschen gibt in Deutschland, die nicht SPD-Mitglied sind, aber die auf uns zählen wollen und zählen können müssen. Deshalb: Glückauf für die neue Parteiführung, wenn wir sie wählen, liebe Genossinnen und Genossen!

Sigmar, du sagst immer so schön, wir sollten auf die Basis hören. Ich bin jetzt auch Teil deiner Basis, also hör auch auf mich! Wenn ich mir drei Eigenschaften wünschen kann, die wir alle miteinander einüben sollten, dann sind das die Tugenden, die nach Max Weber gute Politik nach wie vor ausmachen:

Es geht darum, auch in der Opposition Verantwortung für das Ganze zu zeigen. Im Godesberger Programm, das wir am Sonntag zum 50. Jahrestag mit Erhard Eppler ehren werden, steht der schöne Satz: Regierung und Opposition haben unterschiedliche Aufgaben, aber sie tragen beide Verantwortung für unseren Staat. Das tun wir auch in der Opposition. Deshalb werden wir nicht nur kritisieren, sondern Alternativen aufzeigen müssen. Verantwortung für das Ganze zu übernehmen, nicht nur für Teile dieser Gesellschaft, das muss unsere Aufgabe bleiben. Die zweite Eigenschaft, die deutlicher werden muss, ist die Leidenschaft für unsere sozialdemokratische Überzeugung. Und das Dritte, was wir brauchen, ist Augenmaß im Handeln.

Verantwortung, Leidenschaft und Augenmaß, das ist die Haltung, die ich meiner Sozialdemokratischen Partei wünsche, der ich 21 Jahre angehöre und bis zu meinem Tode angehören werde. Diese Partei verlässt man nicht, sondern man streitet, wenn einem was stinkt, in der SPD dafür, dass es besser wird, liebe Genossinnen und Genossen.

Ich bin in den letzten vier Jahren viel herumgefahren durch die Unterbezirke. Die meisten habe ich mehrfach besucht, alle zumindest einmal, und kann nur sagen, auch wenn es blöd klingt: Trotz alledem, ich finde, wir sind eine gute Partei.

Wir machen es uns manchmal schwerer als andere, aber das zeigt auch, dass wir es uns nicht leicht machen. Wir wollen nicht nur regieren, sondern wir wollen auch wissen, wofür wir regieren. Vielleicht ist das der entscheidende Unterschied zu Konservativen, die sich für geborene Herrscher in diesem Lande halten. Wenn wir regieren, machen wir es uns nicht leicht. Aber die, die für uns regieren, machen es uns auch manchmal nicht leicht. Beides gehört zusammen. Ich glaube, dass Helmut Schmidt, dass Willy Brandt, dass Gerhard Schröder und andere davon eine Geschichte erzählen können, dass auch viele in den Ortsvereinen ihre Geschichte erzählen können. Beide haben recht: Wir müssen gut regieren, wir müssen Wahlen gewinnen wollen. Bei all dem muss unsere Überzeugung wieder deutlicher erkennbar werden. Die SPD wird gebraucht. Den Konservativen und Wirtschaftradikalen, die sich jetzt die Hände reiben, wollen und werden wir zeigen, dass wir wieder da sind. Ihr lacht jetzt. Wir werden später lachen, wenn wir was für die Menschen erreicht haben, wenn wir uns neu aufgestellt haben. Sorgt dafür, liebe Genossinnen und Genossen, dass dieser Dresdner Parteitag die Neuaufstellung der SPD bedeutet. Sorgt dafür, dass wir mit diesem Parteitag das Signal aussenden, dass wir wieder die linke Volkspartei in Deutschland sein wollen und werden. Das ist unsere Aufgabe.

Der Parteitag ist eröffnet!

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