Schuldenbremse: Regierung müsste nach DIW-Berechnungen bis zu 13 Milliarden Euro zusätzlich sparen
Die Bundesregierung müsste nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) bis zu 13 Milliarden Euro mehr einsparen als nach Berechnungen der EU-Kommission. Um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen, muss das strukturelle Defizit bis zum Jahr 2015 abgebaut sein. Die Höhe dieses Defizits werde von der EU-Kommission aber optimistisch niedrig geschätzt, warnt DIW-Konjunkturexperte Simon Junker. Nach eigenen Berechnungen des DIW-Experten wird das strukturelle Defizit Ende 2012 nicht wie von der EU-Kommission kalkuliert bei rund 20 Milliarden Euro liegen, sondern bei bis zu 33 Milliarden Euro. Die Zahlen der EU-Kommission sind nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Schon kleine Veränderungen bei den Annahmen führen zu großen Schwankungen im Ergebnis, erläutert Junker. Der DIW-Experte warnt deswegen davor, sich zu stark an den Schätzungen der Kommission zu orientieren und empfahl der Bundesregierung stärkere Sparanstrengungen. Die größten Einsparungen sollten jetzt vorgenommen werden, wo die Konjunktur stark ist und die Bremswirkung gut abgefedert werden kann. Steuersenkungen verbieten sich vor diesem Hintergrund von selbst, so Junker.
Insgesamt ist Deutschland nach Einschätzung des Wirtschaftsforschers auf einem guten Weg, seine Neuverschuldung schrittweise abzubauen. Dabei hilft derzeit, dass die Steuereinnahmen durch den Aufschwung sprudeln und die Sozialausgaben geringer ausfallen. Ausschlaggebend für die Grenzen der Schuldenbremse ist jedoch nicht die Neuverschuldung sondern das strukturelle Defizit, das eben solche konjunkturellen Schwankungen ausblendet. Liegt dieses wie von uns berechnet deutlich höher, müsste auch erheblich mehr gespart werden, als die Kommissionsergebnisse nahelegen, so Junker. Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse der EU-Kommission und des DIW Berlin ist das Trendwachstum, das von der EU-Kommission sehr optimistisch geschätzt werde. Junker selbst prognostiziert ein rund 0,5 Prozentpunkte niedrigeres Trendwachstum und kommt somit auch zu einer höheren Auslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazität. Nach seiner Schätzung dürfte die deutsche Wirtschaft ihre Normalauslastung bereits in diesem, spätestens jedoch im nächsten Jahr überschreiten. Die Berechnungen der EU-Kommission hingegen signalisieren noch eine deutliche Unterauslastung. Die Konsequenz ist: Das DIW Berlin betrachtet den größten Teil des gegenwärtigen Haushaltsdefizits als strukturell, während es nach den Daten der EU-Kommission noch eine beträchtliche konjunkturelle Komponente enthält.
Die Methode des DIW Berlin zur Berechnung des Trendwachstums unterscheidet sich von derjenigen der EU-Kommission im Wesentlichen in der Bestimmung des Arbeitsvolumens. Unterschiede ergeben sich zum Einen aus methodischen Gründen – die DIW-Berechnungen beruhen auf Daten des Mikrozensus, die der EU-Kommission auf der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und zum Anderen auf unterschiedlichen Einschätzungen der konjunkturellen Arbeitsmarktentwicklung: So geht die EU-Kommission davon aus, dass der derzeitige Zuwachs in der Beschäftigung vor allem struktureller Art ist. Dem DIW Berlin zufolge ist für die Beschäftigungszuwächse hingegen in erster Linie die gute Konjunktur verantwortlich.
Die Politik sollte sich nicht auf die Zahlen aus Brüssel verlassen, sondern die gute konjunkturelle Lage nutzen, um weitere Sparmaßnahmen umzusetzen, rät der DIW-Experte Junker. Jetzt kann die Konjunktur die Bremswirkungen staatlicher Konsolidierungen besser verkraften als in einigen Jahren, wenn die wirtschaftliche Lage – wie sich bereits abzeichnet – wieder abkühlt, so Junker.
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