Verfassungsbeschwerden gegen Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss für Flughafen Leipzig/Halle erfolglos
Die Verfassungsbeschwerden betreffen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss für den Verkehrsflughafen Leipzig/Halle vom 27. Juni 2007 sowie hierzu ergangene Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004 wurde der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle zu einem Drehkreuz für den Luftfrachtverkehr genehmigt. Der Planfeststellungsbeschluss beinhaltete nur geringfügige Einschränkungen für den Nachtflugverkehr, der bereits aufgrund der Betriebsgenehmigung vom 20. September 1990 in der Gestalt der Genehmigung vom 14. März 2000 (Betriebsgenehmigung 1990/2000) zulässig war. Auf Klagen lärmbetroffener Anwohner – darunter auch die Beschwerdeführer – verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. November 2006 den Freistaat Sachsen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb weiter beschränkt wird, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht. Mit dem vorliegend angegriffenen Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 schränkte der Freistaat Sachsen den Nachtflugverkehr weiter als bisher ein. Zugelassen blieben jedoch unter anderem auch nicht eilbedürftige Frachtflüge, soweit die Luftfrachtunternehmen logistisch in das Luftfrachtzentrum Leipzig/Halle eingebunden sind. In der Nachtzeit zugelassen blieben ferner Flüge auf militärische Anforderung, wie zum Beispiel militärischer Sonderfrachtverkehr für die NATO und die EU im Rahmen des SALIS-Projekts sowie Militärtruppentransporte der USA durch private Fluggesellschaften. Die hiergegen gerichteten Klagen der Beschwerdeführer blieben vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), das sie durch den Fluglärm und die Gefahr terroristischer Anschläge beeinträchtigt sehen.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, die Flüge auf militärische Anforderung seien von der Betriebsgenehmigung 1990/2000 gedeckt, verletzt insbesondere nicht die verfahrensrechtliche Dimension des Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass dadurch der Rechtsschutz der Beschwerdeführer verkürzt worden ist. Nachdem über die Notwendigkeit einer fortbestehenden Nachtflugmöglichkeit für Flüge auf militärische Anforderung im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss entschieden wurde, war es verfassungsrechtlich nicht geboten, die grundsätzliche Zulässigkeit der genannten Flüge einer erneuten Abwägung und Entscheidung zu unterwerfen. Denn für sie gelten die für den Verkehrsflughafen Leipzig/Halle allgemein geltenden Regeln. Sofern bestimmte Transportflugzeugtypen genutzt werden, ist nicht nachvollziehbar, wieso dies auf der Grundlage der Betriebsgenehmigung 1990/2000 unvorhersehbar und damit ohne Rechtsschutzmöglichkeit war. Denn eine luftrechtliche Genehmigung muss die Arten der Luftfahrzeuge enthalten, die den Flughafen nutzen dürfen. Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Nutzung des Flughafens durch zivile US-amerikanische Fluggesellschaften wenden, die US-Militärpersonal zwischen verschiedenen zivilen und militärischen Flughäfen der USA und dem Nahen und Mittleren Osten befördern, hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Erteilung der hierfür erforderlichen Einflugerlaubnisse zu versagen sei, wenn durch die Benutzung des deutschen Luftraums die öffentliche Sicherheit gefährdet würde. Zugleich hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Bewohner des Bundesgebietes gegen die Erteilung dieser Einflugerlaubnisse die Verletzung subjektiver Rechte geltend machen können und ihnen daher eine Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung steht.
Eine Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit kann auch durch die Abwägungsentscheidung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses im Hinblick auf die Flüge auf militärische Anforderung nicht festgestellt werden. Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, die Gefahr von Terroranschlägen wegen der Flüge auf militärische Anforderung sei nur geringfügig und daher nicht abwägungserheblich, ist vertretbar. Die Beschwerdeführer haben lediglich pauschal bestritten, dass geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen vorhanden und von deutschen Behörden überprüft worden seien. Dagegen ist nicht ersichtlich, dass sie ihren Zweifeln an den Sicherheitsmaßnahmen durch einen Beweisantrag Nachdruck verliehen hätten. Darüber hinaus haben die Beschwerdeführer auch kein konkret sie betreffendes Bedrohungsszenario dargetan. Völlig aus der Luft gegriffen erscheint ihre Behauptung, aufgrund der militärischen Nutzung bestehe die Gefahr, dass der Flughafen Leipzig/Halle Gegenstand eines regulären kriegerischen Angriffs werden könne, woraus sich die Gefahr ziviler „Kollateralschäden“ ergebe.
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist ebenfalls nicht dadurch verletzt, dass im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss darauf verzichtet wurde, die Zulässigkeit des Nachtflugbetriebs auf Flüge zur Beförderung von Expressfracht zu beschränken. Das Bundesverwaltungsgericht ist zu dem vertretbaren Ergebnis gelangt, dass der bereits im Urteil vom 9. November 2006 anerkannte standortspezifische Bedarf für den Umschlag von Expressfrachtverkehr an einem Frachtdrehkreuz auch in der Nachtkernzeit Flüge zur Beförderung konventioneller Fracht „mitziehen“ könne, wenn beide Arten von Fracht aus vernünftigen Gründen gemeinsam transportiert würden und die Beschränkung der Nachtflugerlaubnis auf Verkehre zum Transport von Expressfracht die Funktionsfähigkeit des Frachtdrehkreuzes gefährden würde. Dieser in den Abwägungsvorgang eingeflossene Belang kann nicht als ungeeignet angesehen werden, eine Beschränkung der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Lärmschutzinteressen der Beschwerdeführer zu rechtfertigen. Angesichts der vom Bundesverwaltungsgericht genannten Voraussetzungen für ein „Mitziehen“ des allgemeinen Frachtverkehrs durch den Expressfrachtverkehr kann auch kein Missverhältnis zwischen den gegeneinander abzuwägenden Lärmschutzinteressen der Beschwerdeführer und den grundrechtlich geschützten Interessen der Flughafenbetreiberin und der Flugunternehmen festgestellt werden.