Vergaberecht | Kommunen
Neues zur Ausschreibungspflicht bei grundstücksbezogenen Investorenprojekten
Es gibt möglicherweise bald Neuerungen zur Frage der Ausschreibungspflicht kommunaler Grundstücksveräußerungen. Das deutet sich jedenfalls aufgrund der Schlussanträge des Generalanwaltes des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Paolo Mengozzi, in der Rechtssache Helmut Müller GmbH ./. BIMA (Rs. C-451/08) an.
Bochum / Essen, 27. November 2009 +++ Bisher ging man davon aus, dass öffentliche Bauaufträge im Sinne der EG-Richtlinien auch in denjenigen Fällen vorlägen, in denen das Bauwerk der öffentlichen Hand bloß einen mittelbaren wirtschaftlichen Nutzen bringt. Ein rein öffentliches Interesse an dem Bauwerk oder die reine Verfolgung städtebaulicher Ziele sollten ebenfalls ausreichen. Auf die Nutzung des Gebäudes sollte es nach dem OLG Düsseldorf nicht ankommen.
Der Generalanwalt hat mit seinem Schlussantrag vom 17. November in einem dem EuGH vorliegenden Verfahren nun aber eine differente Auffassung vertreten: Ein öffentlicher Bauauftrag soll ? genau wie eine Baukonzession ? eine unmittelbare Verbindung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den zu realisierenden Bauarbeiten oder Bauwerken voraussetzen. Dies sei in drei grundsätzlichen Konstellationen der Fall:
1. Das Bauwerk geht in das Eigentum der öffentlichen Hand über,
2. das Bauwerk kommt der öffentlichen Hand unmittelbar wirtschaftlich zugute (indem sie es nutzt), und
3. die Initiative zur Realisierung des Bauwerks geht von der öffentlichen Hand aus.
Kein öffentlicher Bauauftrag und keine Baukonzession sollen hingegen vorliegen, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind und stattdessen mit dem Bauwerk ein rein städtebauliches Interesse verfolgt wird oder von dem Bauwerk lediglich ein bloß immaterieller Nutzen ausgeht.
Dafür plädiert wurde vom Generalanwalt ferner, dass eine Baukonzession nicht in der Übertragung eines unbefristeten Rechts zur Nutzung einer Sache gesehen werden könne. In der „dinglichen Hingabe“ (Verkauf und Eigentumsübertragung) eines Grundstücks soll daher nicht die Einräumung einer Baukonzession gesehen werden können.
„Mit seinem Schlussantrag tritt Generalanwalt Mengozzi der Rechtsansicht des OLG Düsseldorf und der EU-Kommission teilweise entgegen, die sich beide auf Rechtsprechung des EuGH stützen“, kommentiert Dr. Stefan Mager, Vergaberechtsexperte der Kanzlei Aulinger Rechtsanwälte, den Antrag. Dieser Antrag schränkt die Anwendung der EG-Richtlinien auf Grundstücksveräußerungsvorgänge ein. Und zwar auf Fälle der unmittelbaren Verbindung zwischen dem öffentlichen Beschaffer und dem Bauwerk. Ein bloß mittelbarer Nutzen soll nicht genügen, um eine Ausschreibungspflicht bejahen zu können. Auch ein rein öffentliches Interesse an dem Bauwerk oder die reine Verfolgung städtebaulicher Ziele soll hierfür nicht hinreichend sein.
Dr. Mager weiter: „Die Schlussanträge geben kaum Aufschluss darüber, wann diese Grenzen in der Praxis konkret überschritten sind und wann noch nicht. Auch die Fallgruppe der unmittelbaren Verbindung bei Bauwerken, deren Realisierung von der öffentlichen Hand ausgeht, wirft Fragen auf. Selbst wenn der EuGH der Auffassung des Generalanwalts folgen würde, bliebe stets im Einzelfall zu prüfen, ob eine Ausschreibungspflicht gegeben ist oder nicht.“
Praxistipps
Vergaberechtsexperte Dr. Mager rät betroffenen Kommunen:
? Eine Entscheidung durch den EuGH in der Sache wird voraussichtlich nicht vor Mitte 2010 ergehen. Und auch wenn der EuGH in den meisten Fällen der Auffassung des Generalanwalts folgen sollte, sollten begonnene oder bereits auf Basis der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf geprüfte Vorgänge im Wege der Ausschreibung fortgeführt werden.
? Diese Vorgehensweise gilt erst recht dann, wenn es sich um klare Konstellationen handelt, die auch nach Auffassung des Generalanwalts einer Ausschreibungspflicht unterliegen. Dies sind beispielsweise Fälle, in denen
? ? die öffentliche Hand das Gebäude ganz oder auch nur teilweise nutzt,
? ? Finanzierungsbeiträge sonstiger Art (Abgabenerlass oder ähnliches) fließen,
? ? nicht der Investor auf den öffentlicher Auftraggeber mit dem Entwicklungsvorschlag zugegangen ist, sondern umgekehrt, die ursprüngliche Idee für das Projekt vom öffentlichen Auftraggeber ausgegangen ist.
Informationen im Internet: www.aulinger.eu
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