Verurteilung eines Redaktionsleiters des Hessischen Rundfunks wegen Bestechlichkeit und Untreue bestätigt

Karlsruhe (pressrelations) –

Verurteilung eines Redaktionsleiters des Hessischen Rundfunks wegen Bestechlichkeit und Untreue bestätigt

Das Landgericht hat den Angeklagten Dr. E wegen Bestechlichkeit in sechs Fällen, Untreue in sechs Fällen und Beihilfe zur Bestechung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten F. wegen Bestechung in fünf Fällen und Beihilfe zur Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zur Bewährung verurteilt.

Die Angeklagten haben sich mit ihren Revisionen vor allem gegen die Annahme des Landgerichts gewendet, der Angeklagte Dr. E. sei Amtsträger im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften gewesen.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten Dr. E. und F. als unbegründet verworfen, weil die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben hat. Die Verurteilungen sind damit rechtskräftig.

Der Angeklagte Dr. E. war von 1987 bis März 2004 im Angestelltenverhältnis Leiter der Sportredaktion des Hessischen Rundfunks (hr). Nach den Feststellungen des Landgerichts gründete auf seine Veranlassung der Angeklagte F. Anfang 2000 die SMP GmbH, die sich mit der Vermarktung von Sportveranstaltungen befasste. An diesem Unternehmen wirtschaftlich beteiligt war zunächst nur die Ehefrau des Angeklagten Dr. E.; der geschäftsführende Alleingesellschafter F. war deren Strohmann und wurde gemeinsam mit seiner Ehefrau erst ab 2001 ebenfalls beteiligt. Der Angeklagte Dr. E. veranlasste von 2000 bis 2003 in einer Reihe von Fällen Veranstalter, die sich wegen einer Übertragung von Sportereignissen an ihn als Leiter der Sportredaktion des hr gewandt und Bereitschaft zu einer Beteiligung an den Produktionskosten gezeigt hatten, Vermittlungsverträge mit der SMP zu schließen. Die SMP behielt, wie vom Angeklagten beabsichtigt, ohne Wissen des hr von den Zahlungen der Veranstalter in einigen Fälle Beträge ein, die die Höhe einer üblichen Vermittlungsprovision deutlich überstiegen, in anderen Fällen sogar den jeweiligen Gesamtbetrag. Der Angeklagte verstieß zudem bei der inhaltlichen Gestaltung von Sendungen des hr in mehreren Fällen zu Gunsten der Kunden der SMP gegen das Schleichwerbungsverbot des Rundfunkstaatsvertrags. Der Gewinn der SMP wurde für die Jahre 2001 bis 2003 an beide Angeklagten bzw. deren Ehefrauen in jeweils gleicher Höhe ausgeschüttet. Die Angeklagten hatten vereinbart, dass der Angeklagte Dr. E. seinen Gewinnanteil als Gegenleistung für die von ihm unter Umgehung des hr zu Gunsten der SMP entfalteten Tätigkeiten erhalten sollte.

Das Landgericht hat die Manipulationen des Angeklagten Dr. E. im Zusammenhang mit den Vermittlungsaufträgen der SMP jeweils als Untreue zum Nachteil des hr gewürdigt, zu der der Angeklagte F. Beihilfe geleistet habe. Die durch den Angeklagten F. als Geschäftsführer der SMP vorgenommenen Gewinnaus-schüttungen an den Angeklagten Dr. E. hat es jeweils als Bestechung bzw. Bestechlichkeit gewürdigt.

Der Angeklagte Dr. E. erhielt zudem in den Jahren 2001 bis 2003 von der Veranstalterin des Radrennens „Rund um den Henninger Turm“ in Frankfurt Zahlungen, die als Vermittlungsprovisionen für die Gewinnung von Sponsoren durch den Angeklagten deklariert wurden. Tatsächlich dienten sie jedoch zumindest zum Teil als Gegenleistung dafür, dass der Angeklagte auf die Übertragung der Rennen durch den hr inhaltlich Einfluss im Sinne der Interessen der Veranstalterin und ihrer Sponsoren nahm.

Das Landgericht hat die Annahme dieser Zahlungen durch den Angeklagten Dr. E. jeweils als Bestechlichkeit gewertet.

Gegenstand des Urteils sind außerdem zwei Bestechungszahlungen des Angeklagten F. an den damaligen Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks, zu denen der Angeklagte Dr. E. in einem Fall Beihilfe geleistet hatte.

Der 2. Strafsenat hat insbesondere die Auffassung des Landgerichts bestätigt, dass die verantwortlichen Redakteure der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Amtsträger im strafrechtlichen Sinne anzusehen sind, weil sie „bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ? wahrnehmen“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB). Deshalb finden auf sie die Bestechungstatbestände der §§ 332, 334 StGB Anwendung. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind als Anstalten des öffentlichen Rechts institutionalisiert. Sie finanzieren sich durch eine Gebührenpflicht, die ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus anknüpft. Mit der Sicherstellung der unerlässlichen Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen erfüllen sie eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks steht dieser Bewertung nicht entgegen. Zwar folgt aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit, dass die Rundfunkanstalten dem staatlichen Einfluss entzogen oder höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen sind. Dennoch handelt es sich bei der Erfüllung des sog. „klassischen Rundfunkauftrags“ nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine öffentliche Aufgabe der Bundesländer, die diese ihrerseits den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugewiesen haben, weil sie ihn wegen des Gebots der Staatsfreiheit nicht unmittelbar wahrnehmen können. Dem entspricht es, dass auch das Bundesverfassungsgericht die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ungeachtet ihrer Staatsfreiheit als Träger mittelbarer Staatsverwaltung gewertet hat.

Urteil vom 27. November 2009 ? 2 StR 104/09

Landgericht Frankfurt am Main ? Urteil vom 2. Oktober 2008 ? 5/12 KLs 7740 Js 214435/04 (2/07)

Karlsruhe, den 27. November 2009

Gesetzestext

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB:
„Im Sinne dieses Gesetzes ist ?

Amtsträger: wer nach deutschem Recht ? sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen ?“

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