Vom Löten und Rosten: Zeitzeugnis aus Zinkblech originalgetreu rekonstruiert

(Düsseldorf, 04.06.2012) „Gedenke der Brüder, die das Schicksal unserer Trennung tragen!“ So steht es am Deutschen Haus in Bremen. So steht es aber auch in der Dauerausstellung im Haus der Geschichte Bonn. Beide Inschriften bestehen aus 453 Millimeter hohen und 26 Millimetern starken Versalien aus Zinkblech. Mit den typischen Verwitterungsspuren, die 57 Jahre nun mal hinterlassen. Und jeder einzelne Buchstabe erzählt eine Geschichte: Beide Schriftzüge erinnern an die deutsche Teilung. Der in Bonn beschreibt aber auch, wie ein Zeitzeugnis innerhalb weniger Wochen originalgetreu nachgebildet werden kann. Verantwortlich für diese Replik ist die Düsseldorfer Beratungs- und Designagentur b:dax.

„Von Ende März bis Mitte Mai hatten wir Zeit, die historische Inschrift nachzubauen. Wichtig war unseren Auftraggebern dabei, dass die Verwitterungsstellen perfekt nachgeahmt werden“, erzählt Roger Bröchler, der kreative Kopf von b:dax. Aber erst einmal stand Bröchler vor einer ganz anderen Herausforderung: Seine Suche in Archiven und die Nachfragen bei alten Bremer Handwerkern, um welche Schriftart es sich handelt, blieben erfolglos. Einfach eine ähnliche zu nehmen, war keine Option. Buchstabe für Buchstabe wurde das Original, das zu diesem Zeitpunkt noch Teil der Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte war, deshalb fotografiert. Bröchler: „Nicht nur, dass jeder Buchstabe eine andere Verwitterungsstruktur hatte, die ich ja erhalten wollte und sollte – die Lettern waren auch sehr individuell. Vor fast 60 Jahren gab es schließlich noch keine digitalen Schriften, bei der ein E wie das andere aussieht – es wurde mit Pauspapier und Blechschere gearbeitet.“

Im Atelier in Düsseldorf wurden die Fotos in Grafikprogrammen bearbeitet, die Zeichen wurden 1:1 und in einem Format von 2.000 mal 1.000 Millimetern angelegt und nur als Konturen definiert, die dann durch hohen Druck mit Wasser und einem abrasiven Zusatz geschnitten wurden. Das Ergebnis: präzise geschnittene Buchstaben und Wangenstreifen aus Titanzink, die im nächsten Schritt zusammengelötet werden mussten: „Aber welche ist die bessere Technik? Hart- oder Weichlöten? Wir haben quasi einen Schnellkurs im Erstellen einer Profilötnaht absolviert. Letztlich ging es sogar schneller und einfacher als gedacht“, so der Designer.

Parallel wurde das Grundgerüst gebaut – und die Oberflächengestaltung rückte immer mehr in den Fokus: Wie können alle Elemente innerhalb von zwei Wochen um 57 Jahre altern? Wie wird die Rostanmutung auf Gestell und Inschrift realisiert? Und wie kann selbst der kleine Tomatenfleck auf das eine N bei „Trennung“ kommen? Für den Patinafaktor sorgte das Auftragen von selbst gezüchtetem Rost. Nur die Experimente mit Reißlack, Knochenleim, Wasserglas und verschiedene Kombinationen brachten nicht die jahrzehntealte Optik der Buchstaben. Erst die Simulation im Direktdruck überzeugte: Roststellen und Abplatzungen auf der Oberfläche sahen nun realitätsnah aus.

Schließlich war es so weit: Nach einem Jahr in Bonn kehrte die Inschrift unversehrt zum Deutschen Haus auf dem Bremer Marktplatz zurück und am 14. Mai wurde die Replik in die Dauerausstellung im Haus der Geschichte aufgenommen – detailgetreu bis zum Tomatenfleck und zum schief hängenden R.

(Bildquelle: Elena Ihilcik)

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