Was treibt erfolgreiche Menschen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen?

Von Brigitte Speidel-Frey
Ein mir nahe stehender Freund ist als Unternehmer sehr erfolgreich. Wenn ich mit ihm durch die Großstadt schlendere und ein Bettler bittet um ein Almosen, dann würde er nie im Leben etwas geben. Nein, da halte er nichts von. Es gäbe andere Möglichkeiten. Ein einziges Mal spendete er über seine Firma an ein Unternehmen, das dafür Medikamente kauft und in bedürftige Regionen schickt. Dies tat er aber nur, weil er mit dieser Firma Geschäfte gemacht hatte. Heißt das, das er nur gibt, wenn er eine Gegenleistung bekommt? Niemand würde diesen Mann als geizig bezeichnen. Im Gegenteil, wenn es um ein geselliges Essen mit Freunden, Kollegen oder Kunden geht, dann ist er großzügig, lädt ein. Es braucht neben der Leistung eine Beziehung für ihn.

Scrooge, der Geizhals aus einer der wunderbaren Weihnachtserzählung von Charles Dickens, muss erst durch drei Geister darauf hingewiesen werden, wie wichtig Beziehungen sind und wie schön es ist, wenn man in diese Gemeinschaft eingebettet wird und wie gut es einem selbst tut, wenn man schenkt. Er war schon so verhärtet, dass es eines großen Schrittes ins Geisterreich bedurfte, um ihn zur Umkehr zu bekehren.

Wird der Staat es schon richten?

In allen Religionen und in fast allen Gesellschaften gehört der Gemeinsinn, das Almosen für Bedürftige, das Teilen, die Verantwortung für Hilfsbedürftige zu den Grundfesten. Deutschland hat durch die soziale Marktwirtschaft, durch vielfältige Übernahme von privaten Initiativen durch den Staat, durch die geregelten Transferleistungen den Menschen ein Stück weit diese persönliche Initiative geraubt. „Der Staat wird es schon richten.“ Dafür bezahlt man ja hohe Steuern und Abgaben.

Die Rechnung stimmt jedoch in letzter Zeit nicht mehr so ganz. Armut, ein Wort, das man im Ausland aber nicht hier verortete, macht sich plötzlich in Deutschland breit. Wie eine Studie des paritätischen Gesamtverbandes aus dem Jahre 2007 aussagt, beträgt die Armutsquote in Deutschland mittlerweile 14,3 Prozent mit einer deutlichen Teilung zwischen Ost und West. So verfügen in Mecklenburg-Vorpommern 27 Prozent der Menschen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland. Und die Tendenz dürfte in der Wirtschaftskrise noch zugenommen haben. Das, was die Menschen auf ihren Reisen bisher nur in so genannten Drittländern zu sehen bekamen, das gibt es plötzlich auch hier in ihrer Heimat. Und die Menschen fordern von den reichen Unternehmen, dass sie nicht nur auf ihre Gewinne schauen, sondern fragen auch: „Was tut Ihr mit Eurem Geld für die Welt, für die Gesellschaft?“ Viele haben es bereits begriffen, dass das soziale Umfeld, Nachhaltigkeit im Tun und im Lassen, mehr Wert schöpfen kann als blanker Kapitalismus. Die momentane wirtschaftliche Situation setzt noch eins darauf, denn jetzt ist ja klar, dass die „Casinokapitalisten“ nur an den Profit gedacht haben und nicht an den Rest der Menschheit.

Soziales Engagement steht hoch im Kurs

Schaut man heute in die Webseiten der großen Unternehmen, so gibt es fast keines mehr, das nicht von CSR (Corporate Social Responsibility) schreibt und auch in der Regel einiges dafür tut. Von Sponsoring in Kultur, Sozialem, Minderheiten, Sport und sonstige gesellschaftliche Engagements bis hin zu Mitarbeitern, die für soziale Einsätze freigestellt werden, die Firmen benötigen diesen Social Added Value, um für die Gesellschaft und für ihre Mitarbeiter attraktiv zu sein. Soziale Kompetenz steht hoch im Kurs und ist ein wertvolles Differenzierungsmerkmal für die Unternehmen.

Aber das heißt doch, dass die Firmen, die Besitzer, die Führungskräfte es auch nur tun, weil sie eine Gegenleistung dafür erhalten. Der Kunde kauft die giftfreie Baumwollgarnitur oder den nicht von Kindern hergestellten Teppich, weil er es für wichtig erachtet, auf solche Vorgaben zu achten. Der gut ausgebildete Hochschulabsolvent geht vorzugsweise in eine Firma, die ein gutes Image hat und sich gesellschaftlich engagiert. Werner von Siemens baute für seine Mitarbeiter Wohnungen, weil er sie in der Nähe haben wollte. Er wusste, wie wichtig es ist, dass sie gesund und motiviert sind, um gute Arbeit leisten zu können. Henry Ford zahlte als erster seinen Mitarbeitern mehr Lohn als es der Markt verlangte und erreichte damit, die Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, was zu seiner Zeit höchst unüblich war.

Gutmenschen oder besonders clevere Geschäftsleute

Waren diese Menschen Gutmenschen oder verfügten Sie über einen Geschäftsinstinkt, der weit über das Übliche hinaus ging? Als eines der ältesten Industrie- und Familienunternehmen der Welt wird die Faber-Castell-Gruppe derzeit in der achten Generation von Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell geführt. Liest man die Geschichte dieses Hauses, so ist auch sie wieder ein Beispiel von tatkräftigem Unternehmertum, Pioniergeist und Kreativität der Unternehmerpersönlichkeiten, die sehr früh begriffen haben, dass das alles nicht ohne die Menschen, die mit und für sie arbeiten, geht. Und in der Antwort des derzeitigen Vorstandes und Aufsichtsratsvorsitzenden auf die Frage, was dem Unternehmen wichtig ist, steht: „In der Tradition eines verantwortungsbewussten Handelns, zu dem sich schon mein Ur-Urgroßvater mit sozialen Pionierleistungen bekannte, sorgen wir für humane Arbeitsbedingungen rund um den Globus und verhelfen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch eine Vielzahl an sozialen Leistungen zu mehr Lebensstandard und Lebensqualität.“

Hat das etwas mit Unternehmerpersönlichkeiten zu tun?

Eigentum verpflichtet. Was machen sie, die Unternehmer, anders als Manager? Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 12.12.2007 zeigt auf, dass das gesellschaftliche Engagement „…weniger von der wirtschaftlichen Potenz abhängt als vielmehr von inneren Überzeugung des Firmeninhabers.“ Und an anderer Stelle: „Die größte Triebkraft (95) bilden allerdings die eigenen Überzeugungen und die Familientradition“.

Über persönliches gesellschaftliches Engagement von Managern großer Konzerne findet sich wenig in den Medien, was nicht heißen soll, dass es solches dort nicht gibt. Nur, es ist etwas anderes, als Manager für Zahlen und Ergebnisse verantwortlich zu sein, ein Salär zu beziehen, aber vielleicht nach drei Jahren keine Vertragsverlängerung zu bekommen.

Als Fürsorger in einer Reihe mit Bill Gates

Und was ist mit den vielen freiwilligen Helfer, die nichts dafür bekommen und sich in Krisengebiete begeben? Oder andere, die freiwillige Bürgerhilfe in vielfältigen Einrichtungen leisten? Sind es dieselben Motive wie die der Unternehmensführer, der Unternehmer, der Erfolgreichen. Hat Bill Gates das gleiche Motiv wie eine junge Führungskraft, die ihren Job aufgibt, um einige Jahre als Katastrophenhelfer zu arbeiten? Ja, sie alle übernehmen über das normale Maß hinaus Verantwortung. Dies tun sie auf unterschiedliche Art und Weise, ausgestattet mit unterschiedlichen Mitteln und sicherlich auch von unterschiedlichen Motiven getrieben. Aber etwas haben sie gemeinsam: Sie gehen höhere Risiken ein und tun etwas.

Unterschiedliche Wertegefüge

Es ist offensichtlich, dass Unternehmer, die das eigene Risiko zu tragen hatten und haben, mit „Verantwortung“ deutlich pointierter umgehen. Sie gründen, bauen auf oder übernehmen und bauen aus. Die Menschen, die sie auf diesen Wegen begleiten, sind oft nicht nur „Mitarbeiter“, sondern auch Weggefährten. Auch scheint das verantwortliche Denken für das Unternehmen und die Menschen, die in ihm arbeiten, bei Inhabern, Entrepreneuren deutlich ausgeprägter zu sein als bei Managern, die in ein laufendes Unternehmen geholt und bei Nichteignung wieder gehen gelassen oder gar weg geschickt werden. Als Unternehmer kann man nicht einfach mal so seinen Job hinwerfen, ohne selbst die Konsequenzen tragen zu müssen. In der jüngsten Krise mussten wir bei exponierten Managern das krasse Gegenbeispiel erleben. Zunächst wirtschaften sie die Unternehmen herunter und verlangen dann Staatshilfe. Als wäre dies nicht genug, haben sie die Stirn und fordern auch noch hohe Bonuszahlung. Ein hilfloses, weil formaljuristisch gebundenes Rechtssystem muss klein beigeben: das geschädigte Unternehmen muss dem Schädiger – vertragskonform – Leistungsbonus zahlen. Zurück bleiben Entsetzen über so viel Gier, Hemmungslosigkeit und Verantwortungslosigkeit. Zweifelsohne haben dieses Exzesse aber auch vielfältige Debatten zum Thema Verantwortung ausgelöst.

Verfolgt man die Biografien von Gründern, so sind sie häufig in einer Gemeinde oder Region verwurzelt. Sie sind Teil eines gesellschaftlichen Systems, aus dem sie zumeist selbst kommen und für das sie sich verantwortlich fühlen. Das prägt, das bindet und es weitet den Blick über das Unternehmen hinaus. Es entwickeln sich schnell Traditionen, die an die nächsten Generationen weiter gegeben werden und die Teil der Unternehmenskultur werden. Werden die Unternehmen verkauft, kapitalisiert, dann hält sich diese Unternehmenskultur noch eine Weile. Doch mit jedem neuen Manager, der das Unternehmen leitet, kommt eine neue Idee und mit der Zeit kann es passieren, dass sich der ehemalige Geist verflüchtigt hat. Neue Werte, Standardisierungen, Automatismen werden wichtiger, Was früher Verpflichtung und Tradition war, verliert sich zusehens. Das kann in vieler Hinsicht richtig sein. Was das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl der nachfolgenden Managergeneration betrifft, so geht in der Regel etwas davon verloren, das meist nur Eigentümern zueigen ist.

Nochmals zurück auf den Grundsatz: „Eigentum verpflichtet“. So steht es im Grundgesetz. Und es geht weiter: „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen!“ Eine hohe Verpflichtung, die unsere Gründungsväter in die Verfassung gepackt haben. Ist sie uns bewusst? Dabei ist es so einfach. Wie wäre es damit: „Wer mehr hat, gibt. Normal, oder?“

Die Autorin

Brigitte Speidel Frey ist seit über 20 Jahren Mitglied des Managerinnen-Netzwerks EWMD (European
Women“s Management Development International Network). Nach vielen Jahren als Führungskraft in einem Personaldienstleistungsunternehmen arbeitet sie inzwischen als Beraterin für Organisationsentwicklung, Coach und Wirtschaftsmediatorin.

Brigitte Speidel Frey, speidel-consulting
Telefon: 06074 – 81 48 48, brigitte@speidel-consulting.de

Das Management Forum 2000und ist eine Gruppe von Managerinnen, Unternehmerinnen und Beraterinnen, die sich mit den Zukunftsanforderungen an das Management des 21. Jahrhunderts beschäftigen. Als Projektgruppe innerhalb des internationalen Managerinnen Networks EWMD (European Management Development International Network) www.ewmd.org gegründet, hat die Gruppe eine Reihe von live Diskussions-Foren seit den 1990er Jahren durchgeführt. In einer Artikelserie treten die Mitglieder des Frankfurter Management Forums 2000und in den Dialog mit der interessierten Öffentlichkeit ein. Im Vordergrund stehen dabei Themen wie Verantwortung, Führungsfähigkeit, Diversity-Management, und Leadership, aber auch Verhaltensmaximen in einer wertschätzenden Management- und Unternehmenskultur, in der Frauen gleichberechtigt Führungsaufgaben innehaben.
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