Im Mai 2016 erschien das Buch „Mentaltraining für Läufer. Weil Laufen auch Kopfsache ist“ von Dr. Michele Ufer, international gefragter Experte für Sport- und Managementpsychologie. Das Buch stellt hochwirksame Strategien zum mentalen Training und Selbstcoaching vor und hat sich innerhalb kürzester Zeit als Standardwerk in der Lauf- und Marathonliteratur etabliert. Es richtet sich zwar in erster Linie an Läufer, andere Ausdauersportler sowie deren Trainer. Aber die Führungskräfte und Unternehmer unter den Lesern berichten immer wieder, dass die vorgestellten Strategien auch im Managementalltag wertvolle Dienste leisten. Den Autor überrascht das wenig.
Herr Ufer, Laufen scheint bei Managern in Mode zu sein und Ihr Buch kommt ziemlich gut an. Wieso?
Irgendwo habe ich neulich mal gelesen, Laufen sei das neue Golfen. Mag sein. In jedem Fall ist Laufen zunächst eines: simpel. Ein technisch einfacher Sport, zu dessen Ausübung es nicht viel braucht, außer ein paar Minuten Zeit. Das ist schon mal praktisch, denn so kann das Laufen relativ problemlos in den vollgepackten Terminkalender integriert werden. Hinzu kommen die mannigfaltigen positiven Effekte des moderaten Ausdauertrainings auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Außerdem gehört es mittlerweile unter Führungskräften fast schon zum guten Ton, einen Marathon absolviert zu haben, denn das wird mit Eigenschaften wie Zielstrebigkeit, Willenskraft, Ausdauer usw. in Verbindung gebracht, die auch im Job entscheidend sind. Nun kommt aber die Krux und mein Buch ins Spiel: Obwohl das Laufen eigentlich so einfach ist und viele positive Folgen haben kann, können sich Läufer durchaus gehörig selbst im Wege stehen oder sabotieren. Und sie tun es überraschend häufig, ganz egal, ob sie eher gesundheits- oder leistungsorientierte Ziele verfolgen. Auch die Manager sind davor nicht gefeit.
Woran liegt das?
Sie haben während des Laufens relativ viel Zeit für dysfunktionale Denk- und Verhaltensweisen, die die Zielerreichung unnötig erschweren können, statt sie effektiv und entspannt ans Ziel zu bringen. Es gibt zwar zuhauf Laufbücher und Trainingsratgeber. Diese fokussieren aber meist auf die körperlichen Aspekte des Sports und beinhalten in der Regel keine fundierten Hinweise zu den psychologischen Einflussfaktoren. Das verwundert, denn Sportler wie Manager stimmen eigentlich zu, dass Erfolg immer auch Kopfsache und eine Frage der richtigen Einstellung ist. Genau hier setzt mein Buch an und liefert ein zentrales Puzzleteil für mehr Motivation, Leistung und auch Lebensfreude. Die Ansätze kann man dann über das Laufen hinaus auch für andere Lebensbereiche nutzen.
Beim Laufen fürs Leben und den beruflichen Alltag lernen?
Ganz genau. Der Sport als Metapher für das Business wird nach meinem Geschmack zwar manchmal etwas überstrapaziert. Aber das Laufen ermöglicht quasi in Echtzeit ein unmittelbares Feedback darüber, mit welcher Einstellung ein Mensch an Herausforderungen rangeht, wie er sich selbst steuert und wie sich seine Denkweisen und mentalen Strategien auf die Motivation, Leistung und Gesundheit auswirken. Diese Unmittelbarkeit erleben Menschen im Unternehmensalltag sonst eher weniger. Da wird das Laufen schnell zum Blick in den Spiegel der eigenen Selbstführung. Und zum Spielfeld für Experimente: Es bietet einen exzellenten, geschützten Raum für das Ausprobieren und Feintuning wichtiger mentaler Strategien, wie sie im Spitzensport vielfach längst etabliert sind, wie zum Beispiel die effektive Emotionskontrolle, Gedankensteuerung, Aufmerksamkeitsfokussierung, Erregungskontrolle, Arbeit mit inneren Bildern, Selbstmotivationstechniken usw.
Der Marathon als Personalentwicklungsmaßnahme?
Wenn Sie so wollen, ja, aber wohl eher als informelle Maßnahme. Aber der Gedanke hat seinen Reiz. Laufen ist einerseits unverfänglich, denn es geht ja „bloß“ um unser Hobby. Und es ist andererseits schonungslos, weil es oft überraschend deutlich zeigt, wie wir im Allgemeinen mit uns um- und an Herausforderungen herangehen. Insofern stimme ich dem Sprichwort zu: Das Leben ist ein (Ultra-) Marathon.
Aber sind denn die Herausforderungen im Sport und Beruf nicht ganz anderer Natur?
Natürlich sind sie das. Zumindest vordergründig. Es macht zwar einen Unterschied, ob wir ein Auto bauen, Krankenhaus führen, eine neue Software programmieren oder im Unternehmen einführen, ein kritisches Meeting abhalten, Einkaufszentrum bauen oder Ultramarathons durch die Wüste laufen. Aber letztlich geht es immer um eines: herausfordernde Ziele möglichst effektiv zu erreichen, indem wir es schaffen, vorhandene Fähigkeiten und Potenziale zuverlässig abzurufen. Es geht darum, stimmige Antworten auf folgende Frage zu finden und im Alltag umzusetzen: Wie können wir uns so steuern, dass wir ehrgeizige Ziele eine Spur schneller, effektiver oder vielleicht sogar überhaupt erst erreichen und bei alldem auch unsere Gesundheit und Lebensfreude im Blick behalten? Und da sind die Herausforderungen und psychologischen Mechanismen in Sport und Wirtschaft gar nicht so verschieden. Das scheinen viele Leser meines Buches ganz ähnlich zu sehen.
Bücher über Erfolg & Mentaltraining gibt es ja bereits viele. Was macht ihres besonders?
Ein Grund für den Erfolg meines Arbeitsbuches könnte sein, dass ich keine „Erfolgsgeheimnisse“ propagiere, sondern auf solides Handwerkzeug setze. Ich halte nichts von markigen Motivationssprüchen à la „Wenn du willst, kannst du alles erreichen“ und „No Limits“. Das mag einige Kandidaten kurzzeitig pushen, geht aber in der Regel an der Realität vorbei und kann sogar in ein Burnout führen. Wir bringen alle unterschiedliche Ziele, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen mit. Der Leser wird deshalb angeleitet, auf der Grundlage einer psychologisch fundierten Soll-/Ist-Analyse der eigenen Motivation und mentalen Stärken einen individuell passenden Mentaltrainings-Projektplan zu entwickeln und umzusetzen. Dafür werden ihm zahlreiche Methoden an die Hand gegeben, die er für seine Situation und Ziele auswählen und kombinieren kann. Ein weiterer Grund für die Akzeptanz des Buches mag sein, dass ich die vorgestellten Strategien vielfach in meinen Coachings eingesetzt und bei weltweiten Extrem- bzw. Ultramarathonläufen auch an mir selbst intensiv getestet habe und dabei oder vielleicht besser: dadurch ausgesprochen erfolgreich war. Das erläutere ich anhand vieler Praxisbeispiele. Da kommen der Humor und auch der Blick in andere Bereiche nicht zu kurz, wie zum Beispiel Fußball, Schwimmen oder Schach.
Was genau bedeutet eigentlich mentales Training?
Ursprünglich kommt das Mentaltraining aus der Sportpsychologie und meint die intensive Arbeit mit inneren Bildern und Vorstellungen zum Beispiel zur Bewegungsoptimierung oder Vorbereitung und Antizipation bevorstehender Herausforderungen. Unter Mentaltraining im weiteren Sinne verstehe ich die systematische Entwicklung psychologischer Fähigkeiten, die für den jeweiligen Kontext zieldienlich bzw. entscheidend sind. Einige hatte ich bereits erwähnt. Die positiven Effekte auf Motivation, Leistung, Gesundheit können erheblich sein und sind vielfach wissenschaftlich bestätigt. Gute Gründe also, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Hier geht es zum Buch „Mentaltraining für Läufer“
Mentalltraining für Läufer
ISBN: 978-3-89899-926-7
[D] 19,95 €