WESTERWELLE-Interview für das „Handelsblatt“ (15.03.2010)

Berlin (pressrelations) –

WESTERWELLE-Interview für das „Handelsblatt“ (15.03.2010)

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem „Handelsblatt“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview (vollständiger Text in der Online-Ausgabe). Die Fragen stellte DANIEL GOFFART.

Frage: Sie haben sich als Außenminister die Förderung der deutschen Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. Hilft eine Parteispende dabei, im Ausland politische Flankierung zu erhalten?

WESTERWELLE: Die Wirtschaftsdelegationen, die mich seit Beginn meiner Amtszeit begleiten, werden nach einem eingespielten Verfahren ausgewählt. Das geht streng nach Expertise und fachlichen Überlegungen. Das ist bei mir nicht anders als bei meinem Vorgänger. Allerdings lege ich großen Wert darauf, dass bei Delegationsreisen neben den großen Unternehmen auch der Mittelstand vertreten ist, denn auch die kleinen Firmen haben viele Chancen auf den Weltmärkten.

Frage: Wo ziehen Sie die Trennlinie zwischen legitimer außenpolitischer Förderung und unerlaubter Einflussnahme insbesondere bei der Ausschreibung großer Infrastrukturprojekte im Ausland?

WESTERWELLE: Das Amt achtet darauf, dass wir die Firmen gleich behandeln. Bei meiner Südamerikareise letzte Woche ist das Brazil Board des BDI dabei gewesen, um für heimische Unternehmen die Chancen zu erhöhen, Aufträge rund um die sportlichen Großereignisse Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und Olympiade 2016 zu erhalten.

Frage: Haben die vorherigen Regierungen die außenwirtschaftliche Förderung vernachlässigt? Immerhin war Deutschland lange Exportweltmeister ? so schlecht stand es also mit dem Außenhandel nicht?

WESTERWELLE: Sich auf einem Weltmeistertitel auszuruhen, ist sehr dumm, wie man schon aus dem Sport weiß. Nichts ist so schnell verloren wie ein Vorsprung ? da reicht schon bloßes Nichtstun. Angesichts der atemberaubenden Entwicklung von Brasilien und Lateinamerika wären wir schlecht beraten, dort nicht für uns zu werben und unsere Chancen zu nutzen. Außerdem erhalte ich oft den diskreten Hinweis, wie engagiert französische Politiker im Ausland nationale Wirtschaftsinteressen wahrnehmen. In Deutschland werde ich für meine Wirtschaftsförderung kritisiert, in anderen Ländern würde ich dafür kritisiert, wenn ich es nicht täte.

Frage: Wäre es nach dem ganzen Ärger um Spenden und Sponsoring nicht besser für Unternehmen und Parteien, wenn sie auf Geld aus der Wirtschaft gänzlich verzichten würden?

WESTERWELLE: Das Bundesverfassungsgericht hat Spenden an Parteien ausdrücklich als erwünscht eingestuft, und wir wollen ja, dass die Parteien nicht vom Staat abhängig sind, sondern in der Gesellschaft verwurzelt bleiben. Wenn die Parteien nur durch den Staat finanziert würden, bestünde die Gefahr, dass sie die Rückkoppelung in die Gesellschaft vernachlässigen.

Frage: Aber gerade das Sponsoring durch Unternehmen hat sich als Graubereich erwiesen.

WESTERWELLE: Da sind neue Fragen aufgekommen, die man überparteilich besprechen muss. Aber pauschale Vorwürfe, dass sich Politiker gleich welcher Partei über den Umweg von Sponsoring gefügig machen ließen, sind infam, egal um wen es da geht.

Frage: Stichwort nationale Interessenvertretung: Airbus ist in den USA aus offensichtlich politischen Gründen mit einem Tankflugzeugauftrag gescheitert, obwohl das Unternehmen gegen Boeing schon den Zuschlag erhalten hatte. Was hat das für außenpolitische Konsequenzen?

WESTERWELLE: Ich will öffentlich nicht vollmundig über Konsequenzen reden, weil das als Drohgebärde missverstanden werden könnte. Aber natürlich wird dieser Fall politisch aufzuarbeiten sein.

Frage: Droht uns nach der Krise jetzt eine neue Welle des Protektionismus?

WESTERWELLE: Ich hoffe nicht, aber die Gefahr ist real. Am Ende ist Protektionismus eine Wohlstandsbedrohung, denn nationale Abschottung wirkt immer als Wachstumsbremse.

Frage: Welche Lehre zieht der deutsche Außenminister aus dem Fall Griechenland?

WESTERWELLE: Wir müssen dafür sorgen, dass Zahlen, die national gemeldet werden, von Eurostat auch wirklich vor Ort nachgeprüft werden können. Gleichzeitig unterstütze ich den griechischen Ministerpräsidenten bei seinem ehrgeizigen Reformprogramm, denn natürlich muss Griechenland jetzt vor allem die eigenen Hausaufgaben machen.

Frage: Wirkt die aktuelle Debatte über einen Europäischen Währungsfonds (EWF) nicht wie eine Einladung an die anderen EU-Problemländer, einfach so weiterzumachen und auf die Hilfe dieses neuen Fonds zu hoffen?

WESTERWELLE: Das ist in der Tat ein Risiko, aber man muss auch die Chancen eines EWF sehen. In der Abwägung, ob man den IWF oder einen EWF zur Hilfe ruft, gibt es keine Schwarz-Weiß-Antwort. Das muss in Ruhe besprochen werden.

Frage: Warum zahlen die Europäer denn in den IWF ein, wenn der nicht im Euroraum helfen soll? Warum parallel einen EWF finanzieren?

WESTERWELLE: In Osteuropa oder auch in Ungarn hat der IWF geholfen. Bei der Diskussion um den EWF geht es darum, diese Frage von der Griechenlanddebatte zu lösen, denn ich möchte nicht, dass die Erkenntnis der Reformnotwendigkeit in Griechenland schrumpft, weil an anderer Stelle Geld ins Schaufenster gelegt wird.

Frage: Sie sind gleichzeitig Außenminister, FDP-Vorsitzender und Wahlkämpfer. Ist das nicht ein bisschen viel?

WESTERWELLE: Die Bundeskanzlerin ist ebenfalls CDU-Vorsitzende und engagierte Wahlkämpferin ihrer Partei. Da ich nicht weniger arbeite als Angela Merkel, traue ich mir die Doppelbelastung auch zu.

Frage: Verträgt sich das Amt des Chefdiplomaten mit dem eines scharf formulierenden Kampagnenführers?

WESTERWELLE: Wo steht denn, dass ein Außenminister im Inland die Konkurrenz nur mit Glacé-Handschuhen anfassen darf? Nach den Debatten der letzten Wochen und den diffamierenden Attacken auf mich und meine Familie sehe ich überhaupt nicht, warum ich nur noch in Form von diplomatischen Bulletins mit der Linkspartei, Frau Künast oder Herrn Gabriel verkehren sollte. Dinge die nötig sind, müssen ausgesprochen werden. Im Auslands repräsentiere ich unser Land mit Diplomatie. Im Inland werde ich mich auch künftig in Debatten einschalten und zwar so, dass es auch jeder versteht.

Frage: Die FDP konnte in den Umfragen bislang nicht davon profitieren, dass sie als Außenminister ein popularitätsträchtiges Amt besetzen. Liegt das an Ihnen?

WESTERWELLE: Die FDP hat einen starken Veränderungswillen, weil wir Liberale besonders klar sehen, dass einige Dinge sonst vor die Wand fahren. Dieses Einfordern von Veränderungen wie bei der von mir angestoßenen Sozialstaatsdebatte gefällt nicht jedem und führt auch nicht bei jedem zu mehr Popularität, ist aber gleichwohl richtig.

Frage: Wäre es angesichts der liberalen Kernthemen Steuern, Finanzen und Wirtschaft nicht klüger gewesen, ein entsprechendes Superministerium zu besetzen anstelle des Auswärtigen Amtes?

WESTERWELLE: Ich bin sehr zufrieden mit der mittelstandsorientierten Wirtschaftspolitik von Rainer Brüderle. Ich habe den Eindruck, dass sich die liberale Regierungsmannschaft gut ergänzt und dass meine Außenpolitik auch von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist. In Zeiten der Globalisierung rückt die Außenwirtschaftspolitik in der Prioritätenskala weit nach oben. Früher gab es den Vorwurf der Ökonomisierung der Außenpolitik, aber für mich ist die Förderung deutscher Unternehmen im Ausland eine Selbstverständlichkeit. Die Förderung der deutschen Wirtschaft im Ausland wird ein strategischer Ansatz meiner Außenpolitik sein. Es geht um unsere Arbeitsplätze.

Frage: Gilt diese Außenwirtschaftspolitik auch für die Kernkraft?

WESTERWELLE: Die Bundesregierung unterstützt den Export von unseren weltweit anerkannten Produkten im Bereich erneuerbarerer Energien. Deshalb wollen wir aus ökologischen wie ökonomischen Gründen den Export vorantreiben. Aus denselben Gründen werden wir aber auch den Export unserer nuklearen Energietechnologie unterstützen, die zu den modernsten und sichersten weltweit gehört.

Frage: Auch mit Hermes-Exportversicherungen?

WESTERWELLE: Das kann durchaus dazu gehören. Entscheidend ist, dass zahlreiche Länder auch aus Klimaschutzgründen Kernkraftwerke bauen und da werden wir uns mit unserer Spitzentechnologie gerne beteiligen.

Frage: Können Sie wie zuletzt in Hamburg jetzt auch in NRW tatenlos zusehen, wie die CDU den Koalitionspartner FDP gegen die Grünen eintauscht?

WESTERWELLE: Entweder es gibt in NRW eine bürgerliche Mehrheit oder eine linke Regierung, denn SPD und Grüne werden noch am Wahlabend Verhandlungen mit der Linkspartei aufnehmen, wenn die Wähler das zulassen. Die Diskussion über schwarz-grün ist nur das trojanische Pferd für eine linke Regierung. Im übrigen ist das ja auch eine klare Ausgangslage für die bürgerlichen Wähler, denn bei der FDP wissen sie, woran sie sind.

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