Trotz Bildungs- und Teilhabepaket: Im Südwesten hält sich Chancenungleichheit für Kinder hartnäckig
Stuttgart, 21. Februar – Baden-Württembergs Schüler sind mittlerweile ins zweite Schulhalbjahr gestartet – allerdings wieder mit sehr ungleichen Bildungschancen. Nach wie vor hängen in Baden-Württemberg die Bildungschancen eines Kindes entscheidend von seiner sozialen Herkunft ab. „Im Südwesten bleibt die Chancengerechtigkeit die größte Baustelle. Die Schule schafft es immer noch nicht, benachteiligte Kinder ausreichend zu fördern“, kritisieren die Caritasvorstände Dr. Annette Holuscha-Uhlenbrock (Rottenburg-Stuttgart) und Mathea Schneider (Freiburg). Hier habe weder das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT), das vor sechs Jahren eingeführt wurde, eine Veränderung gebracht, noch der im Jahr 2015 veröffentlichte Armuts- und Reichtumsbericht. „Seit Jahren werden Studien verfasst, die diese ungleichen Chancen immer wieder bestätigen. Aber nichts Durchgreifendes passiert“, kritisieren die Vorstände. Daher fordert die Caritas im Land die Landesregierung auf, im Südwesten endlich den Zusammenhang von Bildungschancen und Elternhaus aufzubrechen. Gefragt seien keine neuen Modellprojekte, die lediglich Symptome der Bildungsarmut bekämpfen. „Wir brauchen Strukturen im Bildungssystem, die jedem Kind eine gute Bildung ermöglichen. Nur so kann Armut nachhaltig bekämpft werden.“ Zentral sei dabei, den Ausbau der Ganztagesschule insbesondere in qualitativer Hinsicht fortzusetzen.
Gerade das Bildungs- und Teilhabepaket weist aus Sicht der Caritas große Defizite auf. „Es ist teuer, bürokratisch und stigmatisiert die leistungsberechtigten Kinder und ihre Eltern“, so die Vorstände. Der Verwaltungsaufwand ist enorm hoch und kostspielig. Zudem müssen die Eltern sehr viel Zeit in Antragsstellung und Fahrten zu Ämtern investieren, um Leistungen etwa für einen Schulausflug zu erhalten. „Auf Landesebene müssen hier dringend bürokratische Hürden abgebaut werden. Dies ist sowohl im Sinne der Familien wie der Verwaltung“, so Schneider und Holuscha-Uhlenbrock.
Das Bundes- und Teilhabepaket reicht aus Sicht der Caritas nicht aus, um Chancengerechtigkeit zu schaffen. Wollen Eltern ihr Kind fördern, kommt die darin vorgesehene Lernförderung zu spät: diese greift erst, wenn ein Kind versetzungsgefährdet ist. Eltern, die Nachhilfe aus eigener Tasche bezahlen können, sorgen laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung schon sehr viel früher dafür, dass ihre Kinder Nachhilfe erhalten: gerade bei erfolgreichen Schülern soll Nachhilfe die Note verbessern. Andere Eltern springen selbst ein und lernen mit dem Kind. Fehlt Eltern aber ein höherer Bildungsabschluss oder die finanziellen Mittel, erfahren auch ihre Kinder häufig nicht die notwendige Förderung. Eltern, deren Kinder eine Ganztagsschule besuchen, berichten hingegen häufiger, dass die Nachhilfe ihrer Kinder für sie kostenfrei ist, von Lehrkräften erteilt wird und in Form von Gruppenunterricht stattfindet. Aus Sicht der Caritas im Land trägt daher ein qualitativ hochwertiges Ganztagesangebot dazu bei, alle Schüler individuell zu fördern. Durch Ganztagesunterricht können die Nachteile derjenigen Schüler ausgeglichen werden, die in ihren Familien wenig Unterstützung erfahren.
Die Caritas im Land vermisst von der Landesregierung Antworten auf den 2015 erschienenen Armuts- und Reichtumsbericht: hier wurde erneut anerkannt, dass das derzeitige Schulsystem eine gleichberechtigte Bildungsteilhabe nicht leisten kann. „Gerade ein reiches Bundesland wie Baden-Württemberg hat aber die Möglichkeit, bei Bildungsfragen auf Länderebene gegenzusteuern“, so Holuscha-Uhlenbrock und Schneider. „Wir wünschen uns vom Kultusministerium mehr Initiative, dieses Defizit zu lösen, damit der Schulerfolg nicht abhängig von der Herkunft bleibt.“
Als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche vertritt die Caritas in Baden-Württemberg rund 3.800 Einrichtungen mit mehr als 175.000 Plätzen in unterschiedlichen Hilfefeldern, in denen 65.000 Mitarbeiter/innen tätig sind.
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