Zehn Produktionen für den Deutschen Kurzfilmpreis 2009 nominiert
Am 29. Oktober 2009 wird Staatsminister Bernd Neumann in Ludwigsburg den Deutschen Kurzfilmpreis 2009 verleihen. Kooperationspartner ist in diesem Jahr die Filmakademie Baden-Württemberg.
Filmpreise in Gold werden vergeben für Spielfilme mit einer Laufzeit bis 7 Minuten und von mehr als 7 Minuten bis 30 Minuten Laufzeit, für Animations-/Experimentalfilme und für Dokumentarfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten. Die Kurzfilmpreise in Gold sind mit einer Prämie bis zu jeweils 30.000 Euro verbunden. Weiterhin ist ein Sonderpreis für Filme mit einer Laufzeit von mehr als 30 bis 78 Minuten Laufzeit vorgesehen, der mit einer Prämie bis zu 20.000 Euro verbunden ist.
Aus 253 wettbewerbsfähigen Filmvorschlägen sind von den Jurys Deutscher Kurzfilmpreis (Spielfilm) und Deutscher Kurzfilmpreis (Animations-/Experimentalfilm, Dokumentarfilm, Sonderpreis) insgesamt 10 Filme nominiert und ein Sonderpreis vergeben worden. Mit der Nominierung ist eine Prämie von 15.000 Euro verbunden. Die Nominierungsprämie wird auf den Filmpreis in Gold angerechnet.
Die Jury Deutscher Kurzfilmpreis (Spielfilm) entschied in der Zusammensetzung Frank Becher, Nürnberg/Berlin (Produzent), Alexandra Gramatke, Hamburg (Geschäftsführerin der KurzFilmAgentur Hamburg), Andrea Hohnen, Berlin (Programmleiterin First Steps), Stefan Kornatz, Berlin (Vorsitzender, Autor/Regisseur) und Anke Lindenkamp, Hamburg/Mainz (Redakteurin ZDF/ARTE).
Die Jury Deutscher Kurzfilmpreis (Animations-/Experimentalfilm, Dokumentarfilm, Sonderpreis) setzte sich wie folgt zusammen: Ute Badura, Berlin (Vorsitzende, Regisseurin/Kamerafrau), Petra Felber, München (Redakteurin Bayerischer Rundfunk), Meike Martens, Köln (Produzentin), Steffen Reiche, Bergholz-Rehbrücke/Berlin (Mitglied des Deutschen Bundestages) und Ulrich Wegenast, Stuttgart (Künstlerischer Geschäftsführer der Film- u. Medienfestival GmbH Ludwigsburg).
Für den Deutschen Kurzfilmpreis 2009 sind folgende Filme nominiert worden:
Spielfilme mit einer Laufzeit bis 7 Minuten
„Kokon“
Hersteller: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin in Koproduktion mit ARTE Regie u. Drehbuch: Till Kleinert
Laufzeit: 7 Minuten
Ein Oberstufenschüler lässt sich seine schulterlange Haarpracht auf Nackenlänge stutzen. Er überrascht damit seine Mitschüler. Anhand dieser geradezu banalen Handlung entfaltet „Kokon“ mit großem Gespür für menschliche Innenwelten seine bemerkenswerte Poesie.
Der dialogfreie Film ist so komponiert, dass die titelgebende Gemütslage des Protagonisten für den Zuschauer erfahrbar wird, ohne dass sie auserzählt werden muss. Die Macher erzeugen mit einfachen filmischen Mitteln gewinnbringend ein Gefühl, das sich irgendwo, irgendwann zwischen Pubertät und Adoleszenz verorten lässt, und das eigentlich jeder so oder anders mal erlebt hat. Lesbar als coming of age Geschichte aber auch als coming out, konzentriert sich der Film auf die subjektive Innenwelt seiner Hauptfigur, um diese sichtbar sowie hörbar aufzubrechen und aus ihr herauszutreten. Eine Genese, mit der filmisches Handwerk sehenswert unter Beweis gestellt wird, und ein zartes Erlebnis, das sich mit anderen teilen lässt. Bravo!
Spielfilme mit einer Laufzeit von mehr als 7 bis 30 Minuten Laufzeit
„Antje und wir“
Hersteller: Felix Stienz, Berlin
Regie u. Drehbuch: Felix Stienz
Laufzeit: 12 Minuten
Antje gerne hätten wir diese Frau kennengelernt. Diese offensichtlich so verführerische Frau, die in keinem einzigen Bild des Filmes zu sehen und doch in jeder Sekunde so präsent ist. Acht Ex-Geliebte, Frauen wie Männer, erzählen in Felix Stienz Film über ihre Begegnung mit Antje. Eine Begegnung wie ein Urknall, der ihr Leben veränderte und ebenso schnell verschwand wie er kam.
Kurzfilme eröffnen dramaturgische und gestalterische Freiheiten. Stienz nutzt diese Freiheiten und wählt eine zwar einfache, aber umso wirkungsvolle Form: Vor schlichtem Weiß gedreht, erzählen die acht Protagonisten in der immer gleichen Kameraeinstellung die immer gleiche Geschichte ihrer Liebe von der ersten romantischen Begegnung, über die wilden ekstatischen Tage des Glücks bis zum schmerzvollen Abschied von Antje. Getragen von hervorragenden Darstellern und der klugen, präzisen Konstruktion des Films wird „Antje und wir“ zu einem spannenden, unterhaltenden und überraschenden Kino, das sich vor allem im Kopf des Zuschauers abspielt.
„Birthday“
Hersteller: Fachhochschule Dortmund in Koproduktion mit Andrzej Król Regie u. Drehbuch: Andrzej Król
Laufzeit: 17 Minuten
Der Inhalt dieses Films ist schnell erzählt: Ein betrunkener Vater wollte seinem Sohn ein Fahrrad zum Geburtstag schenken; ein Jahr später versucht er es nochmals.
Aus dieser einfachen Geschichte macht „Birthday“ eine außerordentliche, sinnliche Kino-Erfahrung. Labyrinthische Zeitschleifen und -sprünge, Gedächtnislücken und „Filmrisse“, verdrängte Bilder von Schuld und Gewalt die verzweifelten Erinnerungsversuche eines Betrunkenen entstehen hier in bedrängender Plastizität.
Virtuos und souverän ist die Bildsprache des Kameramanns Andrzej Król, der neben allem anderen auch für den Ton verantwortlich zeichnet zu unserem Glück. Denn statt erklärender Dialoge und untermalender Musik gibt es in dieser 16-minütigen Höllenfahrt „nur“ Töne: Mit einer ausgefeilten, der Bilderwelt ebenbürtigen Wucht und Entschiedenheit steuern sie auf eine erschütternde Schlusspointe zu. Kino für alle Sinne!
„Fliegen“
Hersteller: Carsten Strauch Filmproduktion, Offenbach
Regie: Piotr J. Lewandowski
Drehbuch: Finn-Ole Heinrich, Jan Oberländer
Laufzeit: 26 Minuten
„Fliegen“ erzählt die Begegnung zweier Menschen aus unterschiedlichen Welten, die sich gegenseitig von Nutzen sind. Zwei Spieler, denen die Kontrolle über ihr Spiel entgleitet. Dargestellt von zwei großartigen Schauspielern. Jacob Matschenz gibt den unwiderstehlichen Dima, einen jungen Kleinkriminellen, dem die Abschiebung nach Russland droht. Er macht keinen Hehl aus seinem Interesse an Sarah und sprüht dabei vor Charme und Selbstironie bis er von seinen Gefühlen überholt wird. Sarah, verkörpert von der großartigen Sandra Hüller, ist eine junge ambitionierte Filmemacherin, die Dima für ihren Dokumentarfilm benutzt. Sie genießt seine Spontaneität und Leidenschaftlichkeit aber verliert die Kontrolle erst, als es zu spät ist. Piotr J. Lewandowski hat mit „Fliegen“ einen wunderbaren, einen bitteren Film über den Traum von Liebe gemacht. Einen Film, dessen Bildebenen und Dramaturgie virtuos von dem Unterschied erzählen zwischen dem Kino und einer Realität, wo Träume selten wahr werden.
„Polar“
Hersteller: Kunsthochschule für Medien Köln in Koproduktion mit Kinomaton München und Dschoint Ventschr Zürich
Regie: Michael Koch
Drehbuch: Juliane Großheim, Michael Koch
Laufzeit: 30 Minuten
Diese Familiengeschichte hat uns von der ersten bis zur letzten Minute gefesselt. Ein erwachsener Sohn, der sich nach längerer Trennung vom Vater unverhofft in dessen neuer Familie wiederfindet und verzweifelt um seine Aufmerksamkeit kämpft. Ein Vater, der ihn immer wieder ins Leere laufen lässt und sich der Situation mit versteinerter Miene zu entziehen versucht. Das Ganze in einer einsamen Berglandschaft, in der es keinen Himmel zu geben scheint und die mit ihren steilen Hängen und Nebelwänden seltsam klaustrophobisch anmutet.
An dem leisen Film über die Sehnsucht nach Nähe und die Schwierigkeit, sie zu erlangen, hat uns alles überzeugt: die sparsamen Dialoge kein Wort zu viel , die subtile Schauspielführung keine überflüssige Geste und eine insgesamt reduzierte Erzählweise, die vieles aus- und offenlässt, damit aber umso mehr Raum für feine und mehrdeutige Zwischentöne schafft. Die souveräne Kamera bleibt konsequent bei den Figuren und setzt die karge Landschaft so ins Bild, dass sie deren Seelenzustände zu reflektieren scheint. Reduktion auf allen Ebenen also. Herausgekommen ist ein Film von großer atmosphärischer Dichte, der tief berührt, ohne im Geringsten sentimental zu sein.
„Wüste/Außen/Tag“
Hersteller: Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, Potsdam, in Koproduktion mit dem RBB Regie u.
Drehbuch: Mia Grau
Laufzeit: 30 Minuten
Während einer Drehpause unternehmen eine Schauspielerin und ihr Kollege einen Ausflug. Er zeigt ihr in der Gegend einen Ort aus seiner Vergangenheit, danach gehen sie schwimmen. „Wüste / Außen / Tag“ ist ein fein justiertes Katz-und Maus-Spiel zwischenmenschlicher Erwartungen und (Ent-)Täuschungen.
Man kann dem Film eine Verhaftung in gewissen Filmkunstklischees vorwerfen. Doch innerhalb dieses Rahmens entfaltet sich ein von schauspielerischem Nuancenreichtum geprägtes Vexierspiel, ein Kennenlernen, das außerordentlich gelungen und sehenswert ist! Kathleen Morgeneyer und Stefan Rudolf spielen zwei Menschen, die sich während ihres Ausflugs aufeinander zu bewegen und dennoch abstoßen. Sie sind eitel und ängstlich. Sie suchen beim Anderen nach Verständnis und Anerkennung, doch gleichzeitig verstecken sie sich voreinander. So schinden sie Eindruck und enttäuschen sich gegenseitig. Allein darin sind sie wahrhaftig!
Ein großartiges Stück über Sprache, Schauspiel und Selbsttäuschung.
Animations-/Experimentalfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten
„Der Conny ihr Pony“
Hersteller: Robert Pohle, Halle
Regie: Robert Pohle
Drehbuch: Gabriel Vetter
Laufzeit: 5 Minuten
Conny hat sich zu ihrem 11. Geburtstag ein Pony gewünscht. Nun passt es nicht in den Niederflurgelenkbus. Die Schweizer Rentner schon. Hätte sie sich doch nur etwas anderes gewünscht!
Connys Frust bricht sich in bitterbösen und urkomischen Fantasien den Weg. Die Zuspitzung des Generationenkonfliktes durch die demografische Entwicklung wird aberwitzig in weniger als fünf Minuten und in bester Kurzfilmdramaturgie in Szene gesetzt. Die Textvorlage stammt von dem vielfach ausgezeichneten Schweizer Slam-Poeten Gabriel Vetter. Robert Pohle und Martin Hentze haben diese adaptiert und einen Collagenfilm geschaffen, der Zeichnungen, Grafiken, Fotografie und 3D-Animation mit Nadel, Faden, Papier und Stofftieren verbindet. Illustration, Animation, Tricktechnik und Vetters Wortkaskaden, dessen Performance den Rhythmus und Fluss des Films anpeitscht, werden in zeitgemäßer Ästhetik kombiniert.
„Please say something“
Hersteller: David OReilley Animation, Berlin Regie u. Drehbuch: David OReilley
Laufzeit: 10 Minuten
„Please Say Something“ von David OReilley ist eine universelle Parabel über Liebe, Einsamkeit und Verlust, die in ihrer originellen Bildgestaltung den Zuschauer in ein einzigartiges Universum und eine dennoch nachvollziehbare moderne Lebenswelt hineinzieht. Trotz der reduzierten grafischen Gestaltung, die in ihrer Flächigkeit an frühe Computerspiele erinnert, und den Brüchen einer optionalen Erzählweise, entfaltet die Animation eine emotionale Intensität und eine glaubwürdige Humanität. Die Computeranimation, die bewusst auf fotorealistische Effekte verzichtet, verkommt nie zum Selbstzweck, sondern ermöglicht die Verdichtung einer komplexen Handlung, wie man es sich von einem Kurzfilm wünscht. Die Zeichenhaftigkeit der Animation und die perspektivische Verfremdung des Stadt- und Wohnraums wirken zunächst kühl und abstrahiert wie ein Edward Hopper-Gemälde, schaffen jedoch den idealen Rahmen einer leidenschaftlichen Liebesromanze. Auch die Tonebene erscheint zunächst mit ihrem niedlich-minimalistischen Duktus absolut inadäquat, dieses anrührende Beziehungsdrama zu transportieren. Aber auch hier stellt sich schnell der gegenteilige Effekt ein. So lässt einen diese eigentümliche kleine Pixel-Lovestory zwischen Katze und Maus weitaus berührter zurück als manch eine hochkarätig besetzte Großproduktion.
Dokumentarfilme mit einer Laufzeit bis 30 Minuten
„Radfahrer“
Hersteller: Marc Thümmler, Zeuthen
Regie u. Drehbuch: Marc Thümmler
Laufzeit: 28 Minuten
,,Radfahrer, ein dokumentarischer Fotofilm über den systemkritischen Berliner Fotografen Harald Hauswald, ist ein Meisterwerk aus Konserven: Fotografien aus dem Ost-Berlin der 80er Jahre, unterlegt mit von der Staatssicherheit verfassten Texten. Diese sind so gut auf die Fotos abgestimmt und eingebunden, dass der Eindruck entsteht, die Fotos seien gerade gemacht und die Berichte von der Stasi im Moment dazu ersonnen worden. Nur Hauswaldbilder, nur Stasitexte. Ein Experiment, das in faszinierender Weise umgesetzt worden ist. Die aus dem Off gesprochenen Passagen aus 1500 Seiten sprödem Stasitext belegen, wie das „Subjekt Hauswald“ der Stasi aus der Kontrolle gerät. Der Film gerät nicht außer Kontrolle, schafft aber geradezu unkontrollierbare Einsichten und Stimmungen.
Marc Thümmler ist ein gleichsam bedrückender wie unterhaltsamer Film über Opfer und Täter im Überwachungsstaat DDR gelungen.
„Wagah“
Hersteller: Detailfilm Gasmia Kamm GbR, Hamburg, in Koproduktion Perspective SPC, Kalkutta
Regie: Supriyo Sen
Drehbuch: Supriyo Sen, Henning Kamm, Fabian Gasmia
Laufzeit: 14 Minuten
„Wagah“ ist der einzige Grenzübergang zwischen Pakistan und Indien. Die Schließung der Grenztore durch Soldaten beider Länder ist ein allabendliches Spektakel. Die martialische Choreographie dieses simplen Vorganges lockt täglich Tausende von Zuschauern an die Grenze. Singend und tanzend wird von beiden Seiten der bis ins kleinste Detail inszenierte Aufmarsch der eigenen Soldaten angefeuert. Der Regisseur erzählt dieses Schauspiel über den auf indischer Seite lebenden Jungen Manpreet Singh, der durch den Verkauf von DVDs dieses Ereignisses seine Familie unterstützt.
Die große Leistung des Dokumentarfilmes „Wagah“ ist es, den politischen Konflikt zwischen Indien und Pakistan an diesem Ort ohne große Erklärungen facettenreich darzustellen. Die kluge Montage des Filmes führt den Betrachter langsam von Drachen spielenden Kindern an der Grenze über die volksfestartige Stimmung der Zuschauer zu der absurd anmutenden Vorstellung der Soldaten. Der Rhythmus der Drohgebärden der Soldaten verbindet sich mit dem nationalen Enthusiasmus der Zuschauer auf pakistanischer Seite ebenso wie auf indischer. Wenn die Fahne eingezogen ist, ist das Spektakel vorbei und es herrscht langsam wieder Ruhe. Eine gefährliche Ruhe, die die Bedrohung im Zusammenhang mit dieser seit 1947 existierenden Grenze spürbar macht, obwohl oder gerade weil die Bevölkerung auf beiden Seiten oft eng miteinander verbunden ist.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.deutscher-kurzfilmpreis.de
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